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Präzisionswerkzeug-Branche mit positiver Bilanz in schwierigem Umfeld

VDMA-Präzisionswerkzeuge
Präzisionswerkzeug-Branche mit positiver Bilanz in schwierigem Umfeld

Präzisionswerkzeug-Branche mit positiver Bilanz in schwierigem Umfeld
Das Präsidium des VDMA-Fachverbands Präzisionswerkzeuge bei der Fachpressekonferenz 2023 (v.l.): Markus Horn (ECTA-Präsident), Gerhard Knienieder, Stefan Zecha (Vorsitzender), Marco Schülken und Philipp Ehrhardt. Bild: Autorin
Die deutschen Hersteller von Präzisionswerkzeugen verbuchten 2022 einen Umsatz von rund 9,9 Mrd. Euro und erreichten das erwartete Umsatzplus von 8 %. Trotz vieler Herausforderungen ist die Branche zuversichtlich, 2023 ihre Produktion wieder um 8 % steigern zu können.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Anlässlich der Jahres-Pressekonferenz des VDMA-Präzisionswerkzeuge verkündete Stefan Zecha, Vorsitzender des Fachverbands, positive Branchenzahlen für 2022: Der Umsatz stieg um 8 % auf 9,9 Mrd. Euro. Während der deutsche Markt gut ins Jahr gestartet sei, im zweiten Quartal zwar stagnierte, dann aber in den letzten Monaten wieder stark zulegte, stieg das Exportgeschäft insgesamt leicht. Allerdings waren die Entwicklungen sowohl in den einzelnen Teilbranchen – Zerspanwerkzeuge, Spanntechnik und Werkzeug- und Formenbau – des Fachverbands als auch in den Zielländern sehr unterschiedlich. Das Exportgeschäft konnte 2022 insgesamt leicht gesteigert werden. Ein deutlicher Wachstumsfaktor war das Amerikageschäft. Die Absatzentwicklung in China verlief hingegen enttäuschend. In Deutschland machten sich insbesondere die in den letzten Monaten wieder stark gestiegene Inlandsproduktion der Autoindustrie und die hohe Produktionsauslastung im Maschinenbau positiv bemerkbar.

Trotz des schwierigen Umfelds ist die Branche laut Zecha optimistisch, auch 2023 wieder ein Produktionswachstum von 8 % zu erreichen. „Allerdings werden die Herausforderungen für die überwiegend kleineren und mittleren Betriebe der Branche immer größer. Denn die Belastungen steigen, beispielsweise bei den Kosten von Energie, Personal und Rohstoffen. Aber auch die Bürokratie mit Nachweispflichten bei Lieferketten oder Nachhaltigkeit schränkt unsere Wachstumsoptionen ein.“

Bürokratieabbau zwingend erforderlich

Der Fachverbandsvorsitzende sagte: „Eine aktuelle Impuls-Studie des VDMA, die dieser Tage veröffentlicht wurde, belegt, wie stark die Unternehmen unter den ihnen aufgebürdeten nicht wertschöpfenden Tätigkeiten leiden.“ So lasse beispielsweise das geplante EU-Lieferkettengesetz die Realität im industriellen Mittelstand unberücksichtigt. „Die Politik glaubt, ein Mittelständler könnte in allen Stufen seiner Lieferkette in fernen Ländern dafür sorgen, dass nicht nur Kinderarbeit verhindert wird, sondern auch europäische Umweltstandards eingehalten werden oder Religionsfreiheit gewährleistet ist.“ Wer das nicht nachweisen könne, riskiere, künftig verklagt zu werden. „In Summe scheint es leider so zu sein, dass bei vielen politischen Entscheidungsträgern die Wettbewerbsfähigkeit eines für Europa und auch für die grüne und digitale Transformation entscheidenden Sektors völlig nachrangig ist.“

Als weiteres Beispiel für die drohende überbordende Berichtspflichten nannte Zecha den Data Act der EU. Dieser regelt unter anderem die Datennutzung und -übertragung zwischen Unternehmen und greift mit Datenzugangs- und Informationspflichten bis hin zu Anforderungen an die technische Ausgestaltung auch noch weit in die unternehmerische Freiheit ein. „Ich schließe mich den Worten des VDMA-Vizepräsidenten und Vorsitzenden des Kuratoriums der Impuls-Stiftung, Henrik Schunk, zum Thema Bürokratie an: Wir brauchen ein Moratorium sowie Praxischecks, damit die Politik die Auswirkungen der geplanten Gesetze besser einschätzen kann. Außerdem ist eine zügige Digitalisierung der Verwaltung dringend geboten.“

Nachhaltigkeit erfordert vergleichbare Daten

Auch im Rahmen des European Green Deal sehen sich die Unternehmen zukünftig mit einer Fülle gesetzlicher Vorgaben konfrontiert. „Diese Vorgaben und die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten seitens der Kunden erfordern künftig die Auseinandersetzung und Erstellung eines Product Carbon Footprints“, sagte Zecha. „Deshalb hat der VDMA in Kooperation mit verschiedenen Mitgliedsunternehmen eine ‚PCF-Berechnungsguideline‘ für den Maschinen- und Anlagenbau erarbeitet, die einheitliche, produktspezifische Vorgaben für die Berechnung des Product Carbon Footprints festlegt.“

Wie wichtig diese Guideline ist, unterstrich auch Zechas Stellvertreter und Vorsitzendender der Fachabteilung Gewindewerkzeuge, Gerhard Knienieder: „Der EU Green Deal ist bei unseren Kunden angekommen und das Thema Nachhaltigkeitsdokumentation nimmt Fahrt auf. Das merken wir daran, dass 2022 Rückfragen von Kunden national wie international die Branche verstärkt erreicht haben. Daran sehen wir, welch hohen praktischen Nutzen die Arbeit an der PCF-Berechnungsguideline für die Unternehmen bringt.“

Enabler für nachhaltige Zukunft

Im Sinne einer nachhaltigen Produktion beschäftigt die Teilbranche „Spanntechnik“ ein bekanntes Thema immer stärker. Philipp Ehrhardt, Vorsitzender der Fachabteilung Spannzeuge, berichtete: „Der Einsatz von Sensorik bekommt in der Spanntechnik einen immer höheren Stellenwert.“ Durch die Möglichkeit zur Überwachung und Auswertung relevanter Zustandsgrößen biete sie großes Potential für die Automatisierung und die 0-Fehlerproduktion.

Ehrhardt griff aber auch das Thema „Verbrenner-Verbot ab 2035 auf und bekräftigte die von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geäußerten Bedenken diesbezüglich. „Aktuell ignoriert die EU das CO2-Einsparpotenzial des nahezu gesamten europäischen Fahrzeugbestandes. Eine Incentivierung CO2-neutraler Kraftstoffe für Bestandsfahrzeuge wäre ein leichter Weg, schnell Erfolge im Verkehrssektor zu verzeichnen.“ Ehrhardt betonte: „Die von der EU für 2026 in Aussicht gestellte ‚Überprüfung‘ der Maßnahmen kommt auch aus unserer Sicht zu viel spät.“ Die Autoindustrie in Europa und ihre Zulieferer bräuchten schnellstens Klarheit, sonst sei das Know-how in Europa für immer verloren. „Meine Forderung an die Politik: Beschränken Sie sich auf das Stecken von Zielen und überlassen Sie dem Wettbewerb den technischen Weg dorthin! Technologieoffenheit ist der größte Hebel zum Erfolg der Klimapolitik. Und den wünschen wir uns doch alle!“

Branche aus europäischer Sicht

Markus Horn, Präsident der European Cutting Tools Association (ECTA), schilderte die Lage der Branche aus europäischer Sicht: „Insgesamt konnte die europäische Werkzeugindustrie die grenzüberschreitenden Lieferungen von Zerspanwerkzeugen leicht um vier Prozent steigern.“ Damit liege das Handelsvolumen nur noch minimal (um 2 %) unter dem des Rekordjahres 2018. Die Binnenlieferungen innerhalb der EU fielen dabei mit einem Plus von 3 % etwas schwächer aus, befinden sich damit aber auch fast wieder auf dem bisherigen Bestwert von 2018. „Auch wenn die Wachstumsraten hier im vergangenen Jahr klein ausgefallen sind, bleibt der europäische Heimatmarkt am bedeutendsten. Nach wie vor finden zwei von drei Werkzeugen aus der EU auch ihre Verwendung innerhalb der EU. Die Topmärkte außerhalb der EU sind die USA und China. Dabei waren die USA Wachstumstreiber, während das Chinageschäft lahmte.“

Decoupling von USA und China

ECTA-Präsident Horn betonte, über die aktuellen Risiken hinaus – etwa die jüngste Corona-Welle in China oder dem China-Taiwan-Konflikt – seien viele Unternehmen besorgt, welche weiteren Auswirkungen – insbesondere Handelshemmnisse – das Kräftemessen zwischen China und den USA für uns Europäer haben wird. Beide Regionen seien die wichtigsten Absatzmärkte außerhalb Europas. „Deshalb gilt es das Thema Decoupling von USA und China scharf im Auge zu behalten.“ Wie sein Vorredner Gerhard Knienieder ist auch Horn der Meinung, dass es ein „weiter so“ wie in den vergangenen Jahren künftig wohl nicht geben werde und europäische Anbieter mit Sanktionen der jeweils anderen Seite rechnen müssten, wenn man beide Märkte weiterhin bedienen wolle.

Industrieller Datenraum Manufacturing-X

Einig waren sich die Referenten auch hinsichtlich der Lieferkettenprobleme, die noch immer rund 74 % der Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigen. Sie hätten gezeigt, dass die deutsche Industrie viel schneller als bisher auf Verwerfungen in ihren Lieferketten oder der Rohstoff- und Energieversorgung reagieren können muss. Dafür brauche es auf allen Stufen der Wertschöpfungsketten Klarheit über Prozesse und eingesetzte Ressourcen. „Hierfür entsteht aktuell unter der Marke ‚Manufacturing-X‘ ein dezentral organisiertes Plattformprojekt für die gesamte Industrie. Treiber der Initiative sind die beiden Verbände VDMA und ZVEI“, berichtete Zecha. Das neue digitale und branchenübergreifende Datenökosystem soll es ermöglichen, Daten entlang von Liefer- und Wertschöpfungsketten unternehmensübergreifend zu teilen, damit das ganze Netzwerk davon profitieren kann.

Fachkräftemangel immer dramatischer

Zu den weiteren Herausforderungen gehören laut allen Referenten – neben der hohen Inflation, den Folgen des Ukraine-Kriegs und den hohen Energiepreisen mit allen Folgekosten – vor allem den Fachkräftemangel. Er drohe das Produktionswachstum in jedem zweiten Unternehmen auszubremsen. Erschwerend kommt hier laut Marco Schülken, dem Vorsitzenden des VDMA-Werkzeugbaus, hinzu, dass andere, finanzkräftigere Branchen um die Fachkräfte der Branche buhlen und die Krankenstände steigen, sodass auf den einzelnen Mitarbeiter mehr Arbeit entfällt. Schülken betonte: „Mehr Arbeit für weniger Kaufkraft – das ist keine gute Motivation. Wir sehen hier eine Abwärtsspirale, die uns Sorgen bereitet.“ Zumal der Staat Unterstützungsleistungen großzügig auf die Unternehmen verlagere. Als eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe hoben die Redner in diesem Zusammenhang hervor, die Anstrengungen auf allen Eben der Ausbildungsleiter zu erhöhen und Jugendlichen auch die sehr gute Karrierechancen in praktischen Berufen aufzuzeigen.

Als eines der 2023 wichtigsten Branchenevents nannte Stefan Zecha die Weltleitmesse EMO, die vom 18. bis 23. September in Hannover stattfindet und mit den drei Schwerpunktthemen „Future of Business“, „Future of Connectivity“ und „Future of Sustainability in Production“ auch das Schaufenster der Präzisionswerkzeug-Industrie in die Welt sein wird.

Kontakt:
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
Fachverband Präzisionswerkzeuge
Lyoner Strasse 18
60528 Frankfurt/Main
Tel.: +49 69 6603–1157

serviceteam@vdma.org
www.pwz.vdma.org


Branche in Zahlen

Die deutsche Präzisionswerkzeug-Branche in Zahlen:

Gesamtbranche:

Umsatz 2022: 9,9 Mrd. Euro

Entwicklung: +8 %

Prognose für 2023: +8 %

Zerspanwerkzeuge (Januar bis Oktober):

Entwicklung: +2,5 %

Export USA: +19 % (größter Einzelmarkt)

Export China: -5 %

Export Europa: -2,5 %

Spanntechnik (Januar bis Oktober):

Export USA: +23 %

Export China: -12 %

Export Europa: +5 % (Uneinheitlich)

Werkzeug- und Formenbau (Januar bis Oktober):

Export USA: +15 %

Export China: -4 %

Export Europa: -15 %

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