Ein Produktionsbetrieb, der keine Datenplattform im Sinne von Industrie 4.0 – also zur Analyse und Vernetzung erfasster Maschinen- oder Betriebsdaten und der Ableitung von anschließenden vorausschauenden Handlungsempfehlungen – nutzt, ist heutzutage eine Seltenheit. Doch gerade im Business-to-Business-Umfeld ist eine rechtssichere Teilnahme an solchen Industrie-4.0-Plattformen wichtig. Denn Maschinen können heute schon mit Maschinen kommunizieren und selbständig Entscheidungen treffen. Diese neue Dimension der Autonomie wirft komplexe Rechtsfragen bei Unternehmen und für Anwender auf.
Daher entwickelt ein Konsortium aus dem Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, der Universität des Saarlandes mit dem Institut für Rechtsinformatik (IfR) und die Ruhr-Universität Bochum mit dem Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit (HGI) unter der Leitung das Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML im Pilotprojekt „Industrie 4.0 Recht-Testbed“ (kurz: Recht-Testbed) ein digitales Experimentierfeld für automatisierte Geschäftsprozesse.
Rechtsgrundlagen für Verhandlungen und Verträge zwischen Maschinen
Das Forschungsprojekt soll dazu dienen, Politik und Unternehmen Handlungsempfehlungen zu neuen rechtlichen Standards zu geben sowie technische und rechtliche Grundlagen automatisierter Geschäftsbeziehungen zu erarbeiten. Blockchainbasierte Smart Contracts oder Software-Agenten für automatisierte Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss sind Beispiele. Das Netzwerk Plattform Industrie 4.0 führt das Projekt gemeinsam mit dem Konsortium aus Forschungseinrichtungen durch. Auch die Möglichkeiten der Automatisierung von Vertrauen in Vertragspartner – traditionell eine dem Menschen vorbehaltene Haltung – sollen erforscht und in technische Lösungen umgesetzt werden.
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt startete am 1. Juni 2019 und läuft bis zum 31. Mai 2023. (nu)
Praxisnahe Lösungen für Rechtsfragen aus dem Bereich Industrie 4.0
Die AG 4 „Rechtliche Rahmenbedingungen“ der Plattform Industrie 4.0 hat für das Projekt eine Unterarbeitsgruppe „Recht-Testbed“ gebildet. Experten aus der Praxis entwickeln mit den Forschern des Konsortiums gemeinsam Lösungen für Rechtsfragen aus dem Bereich Industrie 4.0. So hat die Unterarbeitsgruppe beispielsweise Musterbedingungen für Industrie-4.0-Plattformen entwickelt, die einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Betreibern und Nutzern der Plattform erzielen sollen. Unternehmen können die Musterbedingungen, die als Open Source zur Verfügung gestellt sind, als Grundlage ihrer rechtlichen Beziehungen verwenden.
„Das Projekt ist ein großer Schritt in Richtung Vollautomatisierung. Es wird viel bürokratische Arbeit von Maschinen übernommen werden können. Außerdem können Geschäftsprozesse durch Smart Contracts deutlich beschleunigt werden“, betont Dr. Martin Böhmer, Projektleiter „Industrie 4.0 Recht-Testbed“ vom Fraunhofer IML.
Mehr Informationen dazu unter:
Industrie 4.0 Recht-Testbed
c/o Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2–4
42227 Dortmund
Kontakt:
Geschäftsstelle Plattform Industrie 4.0
Bülowstraße 78
10783 Berlin
www.plattform-i40.de
Webinar bietet Überblick zum Mustervertrag
Mit dem Mustervertrag zur rechtssicheren Teilnahme an Industrie-4.0-Plattformen haben Juristen der Plattform Industrie 4.0 eine konkrete Hilfestellung erarbeitet, von der vor allem kleinere und mittlere Unternehmen profitieren sollen. In einem Web-Seminar am 7. Oktober stellen die Experten einen Leitfaden zum Mustervertrag vor.
Zur Anmeldung: www.seu2.cleverreach.com