Bislang ist vor allem die technische Seite der Mensch-Maschine-Schnittstelle Gegenstand von Untersuchungen. Doch mit der Digitalisierung und Vernetzung des produzierenden Gewerbes gehen auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen einher. „Wir glauben, dass die WGP auch die Pflicht hat, diese gesellschaftlichen Veränderungen zu benennen“, erläutert Prof. Eberhard Abele, Präsident der WGP.
Definition autonomer Fabriken als erste Aufgabe
Auf der Herbsttagung einigte sich der Zusammenschluss renommierter deutscher Maschinenbau-Professoren zunächst auf eine allgemeingültige Definition selbstlernender Produktionssysteme und autonomer Fabriken. Demnach gibt es fünf Stufen der Automatisierung, von denen die fünfte und letzte nicht mehr als „vollautomatisierte Systeme“ bezeichnet werden soll, sondern als bedienerlose Systeme, die selbstlernend und ohne menschliche Bedienung den Produktionsprozess regeln. „Bedienerlos heißt aber nicht, dass der Mensch in diesen Systemen keine Rolle mehr spielen wird“, betont Abele, der das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt leitet. „Er wird als Supervisor beziehungsweise Gestalter gefragt sein.“ Zumal es in Zukunft darum gehen wird, unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten den wirtschaftlichsten Wertschöpfungsprozess zu gestalten. Nicht immer wird das höchste Level an Automatisierung notwendig oder sinnvoll sein.
Gute Chancen für Deutschland
Die zunehmende Automatisierung der Produktion auch in Ländern wie China oder Süd-Korea hat zur Folge, dass der Vorsprung, den Hochlohnländer und insbesondere Deutschland durch ihre exzellent ausgebildeten Fachkräfte noch haben, künftig schrumpfen könnte.
Eine Arbeitsgruppe, die sich mit den Wettbewerbschancen Deutschlands in Zeiten von Industrie 4.0 befasste, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Vorsprung Deutschlands in näherer Zukunft gehalten werden kann. „Denn Länder wie China oder auch die USA setzen auf eine Software-getriebene Produktion“, berichtet Abele. „Im Gegensatz dazu betreibt Deutschland eine Prozessverständnis-getriebene Produktion. Damit sind die Mitarbeiter selbst bei zunehmender Automatisierung in der Lage, den Prozess nachzuvollziehen und wo nötig entsprechend einzugreifen. Außerdem werden gut ausgebildete Fachkräfte und Ingenieure auch in Zukunft für Einrichtung und Fernwartungen der Prozessketten benötigt werden.“
WGP will neueste Ausbildungsinhalte einbringen
Angesichts der rasant fortschreitenden Automatisierung der Produktionssysteme ist allerdings eine möglichst schnelle Anpassung der Ausbildung von Fach- und Führungskräften eine drängende Herausforderung. Denn in den Lehrbüchern spielt die Digitalisierung noch keine Rolle. Hinzu kommt, dass die Ausbilder keine Digital Natives sind – aber eben solche ausbilden sollen. „Dabei brauchen wir Unterstützung“, so Abele. Deshalb suche die WGP den Schulterschluss mit anderen Akteuren auf dem Gebiet „Digitalisierung in der Ausbildung“, etwa der Nachwuchsstiftung Maschinenbau des VDMA, den Industrie- und Handelskammern oder auch des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB). Ziel sei es, die Expertise der WGP in die Ausbildungsinhalte einfließen zu lassen. „Wir können neueste wissenschaftliche Erkenntnisse an Fach- und Führungskräfte, aber auch an Aus- und Weiterbilder weitergeben und auf diese Weise den Wissenstransfer in die Praxis enorm beschleunigen“, sagt Abele. „Wir müssen aber auch in der akademischen Ausbildung dafür Sorge tragen, dass angesichts der rasanten Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten die universitäre Ausbildung regelmäßig angepasst wird und der hervorragende Ruf deutscher Ingenieure bestehen bleibt.“