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Additive Fertigung: 3D-Druck als Enabler für Industrie 4.0

Additive Produktionsverfahren in der Smart Factory
3D-Druck als Enabler für Industrie 4.0

Die Zeichen stehen auf Wachstum: Der Umsatz von Produkten und Dienstleistungen rund um Additive Manufacturing ist 2018 weltweit um ein Drittel auf 9,8 Mrd. Dollar gestiegen. Während im Kunststoffbereich weiterhin die USA führend sind, haben sich deutsche Unternehmen erfolgreich auf Legierungen spezialisiert.

Michael Grupp
Freier Journalist in Stuttgart

Laut Wohlers Report 2019 sind die USA weltweit führend im industriellen 3D-Druck – zumindest was die Quantität betrifft. Wohlers Associates haben das Wachstum und den Umsatz von 177 Herstellern von industriellen additiven Fertigungslösungen analysiert, deren Preise gleich oder größer als 5000 US-Dollar sind. Laut dem Report steht jede dritte Anlage (35,5) in den USA. Mit einigem Abstand folgen China (10,6 %), Japan (9,2 %) und Deutschland (8,3 %). Allerdings ist sich das Manager Magazin sicher, dass der deutsche Maschinenbau die fortschrittlichsten AM-Anlagen entwickelt und dabei den höchsten Automatisierungsgrad erreicht. Demnach profitieren die hiesigen Mittelständler von ihren eingespielten Wertschöpfungsketten und den gewachsenen Beziehungen zu industriellen Abnehmern rund um den Globus.

Der Materialverbrauch steigt

Das Wachstum der Branche basiert auch auf einem erhöhten Materialverbrauch – dieser Bereich hat überproportional um 40 % zugelegt. Das ist ein klares Indiz dafür, dass die Maschinen besser ausgelastet werden, additive Verfahren immer öfter Serienreife beweisen und auch jenseits der Prototypenfertigung eingesetzt werden. Dafür gibt es gute Gründe: Neue Materialien erlauben Werkstücke mit revolutionären Eigenschaften.
Darüber hinaus können mit AM-Prozessen auch komplexe Bauteile in einem Stück gefertigt werden. Beispiel General Electric: Das GE-Forschungszentrum in Garching stellte vor Kurzem eine Kraftstoffdüse aus Kunststoff vor. Sie besteht statt bisher aus 20 Teilen nur noch aus einem einzigen. Die Düse wiegt 25 % weniger als ihr Vorgänger und besitzt eine fünfmal höhere Standdauer. „Oh mein Gott, das ist gruselig und großartig zugleich“, meinte ein Ingenieur bei der Produktpräsentation. Prozesstechnisch bietet additive Fertigung den erheblichen Vorteil, On-demand-Produkte in Losgröße eins produzieren zu können.

Kein Wunder, dass auch der deutsche Maschinenbau zunehmend auf additive Verfahren setzt. Laut einer aktuellen Umfrage der VDMA-Arbeitsgemeinschaft
Additive Manufacturing spielen bereits in fast der Hälfte der Unternehmen 3D-Druck-Bauteile oder additive Fertigung eine Rolle. Technologische Vorreiter testen die Einsatzmöglichkeiten. Während die Hälfte davon sich auf Prototyping konzentriert, fertigt die andere Hälfte bereits Werkzeuge, Ersatzteile oder sogar in Serie. Auffällig ist laut VDMA, dass sowohl Kunststoff-, als auch Metallfertigung an Bedeutung gewinnen. Die Hälfte der befragten Unternehmen setzt ausschließlich auf Kunststoff, ein Viertel beschäftigt sich nur mit Metall, ein weiteres Viertel setzt beide Materialien ein.

Metall oder Kunststoff

Grundsätzlich gibt es beim Metall- wie auch beim Kunststoff-Druck zwei unterschiedliche Verfahren: Auftrag oder Pulverbett. Am Beispiel Metall erklärt: Beim Laserauftragsschweißen (Laser Metal Deposition oder kurz LMD) erzeugt der Laser ein Schmelzbad auf der Bauteiloberfläche. Aus einer Düse wird gleichzeitig feines Metallpulver direkt in dieses Schmelzbad gesprüht, wo es sich mit dem Grundwerkstoff verbindet. So entsteht eine neue Schicht von ca. 0,2 bis 1 mm Dicke. LMD-Technologie kann mit Laserschweißen oder -schneiden kombiniert werden.

Das zweite Verfahren, das pulverbettbasierte Laserschmelzen, wird international Laser Metal Fusion (LMF) genannt. Dabei wird das Werkstück Schicht für Schicht in einem Pulverbett aufgebaut. Der Laser schmilzt das metallische Pulver genau an den Stellen, welche die CAD-Konstruktionsdaten vorgeben. Danach wird der Arbeitstisch um die Schichtstärke gesenkt, eine neue Pulverschicht aufgebracht und der Laser beginnt mit der nächsten Runde. Das Verfahren eignet sich für die Serienfertigung geometrisch komplexer Teile mit filigranen Innenkanälen und Hohlräumen, die mit konventionellen Verfahren wie Drehen oder Fräsen nicht wirtschaftlich hergestellt werden können.

Beim Kunststoff werden ebenfalls zwei unterschiedliche Verfahren eingesetzt: Fused Deposition Modelling (FDM) versus Selektives Lasersintern (SLS), die prinzipiell wie die metallischen Varianten funktionieren. Beim FDM-Verfahren schmilzt der 3D-Drucker einen thermoplastischen Kunststoff, der von einer Spule kommt. Die Schmelze wird anschließend durch die Düse eines beweglichen Druckkopfes gedrückt. Sobald der Kunststoff diese verlässt, erstarrt er. Überhänge und Hinterschneidungen benötigen dabei Stützstrukturen, die nach dem Druck entfernt werden müssen. Das kann sich aufwendig gestalten und den Einsatz spezieller Werkzeuge erfordern.

Beim SLS-Verfahren hingegen wird das Objekt im Kunststoff-Pulverbett annähernd perfekt gedruckt, die Nach-bearbeitung ist wesentlich einfacher.
Allerdings treten dabei höhere Verzerrungen auf. Nach dem Druck und während der Abkühlung neigen Kunststoff-Polymere dazu, sich zusammenzuziehen. Das kann durch eine Anpassung der Druckparameter wie Geschwindigkeit, Temperatur und Schichtstärke ausgeglichen werden. Das kunststoffbasierende Auftragsverfahren FDM ist in puncto Hardware und Material die günstigere Alternative und hat sich deshalb am schnellsten durchgesetzt. In der Industrie liegt der FDM-Marktanteil bei rund 65 %. Professionelle FDM-Drucker kosten wenige Tausend Euro. Der Aufwand für einen SLS-Drucker liegt dagegen im unteren sechsstelligen Bereich.

Additive Fertigung und Industrie 4.0 ff

Manche Wissenschaftler und Marktanalysten (z. B. das Consultingunternehmen Deloitte) gehen noch einen Schritt weiter und sind der Meinung, dass additive
Verfahren überhaupt erst Industrie 4.0 in Reinkultur ermöglichen werden. Denn solange Unternehmen mit konventionellen subtraktiven oder formgebenden Fertigungsverfahren arbeiten, müssen sie zwingend den Fokus auf die Losgrößen richten. Jedes Werkzeug kostet Geld, Rüstkosten und -zeiten schlagen für jedes Produkt zu Buche. Da helfen Sensoren, Big Data und schlankere Prozesse wenig. Das Dilemma der traditionellen Produktionsweise bleibt: Werkzeuge und Maschinen brauchen Auslastung, um eine bestimmte Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Dies war und ist der Grund, warum sich Unternehmen bis heute auf wenige Standorte und ein eingeschränktes Portfolio konzentrieren. Alles Restriktionen, die Industrie 4.0-Strategien konträr entgegenlaufen.

Additive Fertigungsverfahren unterstützen dagegen die Umsetzung von Industrie 4.0-Vorgaben: allen voran Dezentralisierung, Digitalisierung und Individualisierung. Industrie 4.0 steht für Vernetzung aller an der Produktion beteiligten Personen, Maschinen, Prozesse und Produkte. Damit entsteht ein dezentralisiertes Wertschöpfungsnetzwerk, in dem kurzfristig auf wechselnde Anforderungen reagiert werden kann. In diesem Zusammenhang wird sogar schon Industrie 5.0 umrissen: die Einbindung des Kunden in die Produktionsprozesse. Er bestellt die gewünschte Ware in seiner persönlichen Ausführung, diese wird dann in seiner Nähe gefertigt und automatisch ausgeliefert. Zugegeben – das wird auf lange Zeit eine vage Vision bleiben.


Die Messe zum Thema

Formnext ist die weltweit führende Messe für additive Fertigung. Sie findet dieses Jahr vom 19. bis zum 22. November in Frankfurt statt. Die stark wachsende Messe wendet sich an Besucher aus den Branchen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Medizintechnik, Elektrotechnik und andere. Circa 750 Aussteller erwarten mehr als 30.000 Besucher. Ein thematischer Schwerpunkt ist dieses Jahr die Abbildung der gesamten Prozesskette für additive Fertigung.


Serie Industrie 4.0

Wir begleiten Sie mit unserer Serie auf dem Weg zur Digitalisierung. In dieser Ausgabe beleuchten wir das Thema additive Fertigung. Alle Beiträge finden Sie auch online auf www.industrieanzeiger.de.

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