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VDW mit Sonderschau zu Additive Manufacturing auf der EMO

Additive Manufacturing
3D-Druck: Praxisnähe statt visionärer Höhenflüge

In der Metallverarbeitung wird dem sogenannten 3D-Druck viel zugetraut – als Ergänzungstechnologie und Türöffner zu neuen Produkten und Geschäftsmodellen. Grund genug für EMO-Veranstalter VDW, dem Thema auf der weltgrößten Branchenmesse eine attraktive Plattform zu bieten.

Cornelia Gewiehs
Freie Journalistin in Rotenburg (Wümme)

„Der Additive Manufacturing Circle auf der EMO Hannover hat den Anspruch, Dienstleistern und Lohnfertigern eine Plattform zu bieten, um ihre gedruckten Werkstücke der versammelten Elite der Zerspanung zu präsentieren“, so Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken). Statt jedoch die mitunter überzogenen Erwartungen in das Verfahren zu befeuern, soll es der Sonderschau vom 16. bis 21. September auf der EMO Hannover 2019 in erster Linie darum gehen, Vertrauen in die Technologie aufzubauen und Potenziale für mittelständische Unternehmen auszuloten.

Additive Fertigung, bei der Material schichtweise aufgetragen und so nach und nach ein Bauteil oder Produkt gedruckt wird, kommt in unterschiedlichen traditionellen Industrien zur Anwendung und ist im Grunde nicht neu. FKM Sintertechnik, eines der am „Additive Manufacturing Circle“ beteiligten Firmen, hat sich bereits vor 25 Jahren mit Lasersintern beschäftigt. Doch herrscht offensichtlich gerade in mittelständischen Unternehmen eine gewisse Skepsis gegenüber generativen Verfahren, die nach Meinung von Professor Eckart Uhlmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin (Fraunhofer IPK), auch nicht ganz unbegründet ist. Wurden doch immer wieder hohe Erwartungen und Visionen verbreitet, etwa dergestalt, dass demnächst Autos aus dem 3D-Drucker über die Autobahn fahren – was mit der Realität wenig zu tun hat.

FKM Sintertechnik verfügt nach Angaben von Geschäftsführer Jürgen Blöcher inzwischen über eine der größten Produktionsstätten Europas für Selektives Lasersintern (SLS) und Selektives Laserschmelzen (SLM). An der EMO nimmt das Unternehmen erstmalig teil. „Ein Gemeinschaftsstand wie der AM Circle ist besonders interessant“, so Blöcher, „weil er die große Chance bietet, Kompetenzen zu bündeln und Neugierde zu wecken.“ Als 3D-Druck-Dienstleister fühle sich FKM in der Rolle der ersten Anlaufstation für Einsteiger in die additive Fertigung besonders wohl: „Der Reiz liegt darin, gemeinsam mit Anwendern neue Bauteile zu entwickeln und echte Überzeugungsarbeit für die additive Fertigung leisten zu können.“

Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass die Zusammenarbeit zwischen Dienstleister und Anwender oft zeitlich begrenzt ist. Wer die Vorteile der additiven Fertigung erst einmal für sich entdeckt hat, ist nach Blöchers Erfahrung eher bereit, in eigene Hardware zu investieren. Wer diesen Schritt plant, findet Ansprechpartner entlang der gesamten Prozesskette beim AM Circle. Neben Herstellern von 3D-Druckern und Automatisierungslösungen präsentieren sich Firmen aus den Bereichen Software, 3D-Scan und Materialien.

Erfolg setzt „additive Denke“ voraus

Damit sich die recht hohen Investitions- und Betriebskosten lohnen, muss in den meisten Fällen umgedacht werden, ganz nach dem Motto: AM zu nutzen heißt nicht, Produkte anders herzustellen, sondern andere Produkte herzustellen. „Wir erleben in vielen Projekten, dass Unternehmen versuchen, vormals konventionell gefertigte Produkte nun fast 1:1 additiv zu fertigen“, berichtet Prof. Uhlmann. „Das geht in den meisten Fällen schief, schon weil die additive Fertigung fast immer teurer ist.“

Das Potenzial generativer Verfahren könne nur genutzt werden, so Uhlmann, wenn man sie schon bei der Produktentstehung berücksichtigt. Durch Designfreiheiten seien neue Bauteilfunktionen und effizientere Features möglich, mit Topologie- und Strukturoptimierung könne zum Bespiel Gewicht reduziert werden. Derartiger Mehrwert sei geeignet, die Wettbewerbsposition deutscher, gerade auch mittelständischer Unternehmen entscheidend zu erhöhen. Geeignete Beispiele aus dem Werkzeug- und Formenbau, die diese Auffassung unterstreichen, sind etwa Fräser und Bohrer mit additiven Anteilen. Bei ihnen wurden die Möglichkeiten des 3D-Drucks genutzt, um sie mit filigranen und sehr komplexen Kühlkanälen auszustatten, gleichzeitig die Torsionssteifigkeit zu erhöhen und das Gewicht um 30 % zu reduzieren. Die „additive Denke“, Grundvoraussetzung für derartige Innovationen, ist in der Konstruktion bislang noch zu wenig verbreitet.

Der Bedarf an Know-how und fachlich geschultem Personal ist immens. Nicht nur die Universitäten sind gefordert. So konzentriert sich etwa der VDW nach Angaben von Geschäftsführer Schäfer zusammen mit der Nachwuchsstiftung Maschinenbau darauf, Lehrer an Berufsschulen und Ausbilder in Betrieben weiterzubilden. Workshops und Fortbildungsveranstaltungen beschäftigen sich mit der Konstruktion von Bauteilen und Baugruppen mit CAD-Software ebenso wie mit Material- und Maschinenkunde, Bearbeitungsstrategien oder der Fertigung von Prototypen. IPK-Institutsleiter Uhlmann, der auch Mitglied der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) ist, empfiehlt, spezielle Teams zu bilden: „Oft reichen wenige begeisterte Mitarbeiter, um das Mindset einer ganzen Abteilung oder Firma zu ändern.“

Entwicklungen für vollautomatisches Additive Manufacturing sind im Gange

Diese Erfahrung macht auch Jürgen Förster, Mitglied der Geschäftsführung von AMF – Andreas Maier, Fellbach. Er hat die Automatisierung der Prozessketten im Visier. AMF hat dafür speziell auf die additive Fertigung abgestimmte Nullpunktspannmodule entwickelt, mit denen sich Rüstzeiten um über 90 % senken lassen, sowie einen neuen kostengünstigen Greifer für das Teilehandling. Als „erklärter Fan von additiven Verfahren“ hat Förster ein vierköpfiges Team gebildet, das innerhalb des Unternehmens „eine Art Aufbruchstimmung“ für die additive Fertigung verbreitet. AMF beteiligt sich am AM Circle, obwohl das Unternehmen auf der EMO ohnehin mit einem eigenen Stand präsent ist.

Die Sonderschau Additive Manufacturing Circle mit eigenem Forum soll das Angebot der großen Hersteller auf der EMO ergänzen. Über 70 Aussteller befassen sich laut VDW mit dem Thema, darunter große Player, die ganze Fertigungsstraßen samt 3D-Druckern sowie Peripherie- und Monitoringlösungen für die Qualitätssicherung anbieten. Der VDW weiß jedoch um die Erwartungen vieler Anwender. Eine Technologie, die sich in der Breite durchsetzen will, muss im Industriealltag funktionieren und wirtschaftliche Vorteile bringen.

Tatsächlich wird an den AM-Verfahren oft kritisiert, dass sie zu teuer und zu langsam seien, manuelles Post-Processing erfordern und sich zudem schlecht in bestehende Fertigungslinien integrieren lassen.

Uhlmann sieht in der fehlenden Integration additiver Fertigungssysteme in bestehende Produktionsumgebungen weiterhin die größte Hürde. Die Gründe seien oft verfahrensbedingt, sagt er, etwa durch die Verwendung hochreaktiver Pulver und die Notwendigkeit geschlossener Baukammern. Drängend sei das Problem fehlender Prozessrobustheit. Derzeit produzierten Monitoring-Systeme riesige Mengen an Daten, so Uhlmann, es mangele jedoch an Auswertungsroutinen, die von der Industrie akzeptiert werden. Auch gebe es einen Bedarf an durchgehend computergestützten Systemen sowie wirtschaftlichen Nachbearbeitungsverfahren in der Effizienz und Qualität klassischer Fertigungsverfahren. Hier sei das Fraunhofer IPK stark engagiert.

Der Trend geht zur Serienfertigung

Ebenso wie der VDW zweifelt auch das IPK nicht am weiter starken Wachstum generativer Fertigungstechnologien. „Die Dynamik und das Wachstum der AM-Branche sind ungebrochen“, betont Eckart Uhlmann. Dabei werde der Metallmarkt weiter Treiber sein. Das IPK beobachtet derzeit eine starke Diversifizierung der additiven Metallverarbeitungsverfahren. War bis vor kurzem noch die pulverbettbasierte Verarbeitung (Laser Powder Bed Fusion, L-PBF) der „Heilsbringer“, drängen derzeit andere Verfahren auf den Markt.

Uhlmann nennt etwa Inkjet-Verfahren, die eine Metall-Polymer-Suspension verarbeiten, und extrusionsbasierte Verfahren, die sich Metall-Komposit-Filamenten bedienen (Fused Deposition Modelling, FDM). Auch bei den klassischen Auftragsschweißverfahren (Pulver, Draht) für die additive Fertigung gibt es viele Entwicklungen. Das Wesen der neuen Prozesse sei, so Uhlmann, dass sie durchaus oft Nachteile in der Qualität gegenüber L-PBF-Verfahren hätten, jedoch wesentlich wirtschaftlicher zu betreiben seien. Am IPK gibt es derzeit ein Projekt „Plasma-Print“, in dem angelehnt an das Plasma-Auftragsscheißen ein völlig neues Auftragskonzept untersucht wird.

Neue Anlagenkonzepte erhöhen die Effizienz

Auch bei den Anlagenherstellern macht Uhlmann vielversprechende Konzepte aus. Dazu gehören modular aufgebaute Fertigungsmaschinen, in denen Baukammer und Scanner getrennt sind, um Totzeiten bei der Bestückung und Bauteilentnahme zu vermeiden, AGVs (Automated Guided Vehicles), die den Material- und Werkstücktransport bedienen, oder Pulverzylinder auf Förderbändern. Weitere interessante Entwicklungen sind auch beim Material zu erwarten.

Das große Ziel bleibt es, den 3D-Druck fit für die industrielle Großserienfertigung zu machen. AMF-Geschäftsführer Jürgen Förster ist überzeugt, dass der Trend klar zur Serienfertigung geht. Es klingt nach greifbarer Nähe, wenn er sagt: „Wir sind für die Serie gerüstet“. Der Additive Manufacturing Circle bietet die beste Gelegenheit, dies mit neuen Entwicklungen, Exponaten und überzeugenden Argumenten zu belegen.

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