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3D-Druck hilft GM, Siemens und Airbus gegen Lieferkettenprobleme

Roundtable mit GM, Siemens Mobility und Airbus
3D-Druck schafft Abhilfe bei Lieferkettenproblemen

Kürzlich veranstaltete Stratasys eine Diskussionsrunde mit drei hochkarätigen, internationalen Unternehmen, die über ihre Erfahrungen mit dem 3D-Druck in den letzten zwei schwierigen Jahren berichteten: GM, Siemens Mobility und Airbus. Sie nannten Beispiele, wie Additive Manufacturing (AM) über Lieferengpässe hinweghalf.

» Yann Rageul, Commercial Leader Industrial BU EMEA & Asia at Stratasys

Die Vorteile der additiven Fertigung (AM) sind inzwischen weithin bekannt. Weniger bekannt ist ihre wachsende Bedeutung in der globalen Lieferkette. Die jüngsten Unterbrechungen normaler Lieferketten haben Schwachstellen aufgezeigt, und AM hat für die Hersteller einen entscheidenden Unterschied gemacht. Das war Thema eines Roundtables, zu dem 3D-Druckanlagenhersteller Stratasys einlud.

Teilgenommen haben der Senior Manager von General Motors Production in San Luis Potosi/Mexiko – Octavio Pichardo Romero. Aus Europa kamen Philip Emmerling, zuständig für Business Development AM bei Siemens Mobility und Barbara Bergmeier, Head of Operations bei Airbus Defence and Space.

Von einer Technologie für die Entwicklung von Prototypen, Spezialteilen, Werkzeugen und Montagevorrichtungen ist AM zu einer treibenden Kraft in der strategischen Entwicklung geworden und in die Mainstream-Fertigung vorgedrungen. Dies machten die Teilnehmer des Roundtables deutlich.

Die GM-Werke in Mexiko nutzen seit vielen Jahren den 3D-Druck für die Herstellung von Produktionsteilen für Hochleistungsfahrzeuge, darunter Metallteile für die Cadillac V-Serie. Im vergangenen Jahr nutzte das Unternehmen sein System jedoch für den 3D-Druck von Ersatzteilen für die Montagelinie, um die Produktion fortsetzen zu können, wenn Teile ausgetauscht werden mussten.

GM verhindert Produktionsstopp durch 3D-Druck von Ersatzteilen

„Als die Lieferketten während der Pandemie unterbrochen wurden, war es sehr schwierig, eine Reihe kleiner, aber wichtiger Teile zu bekommen”, erklärte Octavio Pichardo Romero. „Ein solches Teil befand sich in unserer Lackiererei, wo die Bakelitbuchsen in der Fördertechnik zum Bewegen von LKW-Fahrgestellen regelmäßig ausgetauscht werden mussten. Diese Durchführungen müssen eine Isolierung von 200 A und 300 V gewährleisten, sind also Spezialteile.“ Die normale Lieferzeit betrage zwei bis drei Monate ab Bestellung, und die Komponenten halten etwa vier Monate, erklärte Romero. Ein regelmäßiger Austausch sei die Regel.

„Um einen Stillstand der Anlage zu vermeiden, arbeiteten wir mit dem Lieferanten zusammen, wählten das richtige Material und haben dann die Ersatzteile 3D-gedruckt”, fuhr er fort. „Wir sind in der Lage, das Bauteil innerhalb von fünf Stunden zu drucken und vermeiden so die Schließung von Produktionslinien, die rund 1000 US-Dollar pro Stunde kosten würde.”

In zwanzig Minuten 3D-drucken statt wochenlang warten

Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung eines Getriebes, für das ein spezieller Steckschlüssel für einen Deckel benötigt wurde. Da die Konstruktion neu war, gab es keine kommerzielle Option mit dem richtigen Drehmoment. „Die herkömmliche Herstellung eines solchen Produkts kann Monate dauern. In Zusammenarbeit mit dem OEM-Lieferanten konnten wir es mit einem Hightech-Industriematerial 3D-drucken und hatten es innerhalb weniger Stunden in den Händen”, sagte Romero.

„Manchmal kann ein sehr kleines Teil zu langen Verzögerungen führen. Einmal brauchten wir Passstifte für ein Fließband. Wegen Covid betrugen die Lieferzeiten aus den USA vier bis sechs Wochen, und aus Japan hätten wir zehn bis zwölf Wochen warten müssen. Jetzt können wir sie in zwanzig Minuten 3D-drucken.“

GM will nun mehr Teile vor Ort produzieren

Dieses Beispiel habe, wie auch andere, die Produktion gesichert. „Die Technologie hat uns dazu gebracht, unsere Lieferketten zu überdenken und zu überlegen, wie wir mehr Teile vor Ort produzieren können”, so Pichardo Romero abschließend.

Bei Siemens Mobility wurde der 3D-Druck auf eine andere Weise eingesetzt, um pandemiebedingte Unterbrechungen der Lieferkette zu umgehen. „Bei Siemens produzieren wir zertifizierte 3D-gedruckte Metall- und Polymerteile für unsere Kunden auf der ganzen Welt, vor allem im Bahnbereich”, erklärte Philip Emmerling. „Die 3D-Drucktechnologie ist für uns sehr wichtig bei der Wartung von Zügen. Unser Ziel ist ein On-Demand-Druck für maßgeschneiderte Produktlösungen.“

Mit AM optimiert das Unternehmen die Lieferkette insbesondere im Bereich der Instandhaltung, wo schnelle und zuverlässige Lösungen für Ersatzteile gefragt sind. „In diesem Sinne agieren wir ähnlich wie Octavio in Mexiko.“

Siemens Mobility nutzt 3D-Druck für Ersatzteile

„Von unserem digitalen Depot in Dortmund aus führen wir Inspektionen an Zügen durch, während sie noch in Betrieb sind. So können Wartungsarbeiten geplant und Teile bestellt werden, bevor der Zug ins Depot kommt“, sagte er. „Die Herausforderung besteht in der Planung, Bestellung und Beschaffung von Ersatzteilen“ – und genau hier biete AM viele Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Lieferströmen.

„Für uns war AM die perfekte Lösung”, sagte Emmerling. „Die Technologie ist sehr schnell und skalierbar. Wir haben Drucker auf der ganzen Welt. Man braucht nicht viel Platz, keine große Produktionshalle und keinen großen Maschinenpark – und genau das war der Ausgangspunkt unserer Idee, ein globales 3D-Druck-Netzwerk aufzubauen.“

Geplant wird zentral, 3D-gedruckt in aller Welt

Im Mittelpunkt dieses Netzes steht das Kompetenzzentrum. Es ist für Forschung und Entwicklung, Engineering und die Konstruktion von Bauteilen zuständig. Jeder „Satellit” an einem anderen Ort der Erde ist mit dem Kompetenzzentrum verbunden. „Sie wenden sich an uns, und wir erarbeiten mit ihnen die Lösung. Diese ist maßgeschneidert, sodass der Satellit sie direkt auf dem 3D-Drucker umsetzen kann. Unsere 3D-Drucker von Stratasys sind dafür perfekt geeignet“, erklärte Philip Emmerling.

Mit Engineering und Vorbereitung des Bauteils leistete sein Team die Hauptarbeit im Kompetenzzentrum, und der Satellit könne das Produkt direkt in seinem Depot fertigen. „Das macht herkömmliche Lieferketten praktisch überflüssig und spart Versand, Lagerhaltung, Verwaltung, Zoll und andere Zeit- und Kostenfaktoren – was AM auch zu einer sehr nachhaltigen Lösung macht”, so Emmerling abschließend.

Während Airbus Defence and Space vor ähnlichen Herausforderungen steht, setzt der Flugzeugbauer die Prioritäten unterschiedlich. „An unseren Standorten in ganz Europa nutzen wir AM für einige klar definierte Zwecke. Einer davon ist, wie bei Siemens Mobility, die Nachhaltigkeit und die Verringerung unserer Umweltbelastung”, erklärte Barbara Bergmeier.

Airbus setzt neue Ideen mit 3D-Druck schneller um

„Octavio und Philip haben bereits die kürzeren Vorlaufzeiten erwähnt, die sich als großer Vorteil für die Mitarbeiter und ihr Engagement erwiesen haben. Viele Ideen kommen von unseren Mitarbeitern, vor allem in der Fertigung, und der AM-Druck ermöglicht es, mehr dieser Ideen zu testen und zu bewerten.”

„Wir setzen AM auch ein, um die Produkt- und Personensicherheit zu erhöhen – unsere oberste Priorität. Und ein letztes, sehr wichtiges Thema: Designfreiheit. Die Änderung von Materialien trägt dazu bei, das Gewicht von Komponenten zu reduzieren und die CO2-Belastung eines Flugzeugs zu verringern.“

3D-Druck spart teils bis zu 80 % Material ein

Was die Lieferketten betreffe, so sei Airbus durch den Einsatz von AM weniger abhängig von Zulieferern, ob es sich nun um Rohmaterial oder Fertigteile handele. „Aber was mir wirklich gefällt“, so Bergmeier, „dass wir nicht so viel Material verschwenden. In einigen Fällen werden bis zu 80 Prozent Material eingespart.“ Im Flugzeugbau bestünden wichtige Zusammenhänge zwischen weniger Material, weniger Gewicht, weniger Energiebedarf und weniger Treibstoffverbrauch.

Barbara Bergmeier abschließend: „Wir produzieren also Bauteile wie Siemens Mobility, aber wir 3D-drucken auch Montagevorrichtungen und Werkzeuge wie bei GM. Das gibt uns mehr Unabhängigkeit und verringert die Abhängigkeit von Lieferungen.”

3D-Druck linderte Pandemie-bedingte Schwachstellen

AM verändert die Fertigung weltweit – von Ersatzteilen, Montagevorrichtungen und Werkzeugen über das erschwingliche Entwickeln neuer Teile bis hin zum vernetzten, verteilten 3D-Druck. Andy Langfeld, President EMEA bei Stratasys, ist in Anbetracht der Erfahrungen dieser Hersteller und anderer ähnlicher Unternehmen der Ansicht, dass die Pandemie die Schwachstellen in den globalen Lieferketten aufgedeckt hat. Aber auch, dass die Entwicklungen in der AM-Technologie eindeutig zur Lösung dieses Problems beigetragen haben.

Hersteller widerstandsfähiger mit additiver Fertigung

„Wir sehen heute, dass immer mehr Hersteller diese Gelegenheit nutzen, um ihre Lieferketten zu überdenken und neu auszurichten, damit sie noch widerstandsfähiger und flexibler auf zukünftige Störungen reagieren können”, sagte Langfeld.

Gleichzeitig ermöglichten es die technologischen Entwicklungen im AM-Bereich, schnell und kosteneffizient vom Druck einzelner Chargen zur Produktion von Tausenden – ja sogar Zehntausenden – von Einheiten überzugehen. „Dies ist ein entscheidender Faktor, der den Herstellern weitere Möglichkeiten eröffnet, die Flexibilität des 3D-Drucks in der Lieferkette zu erhöhen”, so Langfeld abschließend.


Andreas Langfeld, President EMEA at Stratasys, stellt sich Fragen zur Rolle des 3D-Drucks bei Lieferschwierigkeiten.
Bild: Stratasys

Die Stückzahlen wachsen durch stetigen Fortschritt“

Herr Langfeld, der 3D-Druck springt bei GM, Siemens und Airbus in die Bresche, wenn es in der Lieferkette klemmt. Das sind kleine Stückzahlen. Liegt hier die Zukunft der additiven Fertigung?

Probleme in der Lieferkette beschleunigen die Akzeptanz, additive Fertigung als wertvolle Alternative zu den traditionellen Fertigungsverfahren anzunehmen und in bestehende Prozesse zu integrieren. Die Zukunft liegt darin, dass einerseits Produkte individualisiert werden. Bei kleineren Stückzahlen ist die additive Herstellung schneller und ökonomischer als traditionelle Verfahren wie Spritzguss und Fräsen. Andererseits lassen sich immer größere Volumen zertifizierter Bauteile kostengünstig additiv herstellen.

Gibt es darüber hinaus weitere Pluspunkte für AM?

Additive Fertigung bietet viele Vorteile, um das Produzieren nachhaltiger zu machen. Man kann bewusster fertigen und Abfall vermeiden.

Sie betonen, dass Stückzahlen sich schnell hochskalieren lassen. Denken Sie dabei an konventionelle oder additive Technologien?

Die Stückzahlen, die schnell und ökonomisch sinnvoll additiv hergestellt werden können, wachsen durch stetigen Technologiefortschritt. In der Vergangenheit war die additive Technik nur bei Losgrößen bis 100 im Einsatz und eher im Prototypenbau zu finden. Nun reden wir über 100 Tausende: Es öffnet sich eine neue Welt an adressierbaren Produkten und Applikationen.

Teile im Verkehrsbereich sind ja oft Sicherheitsteile, die nicht ohne Weiteres schnell nachgebaut werden dürfen. Inwiefern sind erforderliche Nachweise und Zertifizierungen eine Hürde für den 3D-Druck?

Zertifizierungen sind eine Hürde für viele Verfahren, die den Anforderungen der Produktion nicht standhalten können. Hier zeigen wir mit unseren Lösungen immer wieder, dass wir Industriestandards gewährleisten und die erforderlichen Zertifizierungen für gebaute Teile erlangen können. Das haben wir mit zahlreichen Materialien und Technologien erfolgreich in Auto, Aero, Rail, Medical und anderen Sektoren bewiesen. (os)

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