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Die persönliche Schutzausrüstung ist eine Wissenschaft für sich

Arbeitschutz
Die persönliche Schutzausrüstung ist eine Wissenschaft für sich

Jeder Mitarbeiter, der einer potenziellen Gefahr am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, muss eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) tragen. Das schreibt das Arbeitsschutzgesetz vor. Doch welche rechtlichen Vorgaben sind ausschlaggebend? Was ist bei der Wahl der PSA zu beachten? Wie lässt sich die Trageakzeptanz verbessern? Dr. Frank Sasse, Applikationsingenieur für Arbeitsschutzbekleidung bei W. L. Gore & Associates, gibt Antworten und Tipps.

Herr Sasse, welches sind die wichtigsten rechtlichen Vorgaben für die Herstellung von PSA?

Für die Herstellung von PSA ist vor allem die PSA-Verordnung (EU) 2016/425 ausschlaggebend. Sie enthält konkrete Bestimmungen zur Herstellung, Kennzeichnung und Vertrieb von PSA. Die Verordnung betrifft die komplette Lieferkette vom Hersteller über den Importeur und Händler bis zum Anwender. Außerdem sind darin die grundlegenden Sicherheitsanforderungen festgelegt, die eine PSA erfüllen muss. Konkretisiert wird die Verordnung durch das PSA-Durchführungsgesetz, das Produktsicherheitsgesetz und eine Vielzahl an harmonisierten DIN-Normen.

Wie sehen diese Vorgaben für die Anwendung von PSA aus?

Die Vorschriften für die betriebliche Anwendung von PSA sind im Arbeitsschutzgesetz, in der PSA-Benutzungsverordnung sowie im Vorschriften- und Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherung festgehalten. Sie schreiben vor, dass der Arbeitgeber seine Belegschaft mit der richtigen Schutzkleidung ausstatten muss und auch darauf zu achten hat, dass sie getragen wird.

Gibt es derzeit aktuelle Änderungen in relevanten Normen, die die PSA betreffen?

In letzter Zeit wurden bestehende harmonisierte Schutznormen aktualisiert und es wurden neue Schutznormen eingeführt. So ist 2019 die neueste Revision der DIN EN 343 Schutzkleidung erschienen und sie betrifft den Schutz gegen Regen. Hier wurde eine zusätzliche Schutzklasse 4 für Wasserdichtigkeit und Atmungsaktivität der PSA-Materialien aufgenommen. Damit wurde die Norm den erhöhten Anforderungen an die wesentlichen Schutzeigenschaften angepasst. Angaben der Hersteller zur maximalen Zahl an Wasch- oder Reinigungszyklen sollen Einkäufer und Träger künftig darüber informieren, wie lange eine Schutzfunktion hält. Dabei werden immer mindestens fünf Waschzyklen gefordert. Auch können erstmalig Ergebnisse aus dem sogenannten Regenturmtest aufgeführt werden, der die Leistungsfähigkeit der Bekleidung nach einer einstündigen Starkberegnung prüft. Diese Norm ist ein typisches Beispiel für eine Schutznorm der PSA-Risikokategorie 1. Sie umfasst Produkte zum Schutz vor geringfügigen Risiken. Nutzer müssen dabei die Wirksamkeit der PSA selbst einschätzen. Bei Schutzbekleidung dieser Kategorie kann durch Eigenbestätigung des Herstellers die Übereinstimmung mit der PSA-Verordnung und der einschlägigen PSA-Norm festgestellt werden. Das CE-Zeichen kann der Hersteller dann selbst auftragen.

Gibt es noch weitere Beispiele, die in der Praxis relevant sind?

Das zweite Beispiel betrifft die im November 2020 veröffentlichte Norm DIN EN 17353. Diese neue Schutznorm regelt Schutzbekleidung mit erhöhter Sichtbarkeit entweder für den Einsatz bei Tag oder Nacht beziehungsweise für die kombinierte Nutzung bei Tag und Nacht. Zusätzlich werden Anforderungen für frei hängende Artikel wie reflektierende Anhänger oder reflektierende Armbänder beschrieben. Für Arbeitgeber und Hersteller ergeben sich durch diese Beispiele ein Handlungsbedarf. Sie müssen die PSA nach den aktuellen, gültigen Normen in Verkehr bringen, neue Leistungs-Klassifizierungen der PSA berücksichtigen und die betrieblichen Risikoanalysen und Beschaffungskriterien überprüfen.

Was muss bei der Wahl der PSA zudem beachtet werden?

Die persönliche Schutzausrüstung muss viele Kriterien erfüllen, die der Gesetzgeber vorschreibt. Die besondere Herausforderung für Unternehmen und Träger besteht darin, genau die richtige PSA auszuwählen und ihre Schutzkriterien aufrecht zu erhalten. Die PSA sollte deswegen auf die tatsächlichen und wesentlichen Gefährdungen am jeweiligen Arbeitsplatz zugeschnitten sein. Je nach Berufsfeld gehört dazu Körperschutz in Form von Jacken und Hosen, Kopf-, Augen und Gesichtsschutz sowie Gehör-, Atem-, Hand- und Fußschutz.

Wie eruieren Hersteller wie Gore den Praxisbedarf der PSA?

Wir analysieren im ersten Schritt meist gemeinsam mit dem Kunden die Anforderungen und Probleme bei der bestehenden PSA. Dafür nutzen wir umfangreiche Tragetests, Befragungen, Seminare und Veranstaltungen zum Informations- und Erfahrungsaustausch. Weitere Erkenntnisse erhalten wir aus Erfahrungen bei ähnlichen Anwendungen. In Einzelfällen können wir direkt vor Ort die Arbeitsbedingungen testen. Zudem prüfen wir Technologien in einer eigens errichteten Klimakammer. Hier können wir unterschiedliche Witterungsbedingungen simulieren. Seit Jahrzehnten nutzen wir auch wissenschaftliche Daten aus der Komfortforschung. In unseren Komfort-Labors führen wir Experimente in Bezug auf Komfort und Leistungsfähigkeit durch. Aus all den Erkenntnissen entwickeln wir schließlich entsprechende Materialien, die ausgewählte Testpersonen ausprobieren.

Verordnungen und Normen regeln leider nicht, wie Schutzkleidung gefertigt sein muss, damit sie tatsächlich und möglichst gerne getragen wird. Welche Kriterien halten Sie für die Akzeptanz von PSA für wichtig?

Die einschlägigen PSA-Normen oder berufsgenossenschaftlichen Regeln decken bei der Trageakzeptanz tatsächlich nur Teilaspekte ab. Dabei ist diese entscheidend für die Wirksamkeit der persönlichen Schutzausrüstung. Nur eine komfortable Bekleidung, die den Arbeiter bei seiner Tätigkeit unterstützt, wird auch gerne und korrekt getragen. Ausschlaggebend für den Tragekomfort sind der thermische Komfort wie Atmungsaktivität und Regenschutz, ein geringes Gewicht und die Ergonomie, sprich die Bewegungsfreiheit. Ein weiterer, nicht ganz unwesentlicher Aspekt ist die Frage, ob die Bekleidung gefällt. Auch ein ansprechendes Design kann dazu beitragen, dass die PSA gerne und korrekt getragen wird. (us)

www.gore.de

Kontakt:

W. L. Gore & Associates GmbH

Hermann-Oberth-Straße 22

85640 Putzbrunn

www.gore.de


Ergonomie

PSA muss nicht nur schützen, sondern auch sitzen. Unbequeme Kleidung wird vom Mitarbeiter gern wieder abgelegt – und damit auch der Schutz.

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