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Antrieb für Gewindeformer: Auf den Millimeter maßgeschneidert

Antrieb für Gewindeformer
Auf den Millimeter maßgeschneidert

In weniger als sechs Monaten haben der Maschinenbauer Ehrt und Wittenstein Cyber Motor gemeinsam eine dynamische und hochkompakte Antriebseinheit konzipiert. Ergebnis der Entwicklung ist ein Direktantrieb für Gewindeformer in Stanzmaschinen.

Mehr Leistung als bisher bei platzsparenderen Einbaumaßen, hohe Leistungsdichte und eine optimale Integration in die bestehende Maschinenarchitektur – dies waren einige der zentralen Vorgaben in einem gemeinsamen Projekt der Ehrt Maschinenbau GmbH und Wittenstein Cyber Motor. Der Antriebstechnikspezialist aus Igersheim bringt dazu den gehäuselosen Motor aus seiner Familie der Cyber Kit Motors ein. Dieser und die von Ehrt entwickelten und beigestellten Zeichnungsteile werden bei Wittenstein zu einer Antriebslösung montiert. Dabei profitiert Ehrt maßgeblich vom Know-How und der Prozesssicherheit bei Wittenstein Cyber Motor. Das Maschinenbauunternehmen aus Rheinbreitbach muss die Kompetenzen in der Motorenmontage nicht aufbauen und kann sich auf das Kerngeschäft fokussieren.

Die Entstehung des Direktantriebs für den Gewindeformer ist ein Beispiel kooperativer Vorwärtsintegration, mit der Wittenstein zusammen mit dem Kunden immer wieder innovative mechatronische Antriebslösungen umsetzt. Dabei passen die Igersheimer den gehäuselosen Motor nicht nur kundenspezifisch an. Vielmehr bauen Wittenstein-Spezialisten den gesamten Antrieb in definierten Prozessen auch komplett zusammen und prüfen ihn auf seine Funktion hin.

„Die Antriebseinheit ist in ihrer Kompaktheit und Performance einzigartig in dieser Leistungsklasse“, fasst Dipl.-Ing. Tobias Campe, Leiter Entwicklung/Konstruktion bei Ehrt Maschinenbau, das Ergebnis der gemeinsamen Produktentwicklung zusammen. „Wittenstein verfügt über das Know-how und die Werkzeuge, um den Motor und die von uns beigestellten Teile fachmännisch zu montieren. In dieser kurzen Entwicklungszeit von gerade einmal einem halben Jahr hätten wir es nicht geschafft, entsprechende Kapazitäten und Prozesse aufzubauen. So können wir uns auch bestens auf unsere eigenen Kernkompetenzen konzentrieren“, erläutert er den Vorteil.

Ehrt orientiert seine Stanz- und Biegemaschinen strikt am Kundenutzen

Seit über 50 Jahren entwickelt die Ehrt Maschinenbau GmbH im rheinland-pfälzischen Rheinbreitbach Stanz- und Biegemaschinen. „In dieser Zeit haben wir uns durch eine Reihe von Erfindungen und Innovationen zu einem weltweiten Markführer in der Präzisionsbearbeitung von Flachmaterial wie beispielsweise Stromschienen und Komponenten für den Starkstrom-Schaltschrankbau entwickelt“, umreißt Geschäftsführer Thomas Ehrt in groben Zügen die Entwicklung des von seinem Vater gegründeten Unternehmens.

Durch seine langjährige Erfahrung im Markt kann der Maschinenbauer sowohl kundenspezifische Wünsche umsetzen als auch frühzeitig entscheidende Trends im Markt erkennen. „Wichtige Kunden aus der Elektroindustrie sind an uns mit der Frage herangetreten, ob es möglich sei, das Stanzen von Rundlöchern in Flachmaterial aus Kupfer sowie das Formen von Gewinden in diesen Löchern in einer einzigen Maschine noch schneller, kostengünstiger und flexibler als mit dem bereits vorhandenen System zu realisieren“, blickt Andreas Winters zurück, der bei Ehrt für Neuentwicklungen zuständig ist. „Die neue Lösung sollte es beispielsweise vermeiden, für jeden Gewindetyp und jede Materialstärke umfangreiche Einstellungen vornehmen zu müssen. Außerdem sollten händische Bearbeitungsschritte entfallen, die sich nachteilig auf die Bediensicherheit und Prozessqualität auswirken können.“

Motorentwicklung für Gewindeformer als gemeinsames Projekt aufgesetzt

Darüber hinaus verlangt der Markt nach Lösungen, in denen CNC-Stanzmaschinen ergänzende Funktionalitäten bieten, dadurch weniger Umrüstaufwand verursachen und zugleich kürzere Prozesszeiten und mehr Maschinenleistung erfüllen. Der limitierende Faktor für die entsprechende Weiterentwicklung des bestehenden und bewährten Maschinenkonzepts war schnell erkannt: „Es gab keinen passenden Standardmotor am Markt. Sie waren entweder zu groß oder konnten die geforderten Drehmomente nicht bereitstellen“, sagt Tobias Campe. Auf der Suche nach einer Lösung kam es dann zum Kontakt mit den Spezialisten von Wittenstein Cyber Motor. In kürzester Zeit haben die Entwicklungsteams beider Unternehmen in mehreren iterativen Schritten eine gemeinsame Lösung für den Antrieb des Single-Tap – so die Bezeichnung des integrierten Gewindeformers – erarbeitet.

Motor pur – ohne Gehäuse, Lager und Geber

Umgesetzt wurde ein Konzept auf der Basis eines bereits verfügbaren, gehäuselosen Motors. „Der Rotor sowie der Durchmesser und die Länge des Stators konnten sehr flexibel an die Einbausituation im Antriebsblock angepasst werden“, erklärt Andreas Winters. „Auf eine Lagerung und ein Gebersystem haben die Entwickler verzichtet, um Bauhöhe einzusparen, die Robustheit zu verbessern und die Integration in die Maschine zu vereinfachen.“ Generell hat erst die tiefe Integration von Motor und beigestellten Teilen zu der benötigten Kompaktheit geführt.

Sowohl Ehrt als auch Wittenstein Cyber Motor waren in der Lage, auf die jeweiligen konstruktiven Anforderungen des Partners einzugehen. Darüber hinaus haben sie sich entschieden, von einer 48-VDC-Spannungsversorgung auf eine 560-VDC-Zwischenkreisspannung umzustellen, deren Netzteil nicht nur kleiner baut, sondern auch weniger Wärme entwickelt und preiswerter ist. „Dadurch passt der Antrieb auch von der Länge her perfekt in den vorgegebenen Montageraum der Stanzmaschine, zumal auch die mechanische Anbindung spezifisch auf die Einbausituation zugeschnitten ist“, bestätigt Tobias Campe.

Einzigartige Leistungsdichte in dieser Klasse

Aber nicht nur Baugröße und Anbindung passen, sondern auch die Leistung der Single-Tap-Antriebseinheit. „Die angesenkte Prägung der gestanzten Löcher nimmt den rotierenden Gewindeschneider auf, danach zieht sich das Werkzeug von alleine in das Material hinein“, führt Tobias Campe aus. „Sollte es hierbei geschehen, dass sich der Gewindeformer im Material festfährt, stellt der Antrieb für einen kurzen Moment bis zu 40 Nm Drehmoment bereit, um das Werkzeug wieder loszubrechen.“ Ein weiteres wichtiges Merkmal des Motors im Single-Tap ist die über die gefertigten Einheiten hinweg gleichbleibende Leistungscharakteristik. Dadurch lassen sich alle Motoren auf identische Weise über die Elektronik ansteuern.

Während des gesamten Gewindeformprozesses – der Zylinderhub beträgt bis zu 60 mm – überwacht die Elektronik anhand des Motorstroms das Einhalten definierter Drehmomenttoleranzen. „Mit Blick auf die im Zuge von Industrie 4.0 fortschreitende Digitalisierung der Produktion haben wir auf diese Weise unter anderem eine Condition-Monitoring-Umsetzung realisiert“, sagt Andreas Winters. „Liegt zu wenig Drehmoment an, kann diese auf ein Qualitätsproblem, beispielsweise ein zu groß gestanztes Loch, hinweisen. Bei zu viel Drehmoment könnte das Werkzeug sich der Abnutzungsgrenze nähern, so dass es zeitnah ausgetauscht werden sollte. Es könnte aber auch sein, dass falsches Material in die Maschine eingebracht worden ist. Der Single-Tap ermöglicht es uns also, in gewissem Maße Prozess- und Qualitätsparameter zu beobachten, zu dokumentieren und bei Bedarf entsprechende Maßnahmen anzustoßen“, erläutert Tobias Campe den Prozess.

Individuelle Antriebslösung mit universellen Perspektiven

Das gemeinsam entwickelte Antriebsmodul für den Gewindeformer ist nicht alleine für CNC-Stanzmaschinen interessant. „Maschinen werden immer mechatronischer, Servoantriebe verdrängen Pneumatik und Hydraulik“, nennt Tobias Campe zwei Trends, die die zukünftige Entwicklung von Maschinen maßgeblich beeinflussen werden. Daher will der Maschinenbauer das Antriebsmodul – bei Bedarf in größeren Ausführungen für ein erweitertes Leistungsspektrum – auch separat vermarkten, etwa im Sondermaschinenbau. Aber auch für das eigene Maschinenportfolio eröffnen sich neue Perspektiven. „Unmittelbares Ziel ist es, die Drehzahl für die Werkzeugspindel weiter zu steigern“, betont Andreas Winters und weist darauf hin, dass „die notwendigen Drehzahlreserven vorhanden sind.“

Eine weitere Idee ist, auf der Basis dieses Motormoduls den existierenden Multi-Tap-4-fach-Gewindeformer in einer neuen Bauart mit integriertem Antrieb umzusetzen – vielleicht schon das nächste gemeinsame Entwicklungsprojekt? Ideen und Skizzen werden schon rege ausgetauscht.

Carolin Ank, Produktmanagerin, Christoph Weis, Produktmanager, und Philipp Maurer, Vertriebsingenieur, alle Wittenstein Cyber Motor GmbH, Igersheim

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