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Roboterprogrammierung: „Der Trend geht zu ‚no code robotics‘“

Interview Automatisierung
„Der Trend bei der Programmierung von Robotern geht klar zu ‚no code robotics‘“

Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Robotern in Betrieben ließen sich schnell aus der Welt räumen, sagt Andrea Alboni, General Manager Western Europe des Roboterherstellers Universal Robots (UR). Wie Roboter dabei unterstützen können, den Produktionsstandort Deutschland zu sichern und welche Trends die Branche derzeit treiben, erklärt er im Interview.

» Uwe Schoppen, Redakteur Industrieanzeiger

Herr Alboni, wie nehmen Sie den Arbeitskräftemangel in Deutschland wahr?

Der Arbeitskräftemangel ist keine neue Entwicklung. Schon seit über 15 Jahren sprechen wir darüber, dass uns durch den demografischen Wandel zahlreiche Arbeitskräfte fehlen werden. In den vergangenen Jahren wurde diese Lücke auf dem Arbeitsmarkt immer mehr zu einem realen Problem. Besonders in handwerklichen Berufen, aber auch in der Metall- und Elektroindustrie und dem MINT-Bereich sind Arbeitskräfte rar. Die Frage ist folglich nicht länger, ob ein Unternehmen automatisiert, sondern nur wann und wie.

Wie kann die Robotik hier Abhilfe schaffen?

Industrie ohne Leute kann funktionieren. Schon heute arbeiten in deutschen Fertigungshallen so viele Roboter im Akkord, wie in keinem anderen europäischen Land – Tendenz steigend. Gleichzeitig befreien die Roboter ihre menschlichen Kollegen von monotonen, stupiden und ergonomisch ungünstigen Aufgaben. Die Mitarbeiter können so für höherwertige Aufgaben eingesetzt werden, wie etwa das Programmieren des Roboters. Diese Entwicklung wirkt sich auch positiv auf das Arbeitgeberimage aus, da das Unternehmen als technologisch innovativ wahrgenommen wird und offene Stellen für Bewerber interessanter werden.

Die Bedienung der Roboter wird immer einfacher. Ist Aus- und Weiterbildung in der Robotik damit überflüssig?

Ganz im Gegenteil. Wir müssen unseren Nachwuchs frühestmöglich mit Robotik vertraut machen. Der praktische Umgang mit neuen Technologien und Robotern sollte daher Teil des Lehrplans sein, um Jugendliche zielgerichtet im Umgang mit Robotik zu auszubilden. Je früher die Mitarbeiter von morgen mit Automatisierung in Berührung kommen, desto besser.

Welche Möglichkeiten bietet hier UR?

Mit dem Universal-Robots-Education-Konzept und der UR Online Academy möchten auch wir dazu beitragen, die nächsten Generationen fit für die künftige Arbeitswelt zu machen. Im Rahmen unseres Education-Konzepts bieten wir Bildungseinrichtungen und Lehrbetrieben ein komplettes Ausbildungskonzept für Schüler und Auszubildende, inklusive Unterrichtsmaterialien und einer echten Roboterzelle für die Praxis. Durch die Integration von Robotiktechnologien in den Unterricht kann es uns gelingen, unsere Nachwuchsfachkräfte zu den Automatisierungsprofis von morgen zu machen.

Dass dieses Konzept funktioniert, zeigen erfolgreiche Projekte, die wir beispielsweise mit der Pfaffenwinkel-Realschule Schongau oder der MAN-Berufsschule umgesetzt haben.

Wie ist die Einstellung kleiner und mittlerer Unternehmen zur Robotik: Gibt es noch Vorbehalte oder wird der Roboter jetzt auch verstärkt vom Mittelstand genutzt?

Ein Großteil unserer Kunden zählt zum Mittelstand. Natürlich sehen wir, dass es besonders im Handwerk noch immer Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Robotik gibt. Diese lassen sich jedoch im Gespräch und anhand erfolgreicher Kundenbeispiele schnell aus der Welt räumen. Kollaborierende Roboter, kurz Cobots, sind heute erschwinglich, intuitiv zu programmieren und sehr flexibel einsetzbar. Das macht sie auch für kleine und mittlere Betriebe attraktiv. Morgens polieren, nachmittags bohren – das ist für einen Cobot kein Problem. So können Betriebe ihre Produktion an die aktuelle Auftragslage anpassen und Mitarbeiter entlasten.

Wie können UR-Roboter den Produktionsstandort Deutschland sichern?

Dank erschwinglicher Automatisierungslösungen sind Firmen nicht gezwungen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Cobots bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Arbeitskräfte flexibler einzusetzen, sodass sie anstehende Aufträge auch mit bestehendem Personal zuverlässig erfüllen können. Dass Deutschland als Produktionsstandort attraktiv ist, zeigt der starke Trend in Richtung Reshoring. In Zeiten globaler Krisen verlagern immer mehr Unternehmen ihre Produktionen zurück nach Deutschland, um resilienter im Hinblick auf ihre Supply Chains zu werden. Doch auch hier stehen sie vor dem allgegenwärtigen Problem des Arbeitskräftemangels. Wollen Betriebe ihre Produktion also nach Deutschland zurückholen oder hier halten, werden sie nicht daran vorbeikommen, zu automatisieren.

Können Sie hierzu ein praktisches Beispiel nennen?

Ein gutes Beispiel ist der Telekommunikations-Hersteller Gigaset: An den Smartphone-Produktionslinien im Bocholter Haupt- und Werkssitz erledigen Cobots rund 60 % der Montage, 40 % ist Handarbeit. Die Automatisierung ermöglicht es Gigaset, als einzigem Hersteller erfolgreich Smartphones ‚Made in Germany‘ in höchster Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren.

Derzeit geht der Trend in der Robotik hin zu spezifischen, individuelleren Applikationen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?

Die immer individuelleren Applikationen sind das Ergebnis stetig steigender und oft sehr spezifischer Ansprüche der Kunden. Produkte und damit auch ihre Produktionsprozesse werden immer komplexer. Viele KMUs benötigen daher nicht einfach nur einen Roboter, sondern eine komplette, maßgeschneiderte Lösung, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Wie wird UR diesem Trend gerecht?

Dank unseres UR+-Partnernetzwerks sind wir in der Lage, zusätzlich zu den Robotern auch Peripheriegeräte und komplette Anwendungs-Kits anzubieten. Diese Komponenten sind speziell für UR-Cobots zertifiziert und lassen sich somit nahtlos integrieren. Zusammen mit unseren UR+-Partnern können wir unseren Kunden fertige und erprobte Lösungen offerieren, die via Plug-and-Produce sofort im Betriebsalltag einsetzbar sind.

Dadurch haben Unternehmen die Möglichkeit unterschiedlichste Anwendungen schnell und einfach automatisieren und erreichen schneller ihren ROI.

Welche Trends gibt es derzeit bei der Programmierung von Robotern?

Der Trend geht klar in Richtung „no code robotics“. Im Fokus steht, durch eine intuitive Bedienbarkeit die Zugänglichkeit von Robotik zu vereinfachen und die Implementierung von Robotikanwendungen zu beschleunigen.

Wie könnte die Programmierung von Robotern in fünf Jahren aussehen? Hat UR diesbezüglich eine Roadmap entwickelt?

„Keep it simple“ lautet für uns nach wie vor das Gebot der Stunde – auch in fünf Jahren. Das betrifft sowohl die Bedienung als auch die Programmierung unserer Cobots: Wer ein Smartphone bedienen kann, der weiß auch mit einem Roboter umzugehen. Deshalb haben wir schon vor längerer Zeit mit dem UR+-Ökosystem eine Art App-Store für Cobots ins Leben gerufen, in dem Anwender eine Vielzahl an Applikationen auswählen und diese dann einfach installieren und konfigurieren können. Ob fürs Schweißen oder für die Maschinenbeschickung – hier gibt es die geeignete App passend zur gewünschten Cobot-Anwendung. Programmierkenntnisse sind dafür übrigens nicht vonnöten.

Wenn die Programmierung immer einfacher werden soll, werden Robotik-Spezialisten dann noch gebraucht?

Obwohl die Bedienung und Programmierung kollaborierender Roboter immer intuitiver werden, ist nach wie vor umfangreiches Wissen für den effizienten Einsatz der Automatisierungslösungen notwendig. Nur, wenn die Menschen den Umgang mit Robotern sicher beherrschen, können sie sich deren gesamtes Potenzial erschließen. Folglich ist es unumgänglich, Mitarbeiter entsprechend zu schulen und auch junge Menschen so früh wie möglich für Robotik zu begeistern und im Bereich Automatisierung auszubilden.

Roboter werden in verschiedenen Branchen eingesetzt, etwa in der Intralogistik. Hier wären vorgefertigte, integrierte Branchenpakete für den Anwender hilfreich. Hat UR diesbezüglich etwas im Portfolio (Stichwort SINA)?

Gemeinsam mit unseren Integrationspartnern bieten wir unseren Kunden bereits maßgeschneiderte Lösungen für zahlreiche Branchen. Im vergangenen Jahr hat Universal Robots darüber hinaus gemeinsam mit sieben weiteren renommierten Unternehmen aus der Robotik- und Logistikbranche die vollautomatisierte Kommissionierlösung SINA vorgestellt. Hierfür wurden die Kompetenzen der einzelnen Unternehmen gebündelt, um ein gesamtheitliches System für eine effiziente Intralogistik zu entwickeln.

Kontakt:
Universal Robots (Germany) GmbH
Baierbrunner Str. 15
81379 München
www.universal-robots.com

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