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Der Windturbinen-Simulator

Antriebs- und Automatisierungstechnik für Großlagerprüfstand
Der Windturbinen-Simulator

Damit der weltweit leistungsstärkste Großlagerprüfstand das komplexe, windabhängige Verhalten von Offshore-Windturbinen realitätsnah simulieren kann, ist das reibungslose Zusammenspiel aller Komponenten nötig. Dafür sorgt ein integrierter Antriebsstrang, der sich nahtlos in die hierauf abgestimmte Automatisierungs- und Kommunikationstechnik einfügt.

Die Schaeffler Technologies AG & Co. KG in Schweinfurt ist ein führender Hersteller von Wälzlagern und Präzisionskomponenten für Anwender aus den Bereichen Automotive, Industrie, sowie Luft- und Raumfahrt. Zudem produziert das Unternehmen Lager für Windenergieanlagen. Um diese unter praxisähnlichen Bedingungen testen zu können, beschloss Schaeffler die Entwicklung des weltweit leistungsstärksten Großlagerprüfstandes Astraios. Darauf können Großlager bis 15 t und 3,5 m Außendurchmesser, wie sie insbesondere in Windkraftanlagen eingesetzt werden, mit Hilfe eines breiten Simulationsprogramms geprüft werden.

Wind wirkt durch seine Dynamik mit unterschiedlicher Stärke und Richtung auf den Rotor. Diese ungleichmäßigen und ständig wechselnden Windlasten erzeugen in Abhängigkeit der Stellung der drehenden Rotorblätter dynamische Nick- und Giermomente. Es handelt sich dabei um Schwingungen um die Hoch- und Querachse des Rotors, die Hebe-, Senk-, und Seitwärtsbewegungen bewirken. Diese Momente treten zusätzlich in Wechselwirkung mit dem durch das Gewicht des Rotors verursachten statischen Nickmoment. Das Resultat ist eine ungleichmäßige „Taumelbewegung“ der Rotornabe. Um diese komplexe Bewegung der Nabe zu simulieren und die entsprechenden Auswirkungen auf das Lager zu analysieren, erzeugt der 6-MW-Großlagerprüfstand die entsprechenden Nick- und Giermomente in realistischer Intensität und zeitlicher Abfolge. Alle dynamischen Windsituationen lassen sich hierbei simulieren. Eine Software liefert dabei die Vorgaben, welche die Prüfstandantriebe exakt und aufeinander abgestimmt umsetzen müssen.
Die Hauptlast mit 150 000 Nm übernimmt ein integrierter Antriebsstrang, basierend auf durchgängigen Komponenten von Siemens, bestehend aus einem Getriebe der Flender-Reihe, einem Motor von Loher und einem Frequenzumrichter-Schrankgerät der Familie Sinamics S150. Der komplette Antriebsstrang ist an die Anforderungen des Großlagerprüfstandes angepasst. Die Antriebstechnik ist nicht nur für die Simulation der Hauptlast verantwortlich, sondern auch für Nebenaggregate, wie beispielsweise für die Hydraulikpumpen. Diese simulieren die wechselnde und ungleichmäßige Windeinwirkung auf den Rotor und erzeugen dynamische Nick- und Giermomente. Hier sind drei wassergekühlte Motoren mit 160 kW von Loher im Einsatz, die von Sirius-Sanftstartern angesteuert werden. Die insgesamt zwölf Schmierölpumpen arbeiten mit Niederspannungs-Asynchronmotoren Simotics SD. Diese werden durch Umrichter Sinamics S120 für Mehrmotorenantriebe geregelt und koordiniert.
Das Zusammenspiel der Komponenten und Systeme beschränkt sich bei Astraios nicht allein auf die Antriebstechnik. Der integrierte Antriebsstrang fügt sich nahtlos in die Automatisierungslandschaft der Prüfhalle ein. Er kommuniziert über Profinet mit den Steuerungen der Familie Simatic S7-300, um unter anderem die Sollwertvorgaben für die Simulation der wechselnden Windverhältnisse an die Antriebe auszugeben. Mit Profinet können prozess- und sicherheitsrelevante Informationen in Echtzeit über denselben Bus übertragen werden. Der Kommunikationsstandard ermöglicht zudem die zentrale Diagnose jedes einzelnen Gerätes im Feld. Dank Profisafe läuft die Anlage sicher für Mensch und Maschine, was ganz besonders bei rotierenden Teilen erforderlich ist. Über die fehlersicheren Steuerungen und die Not-Halt-Funktion kann die Anlage sofort gestoppt werden.
Als Hauptsteuerung im Schaltschrank dient eine Simatic S7-319, die als übergeordnete Steuerung des Hauptantriebs sowie für weitere Systeme, wie beispielsweise eine Wireless-Lösung, fungiert. Eine weitere, im Schaltschrank untergebrachte fehlersichere Steuerung der gleichen Produktfamilie übernimmt die sicherheitsrelevante Kommunikation zu den Steuerungen der einzelnen Bereiche wie Hydraulik oder Schmieröl. In der Feldebene kommen Komponenten der dezentralen Peripherie Simatic ET 200 zum Einsatz, die mit den verschiedenen Aktoren und Sensoren kommunizieren und direkt mit den Steuerungen verlinkt sind.
Eine wesentliche Herausforderung stellte das Kommunikationskonzept für den Rotorprüfstand dar. Die Anforderungen beinhalten neben der verschleißfreien Messdatenübertragung von verschiedenen Temperaturwerten des rotierenden Prüflings auch eine mobile Bedienung und Beobachtung des Prüfstands inklusive Safety-Funktionalität im gesamten Umfeld der Anlage. Zwei voneinander unabhängige Funknetze bilden hierbei die Basis.
Ziel der Messdatenübertragung ist es, Temperaturwerte, Geschwindigkeit und Lagerkräfte des rotierenden Prüflings zu erfassen und via industriellem WLAN (IWLAN) an die Hauptsteuerung zu übertragen. Hierbei sammelt das dezentrale Peripheriesystem Simatic ET 200pro die Messwerte der Sensoren und übermittelt sie an die Leitwarte. Für die drahtlose Datenübertragung sorgt ein Access Point Scalance W788-1RR am stationären Teil der Anlage, der mit einem RCoax-Leckwellenleiter ein definiertes Funkfeld aufbaut. Gegenstück auf dem rotierenden Lagerprüfstand ist die Simatic ET 200pro mit dem IWLAN-Interface-Modul, die über eine Richtantenne die Signale überträgt. Bei der Messdatenübertragung kann die geforderte WLAN-Verfügbarkeit durch die Antenne auch bei hohen Rotationsgeschwindigkeiten sichergestellt werden.
Zum Bedienen und Beobachten mit Safety-Funktionalität kommt das Mobile Panel Simatic MP 277F IWLAN zum Einsatz. Trotz der räumlichen Ausdehnung des Rotorprüfstands wird das unterbrechungsfreie Bedienen inklusive Not-Halt-Funktionalität durch Rapid Roaming (iPCF-MC) ermöglicht. Der Vorteil ist die Bewegungsfreiheit des Bedieners im definierten Umfeld der Anlage – kabellos und im laufenden Betrieb. Der Bediener hat somit zu jeder Zeit freie Sicht auf die Anlage.
Voraussetzung für zuverlässige Kommunikation war es, ein optimales Funkfeld im weitläufigen und zudem teilweise stark verwinkelten Bedienbereich der Maschine zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund wurde vor der Inbetriebnahme die Wireless-Lösung für das Mobile Panel mit Sinema E simuliert und dadurch optimiert. Die erfolgreiche Simulation am PC führte zu dem Ergebnis, dass für eine optimale Funkabdeckung zwei Access Points der Baureihe Scalance W788-2RR ausreichen. Die Industrial Point Coordination Function (iPCF) stellt die Funkverbindung zum Mobile Panel sicher – auch während des Funkzellenwechsels zwischen den beiden Access Points.
Das Zusammenspiel aller Antriebs- und Automatisierungskomponenten minimierte den gesamten Engineering-Aufwand für Schaeffler. Seit Inbetriebnahme habe es keine Ausfälle gegeben, so das Unternehmen.
Josef Kampfer, Stefan Rausch, Stefan Link Siemens AG, Nürnberg
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