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Elektronische Personen brauchen vielleicht einen eigenen Rechtsstatus

Rechtsstatus als E-Person wirft noch viele Fragen auf
“Die Gewissensfreiheit ist ein Zukunftsszenario“

“Die Gewissensfreiheit ist ein Zukunftsszenario“
Dr. Markus Häuser ist Rechtsanwalt und Partner bei CMS Hasche Sigle. Er hat sich auf Rechtsfragen der digitalen Wirtschaft und des Technologierechts spezialisiert. Bild: CMS
Welche Rechte und Pflichten sollten Roboter und intelligente Maschinen haben, wenn sie sich ohne Zutun des Menschen weiterentwickeln? Diese Frage wird unter Juristen kontrovers diskutiert. Der zentrale Aspekt ist die Haftung, glaubt Markus Häuser, Rechtsanwalt und Partner bei CMS.

Kirsten Seegmüller
Freie Journalistin in Leinfelden
im Auftrag der Redaktion

Herr Häuser, was halten Sie von der Idee der EU, Roboter eventuell als „elektronische Personen“ anzuerkennen?

Diese Idee wird unter Juristen heiß diskutiert. Die meisten halten das derzeit noch nicht für erforderlich, denn alles, was ein intelligenter Roboter tut, kann einer natürlichen oder einer juristischen Person zugeordnet werden. Viele Programmierer finden jedoch, dass man diesen Status braucht, da es Roboter geben werde, die niemandem mehr gehören, sondern sich frei in der Gesellschaft bewegen. Das ist Juristen fremd. In dem Fall bräuchte man tatsächlich den Status einer E-Person.

Was meinen Sie mit „frei bewegen“? Laufen dann Roboter neben uns durch die Fußgängerzone?

Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass alle intelligenten Maschinen humanoide Roboter sind. Die mächtigeren Tools sind Programme und haben weder Hände noch Füße.

Könnten Sie ein Beispiel geben?

Heute wird Carsharing von Menschen organisiert. In Zukunft gibt es vielleicht Autoflotten, die sich zum Beispiel mit Hilfe der Blockchain-Technologie selbst organisieren. Die Autos würden sich autonom untereinander abstimmen und entscheiden, wen sie mitnehmen, wann sie in die Werkstatt müssen oder zum Tanken – alles ohne Betreiber. Das wäre dann ein vollständig autonomes System. Allerdings müsste es von Menschen initiiert werden – etwa denjenigen, die die ersten Fahrzeuge anschaffen und zur Verfügung stellen. Diese Menschen würden eine BGB-Gesellschaft begründen und könnten als solche für durch das System verursachte Schäden auch haftbar gemacht werden.

Selbstständig handeln tun sie ja schon – Kampfdrohnen zum Beispiel.

Das trifft nicht ganz zu, denn Drohnen treffen ihre Entscheidungen nicht selbst, sondern aus von Menschen vorgegebenen Kriterien heraus. Ein Roboter mit Gewissensfreiheit ist ein Zukunftsszenario, das noch in weiter Ferne liegt.

Und wer haftet, wenn autonome Systeme Fehler machen? Es gab schon Unfälle trotz oder sogar wegen Spurhalteassistenten.

Ein Spurhalteassistent ist ein komplexes System. Trotzdem kann man hier gut mit bekannten Instrumenten arbeiten: Der Halter muss über die Halterhaftung für Schäden einstehen. Allerdings geht man heute davon aus, dass mit autonomem Systemen weniger Unfälle passieren als mit menschlichen Fahrern. Roboter machen nicht mehr Fehler als wir – im Gegenteil. Aber wenn etwas passiert, rücken sie schnell in den Fokus.

Welche Folgen hätte eine Anerkennung als E-Person?

Zunächst stellt sich die Frage, wie eine intelligente Maschine ihren Rechtsstatus erhält. Über ein Register? Zudem müsste geklärt werden, welche Kriterien ein Roboter dafür erfüllen muss.

Vielleicht mit einem Intelligenztest?

Aber ein Mensch ist mit 18 voll geschäftsfähig, auch ohne Tests. Und die Intelligenz scheint mir auch unter Menschen nicht ganz gleichmäßig verteilt zu sein.

Dann vielleicht über die Komplexität der Algorithmen oder andere Fähigkeiten?

An solchen Kriterien lässt sich das nicht festmachen. Der Status einer E-Person ist erst dann nötig, wenn intelligente Maschinen nicht mehr unter menschlicher Kontrolle stehen. Wenn jemand zum Beispiel seinem maschinellen „Haushaltssklaven“ die Freiheit schenkt, müsste dieser zu einem eigenen Rechtssubjekt werden können. Das ist zwar Science Fiction, aber bei der rasanten technologischen Entwicklung gar nicht mehr so fern, vielleicht ein paar Jahrzehnte.

Und wenn die in die Freiheit entlassene Maschine Schäden anrichtet?

Zunächst bliebe der Mensch für die „freigelassene“ Maschine verantwortlich, ähnlich wie bei einem gefährlichen Tier. Sollte es in der Zukunft wirklich „freie“ Maschinen geben, müsste das Risiko vermutlich über Versicherungen abgedeckt werden. Dann dürfte der Haushaltsroboter zwar in die Freiheit entlassen werden, aber nur, wenn der Mensch vorab eine Versicherung abschließt.

Aber was passiert, wenn Maschinen eigene „Nachkommen“ erschaffen und ohne Hilfe durch den Menschen programmieren?

Wenn diese Maschinen keinem Menschen und keinem Unternehmen mehr zuzuordnen sind und sich in der 2. oder 3. Generation selbst programmieren, brauchen sie tatsächlich eine eigene Rechtspersönlichkeit. Zum Beispiel, um für Schäden verantwortlich gemacht werden zu können.

Sollten elektronische Personen dann dieselben Rechte und Pflichten haben wie natürliche Personen?

Nein. Da wird es sicherlich viele Unterschiede geben müssen, so wie es auch Unterschiede zwischen der natürlichen Person und der juristischen Person gibt. Wichtig wird sein, dass die E-Person eine eigene Rechts- und Geschäftsfähigkeit erhält. Sie müsste selbst Verträge schließen können und für autonome Handlungen verantwortlich gemacht werden können.

Gäbe es für Roboter ein eigenes Zivil-, Straf- und Öffentliches Recht?

Strafrecht eher nicht. Intelligente Maschinen haben keinen Hang zur Kriminalität, das ist ein typisch menschliches Merkmal.

Und persönliche Grundrechte?

Die erscheinen mir nicht erforderlich. Hätte ein Roboter ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, könnte man ihn nicht mehr zum Räumen in ein Minenfeld schicken. Wenn sie selbst entscheiden könnten, würden intelligente Maschinen wohl nichts tun, was ihnen selbst schadet oder die Lebensgrundlage entzieht. Sie würden viel vorausschauender wirtschaften als der Mensch.

Könnten Sie sich ein Gerichtsverfahren mit einem Roboter als Angeklagten vorstellen?

Wenn ein Roboter eine Rechtspersönlichkeit und geschäftsfähig ist, wäre das die logische Konsequenz. Dann könnte er klagen und verklagt werden.

Wenn selbstlernende Maschinen Innovationen entwickeln – welche Folgen hätte das für das Patentrecht?

Wenn eine intelligente Maschine etwas erfindet, liegt das Recht, ein Patent anzumelden, beim Unternehmen, das die Maschine einsetzt. Mit eigener Rechtspersönlichkeit könnte sie selbst ein Patent anmelden und Lizenzgebühren einnehmen.

Dann müsste die Maschine aber auch Steuern zahlen.

Mit einem eigenen Einkommen müsste sie konsequenterweise Steuern zahlen. Heute stellt sich aber eher die Frage, ob der Einsatz von Robotern bei den Unternehmen besteuert wird. Mit Hinblick darauf, dass viele Arbeitskräfte ersetzt werden und dies eine Belastung für das Sozialsystem sein kann, erscheint dieser Gedanke nicht ganz abwegig.

Würden Sie mit einem Kollegen zusammenarbeiten, der nur aus Algorithmen besteht?

Das kommt auf den Kollegen an. Im Grundsatz sind mir menschliche Kollegen sympathischer. Bei einigen wäre es manchmal aber durchaus schön, wenn man sie gegen einen Roboter eintauschen könnte.

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