In der Automatisierungsindustrie findet aktuell gerade in Schwellenländern ein neuer Ansatz immer mehr Verbreitung: Just-enough, gerade genug Leistung für die eigentliche Aufgabe, heißt die Devise. Auch deutsche Ausrüster, oft für German Overengineering gescholten, stellen sich darauf ein.
In den Konstruktionsabteilungen sind sie notwendig: Leistungsfähige und auch teure Workstations, um Baugruppen zu entwerfen und sie in Simulationsprogrammen zu testen. Aber ein kaufmännischer Sachbearbeiter, der nur Briefe schreibt und Tabellenkalkulation nutzt, kommt mit einem wesentlich einfacheren und günstigeren Rechner gut aus. Entscheidend ist, dass sich beide Varianten in das Unternehmensnetzwerk einfügen und genug Leistung für die jeweilige Aufgabe bereitstellen. In den unterschiedlichen Märkten der Fabrikautomation ist eine ganz ähnliche Entwicklung in zwei Richtungen zu erkennen: Während beispielsweise die Automobilindustrie bei Maschinen für die Fertigung von Kernprodukten wie Motoren weiter auf Höchstleistung setzt, sind in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien in den vergangenen Jahren zehntausende kleine und mittelständische Zulieferer entstanden. High-end-Lösungen gehen völlig an deren Bedarf vorbei: Zu teuer, zu kompliziert und technisch auch gar nicht notwendig.
Diese Zulieferer übernehmen relativ einfache Arbeitsschritte wie Bohren oder Fräsen an immer gleichen Bauteilen in großen Stückzahlen. Auf Basis von CAD-Daten des Kunden müssen sie in engen Toleranzen fertigen. Als Folge boomt beispielsweise in China, dem weltgrößten Werkzeugmaschinenmarkt, das Segment kompakter Bearbeitungsmaschinen. Vorhandene Steuerungslösungen, das Herzstück dieser Maschinen, sind aber entweder zu teuer und komplex oder nicht präzise genug. In diese Lücke stoßen deutsche Automatisierungshersteller wie Bosch Rexroth vor. Auf der einen Seite darf die Lösung keinerlei überflüssige Leistungsreserven haben um wirtschaftlich mithalten zu können, auf der anderen Seite erwarten die Anwender trotzdem Genauigkeit auf tausendstel Millimeter. Dazu speckten die deutschen und chinesischen Entwickler des Unternehmens gemeinsam eine etablierte High-end-Lösung ab. Alles, was über klar definierte Bearbeitungsaufgaben hinausgeht, entfernten sie und konnten damit die Systemkosten drücken. Dabei blieb aber der Softwarekern der Ursprungsversion mit der Programmiersprache und allen Möglichkeiten zum Datenaustausch erhalten. Das Konzept überzeugte den größten chinesischen Werkzeugmaschinenhersteller, der bereits drei Maschinenserien damit ausgerüstet hat und jährlich mehrere tausend Exemplare ausliefert.
Der Trend zu Just-enough-Konzepten hat längst auch bei deutschen Produktionsplanern Anklang gefunden. Auch hier bieten deutsche Automatisierungshersteller mittlerweile deutlich wirtschaftlichere Lösungen an. Sie haben Baukästen entwickelt, die 90 % der Aufgaben durch die Kombination von Standardbauteilen abdecken. Das ist preiswerter und verkürzt die gesamte Planung und den Aufbau von Montage- und Handlingsystemen. Für die 10 % Sonderanwendungen greifen die Unternehmen weiterhin auf maßgeschneiderte High-end-Lösungen zurück. Dass der Trend nicht aufzuhalten ist, zeigt bereits die Computerbranche, die längst neue Produktklassen mit anderen Schwerpunkten auf den Markt bring. Auf Internet-Anwendungen optimierte Netbooks und Tablet-PC gewinnen Marktanteile auf Kosten wesentlich leistungsfähigerer PC und Notebooks. Genug ist genug – auch in der Fabrikautomation der Zukunft.
Dr. Karl Tragl Bosch Rexroth, Lohr
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