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Jungbrunnen für „Altes Eisen“

Lösungen für das Pressenretrofit erhöhen die Verfügbarkeit
Jungbrunnen für „Altes Eisen“

Automatisierung | In vielen herstellenden Betrieben erfüllen Maschinen „älteren Semesters“ nach wie vor ihre Funktion. Ein gründlicher Retrofit bringt diese auf den aktuellen Stand der Technik.

Stephan Marban Mitarbeiter Pilz, Österreich

Die Umdasch-Group gehört zu den traditionsreichen und großen in Familienbesitz befindlichen holzverarbeitenden Betrieben in Österreich; die Anfänge des Unternehmens reichen bis in das Jahr 1868 zurück. Werden heute auch zusätzlich Metall und neue, innovative Verbundwerkstoffe verarbeitet, so hat doch gerade Holz die Identität des Unternehmens besonders geprägt.
Bekannt ist die Umdasch-Group mit ihren zwei Bereichen Doka Group und der Umdasch Shopfitting Group vor allem durch die gelben Schalungsplatten aus dem Baugewerbe: Schalungslösungen für Tunnel-, Tief- und Hochbau gehören dazu. Die Doka Group fertigt sämtliche Komponenten wie Deckensteher, Schwerlaststützen, Querlastträger oder Verankerungssysteme in Eigenregie. Zu den Verankerungssystemen zählen unter anderem Wellenanker, die die Doka Group auf einer Exzenterpresse aus den 1980er-Jahren fertigt. Dabei wird ein Stahlstab mit einem groben Gewinde in Z-Form gebracht. Zur Umformung stehen verschiedene Werkzeuge für unterschiedliche Längen zur Verfügung. Die Wellenanker werden mit in den Beton gegossen und bieten mit dem Gewinde Fixierungspunkte zur Befestigung von Klettersystemen oder Stützen. Die Umformung sorgt dafür, dass der Wellenanker im einbetonierten Zustand einer definierten Zugkraft standhält und nicht ausreißt.
Da die Presse ansonsten mechanisch einen sehr guten Zustand aufwies, machte es für das Unternehmen Sinn, hier in ein Retrofit zu investieren. Denn die im Prinzip noch funktionstüchtige Exzenterpresse zeigte erste Mängel mit Blick auf deren Verfügbarkeit: Nach Instandhaltung, also einem Maschinenstillstand, konnte nicht mehr sichergestellt werden, dass die Presse nach einem Ausfall eines Teiles innerhalb von zehn Tagen wieder einsatzbereit ist. Vor allem in der Elektrik waren veraltete Technologien im Einsatz, für die keine Ersatzteile mehr zur Verfügung standen: Diese war mit „alter“ Schützsteuerung umgesetzt. Gerade hier sollte ein Retrofit sicherstellen, dass die Presse auf einen aktuellen Standard umgerüstet wird, der auf aktuelle Technologie baut – vor allem mit Komponenten, die auch kurzfristig verfügbar sind.
Ursprünglich kam die Presse aus der ehemaligen DDR. Die damalige Lösung setzte spezielle Motoranlauflösungen ein, um den Motor auch in schwachen Versorgungsnetzen hochfahren zu können. Für den Umbau der Presse wurde Pilz, Komplettanbieter für die sichere Automation, mit ins Boot geholt. Gemeinsam mit Pilz wurde noch vor Projektbeginn eine Risikoanalyse durchgeführt, die die weitere Vorgehensweise bestimmte, beispielsweise welche Komponenten erneuert werden müssen. Eine Ausführungsrichtlinie von Doka, die vorgab, welche Hersteller und Komponenten eingesetzt werden sollen, war bildete die Grundlage. In der Verantwortung von Pilz lagen dann die komplette Planung des Umbaus, die Beschaffung aller benötigten Komponenten und die Organisation des Schaltschrankbaus sowie der abschließende Umbau vor Ort. Die mechanischen Änderungen an der Presse konnte Doka in seinen eigenen Werkstätten einfach durchführen.
Komplette Lösung für mehr Pressen- Produktivität
Pilz verfügt über eine langjährige Erfahrung in Sachen Pressen-Retrofit: Zahlreiche Faktoren wie die Erneuerung der Verkabelung oder der Ventile spielen eine entscheidende Rolle, besonders für die Pressensicherheit.
Die Presse bekam schließlich einen komplett neuen Motor als Hauptantriebsmotor, der nun bei einem Ausfall jederzeit schnell getauscht werden kann. Zudem wurden die Pressensicherheitsventile und die gesamte Pneumatik ausgetauscht. Der Umbau betraf vor allem aber die Erneuerung des kompletten Schaltschranks samt der Verkabelung. Als übergeordnete Steuerung wurde die Steuerung PSSuniversal PLC aus dem Automatisierungssystem PSS 4000 verbaut. Darin stehen unterschiedliche Hardware-Geräteklassen zur Verfügung. Alle Steuerungs- und E/A-Systeme sind modular aufgebaut. So sind diese in unterschiedlichen Lösungen einsetzbar und dabei auch erweiterbar.
Das alte mechanische Nockenschaltwerk wurde durch eine elektronische Lösung von Pilz ersetzt: Einer Kombination aus Steuerung, speziellen Softwarebausteinen und dem Drehgeber PSENenco. Die Montage ist denkbar einfach: Der komplett redundant ausgeführte sichere Drehgeber PSENenco wird auf die Welle aufgesetzt und justiert. Er übermittelt über eine SSI-Schnittstelle (Synchron-Serielle-Schnittstelle) die aktuellen Geberwerte an die Steuerung. Daraus errechnet das Softwareprogramm den jeweiligen Arbeitswinkel der Presse. Auf diese Weise lassen sich Winkelberechnung, Hubzahl oder Drehrichtung für jede Bewegung sicher ermitteln. Ein aufwändiges mechanisches Nachstellen des Sicherheitssystems entfällt.
Somit können von der Dynamisierung des Nachlaufnockens bis hin zur internen Wellenbruchüberwachung Pressenlösungen sicher, flexibel und wirtschaftlich realisiert werden. Für das Einstellen des Hoch- und Nachlaufnockens bedarf es lediglich dreier Parameter. Für Pressen mit variabler Hubzahl wird der Nachlaufnocken sicher und dynamisch ermittelt. Mit jedem Stopp der Presse wird der Nachlaufweg automatisch neu berechnet, um als Ergebnis einen stets exakten Haltepunkt der Presse zu gewährleisten. Ein Überschreiten der gesetzten Grenzwerte wird über den Bildschirm gemeldet, die Presse wird gestoppt.
Umbau bringt vereinfachtes Handling und mehr Komfort
Vor dem Retrofit war die Stößel-Hubverstellung zwar elektrisch, musste aber über eine Skala abgelesen werden. Mit der aktuellen Lösung über ein Wegmesssystem kann der Bediener nun die Position direkt am Bedienterminal, dem Pilz Machine Interface (PMI) 509, sehen. Das Display zeigt jetzt auch Fehlermeldungen im Klartext an, ein früherer mechanischer Stückzähler ist nun über die Software eingebunden. Leistungsfähige 1 GHz-RISC-Prozessoren gewährleisten zügiges Arbeiten auch bei komplexen Anwendungen, alle Daten werden schnell über eine Ethernet-Schnittstelle übertragen.
Die Zustände aller sicherheitsrelevanten beweglichen Teile, wie die seitlichen Schutzgitter, werden nach dem Retrofit durch insgesamt drei magnetische Sicherheitsschalter PSENmag abgefragt. Diese dienen sowohl der Stellungsüberwachung von trennenden Schutzeinrichtungen nach EN 60947-5-3 als auch zur Positionsüberwachung. Die Sicherheitsschalter lassen sich in Reihe schalten und einfach in die Systemumgebung einfügen. Der verdeckte Einbau beugt zudem Manipulation vor.
Nach dem Umbau der Presse stehen dem Bediener viel mehr Informationen zur Verfügung. Schließlich bestanden letzte Schritte in der Programmierung der Sicherheitssteuerung und des Messsystems sowie der Durchführung der Visualisierung. Da handbeschickte Pressen nach einem Umbau von zugelassenen Stellen überprüft werden müssen, wurde diese in letzter Instanz durch den TÜV abgenommen. Eine Einweisung an der Presse arbeitenden Bediener markiert den Schlusspunkt des Projekts.
Der Umbau benötigte 14 Tage: „Gemeinsam mit Pilz konnten wir das Retrofit unserer Presse schnell und reibungslos durchführen“, sagt Markus Kaltenbrunner, Instandhalter Doka Metallbau. „Früher wurde sehr viel Wert auf Robustheit gelegt. So etwas ist neu fast nicht mehr zu bekommen. Mit dem Umbau konnten wir nicht nur Kosten sparen, sondern die Presse auch dahingehend umbauen, damit wir sie nach heutigen Gesichtspunkten auch optimal einsetzen können“, erklärt Kaltenbrunner die Vorteile des Retrofit. Aus „altem Eisen“ wurde eine neuwertige Presse, die an Produktivität, Verfügbarkeit und Sicherheit „jungem Eisen“ in keiner Weise nachsteht. •
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