Zu jedem Autoreifen gehört heute ein Sensor, der den Druck im Reifen misst und per Funk ein Signal an eine Empfangseinheit sendet. Damit ist ein Millionenmarkt für Automobil-Zulieferer mit Sensor-Know-how entstanden und zugleich ein interessantes Geschäftsfeld für Spezialisten der Automatisierungstechnik und Robotik.
Zur zweiten Gruppe gehört die MMS Modular Molding Systems GmbH mit Sitz im österreichischen Berndorf. Das 2008 von Peter Buxbaum gegründete Unternehmen hat sich auf verkettete, modular aufgebaute Anlagen für die Produktion von Hybridbauteilen aus Kunststoff und Metall konzentriert. Die Lösungen der Österreicher sind nach eigenen Angaben innovativ, produktiv und effizient. Für den chinesischen Automobilzulieferer BH Sens projektierte und baute MMS als Systemanbieter eine kompakte und vollautomatisierte Montageanlage für Reifendrucksensoren, die direkt an das Reifenventil angebaut sind.
Alle sechs Sekunden ein fertiger Sensor
Zu den Anforderungen gehörte neben der Montage von zehn Bauteilen zum fertigen Reifendrucksensor auch die Integration diverser Prüfschritte. Zudem erwarteten die Chinesen eine hohe Verfügbarkeit der vollautomatischen Anlage und eine kurze Taktzeit. Vier Millionen fertige Sensoren pro Linie im Jahr war die Zielgröße. Alle sechs Sekunden sollte ein fertiger Sensor entstehen. Flexibilität war ebenfalls gefragt, denn es müssten drei Sensorvarianten mit unterschiedlichen Platinen montiert werden.
„Die Montage startet mit einem Rundtakttisch“, beschreibt Stefan Babka, Konstrukteur und Projektmanager bei MMS, den Werdegang der einzelnen Komponenten bis zum kompletten Reifendrucksensor. „Das Handling der Bauteile übernehmen dabei drei Roboter von Stäubli.“ Das erste Scara-Modell direkt am Rundtakttisch entnimmt die Platine aus einem Tray und legt sie in einen Werkstückträger ein. Der zweite Roboter entnimmt die Batterie aus einem anderen Tray und legt sie im nächsten Schritt auf der Platine ab. Um eine durchgängige Bauteilkontrolle und Dokumentation der Mess- und Prüfdaten zu gewährleisten, werden die Bauteile über einen Beschriftungslaser mit einem Data-Matrix-Code versehen, der vor jeder Station individuell eingelesen und ausgewertet wird.
Spannungstest gehört zur Qualitätssicherung
Nach den Prozessen und Qualitätskontrollen, zu denen zum Beispiel ein Spannungstest im Sechs-Sekunden-Takt gehört, geht es auf einem Linear-Transfersystem weiter zu einzelnen Druckkammern, wo die Luftdichtheit der fertig verschweißten Bauteile kontrolliert wird. Bei einem abschließenden Test wird die Kommunikation mit der Fahrzeugelektronik simuliert und damit eine hundertprozentige Funktionalität der einzelnen Sensoren sichergestellt. Ganz am Ende des Prozesses wird der Sensor auf das Ventil montiert und die Baugruppe automatisch verschraubt. Das geschieht wiederum auf einem Rundtakttisch. Schließlich wird die Sensor-Ventil-Kombination verpackt. Das fertige Produkt wird gleichermaßen in der Erstausrüstung und im Aftermarket genutzt.
Das Handling der Platine übernimmt ein TS2-80
Die drei Scara-Roboter stammen aus der TS2-Serie des Herstellers Stäubli und kommen in drei verschiedene Baugrößen zum Einsatz. Das Handling der Platinen übernimmt ein TS2–80. Die Batterie wird von einem TS2–60 eingelegt, der mit einer längeren Pinole ausgestattet ist. Für das kameragestützte Einlegen der Dichtung ins Gehäuse kommt der TS2–40 zum Einsatz.
Für die Modelle von Stäubli entschieden sich die Konstrukteure bei MMS wegen der idealen Interaktion mit den Kamerasystemen zur Bauteilausrichtung und der Kommunikation mit den Anyfeedern. Da die Bauteile nur in vier Achsen bewegt werden müssen, hat man sich für Scara-Modelle und nicht für Sechsachsroboter entschieden, die zudem in dieser Anwendung langsamer gewesen wären. Natürlich waren auch die guten Erfahrungen aus vergangenen Projekten und dem Engineering-Support in der Projektierungsphase wichtige Gründe, warum die Entwickler bei MMS Stäubli als Systempartner für die Robotik gewählt haben. Und nicht zuletzt profitierten die Mitarbeiter bei SBA Engineering, einem Partner von MMS, bei der Programmierung von der uniVALplc-Schnittstelle der Stäubli-Roboter, über die eine einfache Anbindung an die übergeordnete S7-Steuerung von Siemens möglich ist. Zudem wird bei MMS die integrierte Sicherheitstechnik geschätzt.
Feeder-System mit automatischer Abschiebung
Die Anlage arbeitet die automatisierten Prozessschritte, von denen es mindestens 14 gibt, auf einer kompakten Fläche ab. Für die geforderte Flexibilität hat MMS gesorgt, denn ein Variantenwechsel ist ohne Hardware-Umbau möglich. Noch nicht einmal die Greifer müssen in diesem Fall getauscht werden. Auch eine kleine Eigenentwicklung macht den Produktwechsel nochmals einfacher. So hat MMS beim Feeder-System eine automatische Abschiebung nachgerüstet, wodurch der Bediener das Fördersystem nicht manuell leerräumen muss. Vielmehr werden die Teile automatisch aus dem Feeder bewegt und über ein Förderband abtransportiert
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Roboterauswahl war aus Sicht von MMS die hohe Verfügbarkeit. Schließlich läuft die Anlage rund um die Uhr mit kurzer Taktzeit. Wegen der kleinen Bauteile, die gehandhabt werden, ist die langfristige Präzision ein zusätzliches Entscheidungskriterium. Und auch die weichen Faktoren stimmen nach Ansicht von Firmengründer Peter Buxbaum: „Als Systemintegrator sind wir auf die Expertise unserer Kernpartner angewiesen und Stäubli bietet eine gute Kundenbetreuung in Österreich und in Bayreuth.“ So werden die Österreicher zum Beispiel bei Simulationen bestens unterstützt. Zudem sei die Reaktionszeit auf jede Frage kurz und das bei hoher fachlicher Qualität des Supports.
Doch wie kommt eigentlich ein chinesischer Automobilzulieferer auf einen österreichischen Systemintegrator in Berndorf, wenn er eine komplexe Fertigungsanlage braucht? Hier spielt neben Kompetenz und Know-how auch Eigeninitiative eine Rolle. Der Firmeninhaber Peter Buxbaum hat 2015 an einer Unternehmerreise nach China teilgenommen, über die der Kontakt am Ende zustande kam. MMS konnte mit seinem Projektvorschlag überzeugen. Obwohl der Systemintegrator noch ein junges Unternehmen ist, stehen auf der Referenzliste diverse Global Player der Automobil- und Elektronikindustrie. „Mit unserem Angebot an verketteten Anlagen, die viele Produktions-, Montage- und Prüfprozesse kombinieren, haben wir uns in der Automatisierungstechnik als Spezialist etabliert“, bringt es Buxbaum auf den Punkt. Mit der innovativen Montagelinie für China unterstreicht MMS dieses Statement. (us)
Kontakt:
Stäubli Tec-Systems GmbH Robotics
Theodor-Schmidt-Straße 19/25
95448 Bayreuth
Tel. +49 921 883–3212
s.koban@staubli.com
www.staubli.com
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