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Plug&Play im besten Sinne

Elektrische Antriebstechnik: Mehr Freiheit durch steckbare Funktion
Plug&Play im besten Sinne

Standardisierte Schnittstellen auf der Basis von Bustechnologien sind das A und O in der Antriebstechnik. Damit gelingt die Inbetriebnahme einer Fertigungslinie in kürzester Zeit, da die einzelnen Bearbeitungs-, Montage- und Transportstationen als autonome Maschinenmodule konzipiert und als solche bereits beim Maschinenbauer fertig in Betrieb genommen wurden.

Der Anlagenhersteller ThyssenKrupp Krause hat in Michigan in einer neuen Getriebefabrik von Ford ganze Arbeit geleistet. In kürzester Zeit wurde eine Fertigungslinie bestehend aus 60 Maschinen und zehn Kopfsteuerungen via Ethernet-Standard Profinet und Siemens-Simatic-Komponenten zu einer produktionsbereiten Fertigung verknüpft und in Betrieb genommen. Auch die oberpfälzische Baumann GmbH, die leistungsfähige Handling-Maschinen für die Automatisierung von Produktionsprozessen baut, setzt bei ihrer neuesten Entwicklung auf steckbare Produkte, hier des Antriebsherstellers Lenze. Diese Baumann-Sembox erreicht auf Basis moderner Antriebs- und Steuerungstechnik Spitzenwerte bezüglich Präzision, Geschwindigkeit und Traglast. Damit eignet sich die neue Maschine für schnelle Pick&Place-Aufgaben, das Dispensen oder das Waver-Handling geeignet.

Das Know-how heutiger Unternehmens zeigt sich nicht nur in ihren Produkten. Um im globalisierten Wettbewerb zu bestehen, investieren Betriebe in flexible Produktionslösungen, die schnell konstruiert, montiert und in Betrieb genommen werden können. Behauptet sich das Produkt am Markt, lassen sich die modular aufgebauten Systeme gezielt verbessern. „In der Praxis sparen Anwender beispielsweise mit einem Baukasten für Handlingsysteme bis zu 70 Prozent der sonst notwendigen Fertigungsteile und verkürzen die Konstruktionszeiten um rund 30 Prozent“, sagt Bernd Schunk, Geschäftsleiter Vertrieb des Geschäftsbereichs Linear Motion and Assembly Technologies der Bosch Rexroth AG in Lohr. Aufeinander abgestimmte Module machen Fertigungsteile als Verbindungsstücke zwischen Einheiten unterschiedlicher Lieferanten überflüssig und sorgen für einheitliche Schnittstellen. Damit die Module eines modernen Montage- und Handling-Systems problemlos erweitert werden können, darf die Anlage nicht als monolithisches System betrachtet werden. Dezentrale Steuerungen und fein skalierbare Antriebe erhöhen die Flexibilität im Betriebsalltag. Offene Schnittstellen zu allen gängigen Feldbussen sind dabei Pflicht, damit die Einheiten untereinander kommunizieren können. Der Universalbus Sercos III bringt hier spürbare Vorteile. Bewährte Echtzeitmechanismen auf Basis einer Ethernet-Architektur sorgen für zukunftssichere Anwendungen. „Eine durchgängige und offene Engineering-Umgebung für alle intelligenten Komponenten ist der Schlüssel für eine deutliche Verkürzung von Projektlaufzeiten“, betont Schunk.
Moderne Antriebstechnik nach dem Plug&Play-Prinzip bringt auch die neue C-Klasse von Daimler schneller auf die Straße. Mit dem Standard IntegraDCX-Ansatz der Mercedes Car Group halten auch die Antriebskomponenten von Lenze Einzug in die Produktionsanlagen in Sindelfingen, Bremen und East-London in Südafrika. Die Produktpartnerschaft zwischen der heutigen Daimler AG aus Stuttgart sowie der Hamelner Lenze AG beinhaltet die Lieferung von mechanischen und elektronischen Antriebskomponenten für zentrale und dezentrale Strukturen. Im Einsatz sind beispielsweise die neuen Regler der Reihe Servo Drives 9400, dezentrale Steuerungen der Reihe LCU sowie eine umfangreiche Palette an Getriebe- und Servomotoren. Der L-force Engineer bietet als durchgängige Engineeringsoftware zudem den Vorteil, dass Parametrierung, Programmierung und Diagnose mit einem einzigen Tool durchzuführen sind. Eine Triebfeder bei der Entwicklung des Fertigungsstandards der Mercedes Car Group war die Standardisierung der eingesetzten Komponenten und die Integration der Sicherheitstechnik in die Antriebsebene. Die Anlagen an den drei Standorten sind die ersten weltweit, in denen alle Komponenten über einen durchgängigen Sicherheitsbus angesprochen werden.
Sicherheit wird zum Anlagenkonzept, weil eine Produktionsanlage mit dezentraler Intelligenz flexibel auf Anforderungen reagieren kann. Vor allem sinken Produktionsausfälle durch ungeplante Stillstandszeiten. Und gleichzeitig werden alle Sicherheitsnormen erfüllt – ob im Presswerk, im Rohbau, in der Lackierung, beim Transport, bei der Montage oder auf dem Prüfstand. Drive-based Safety macht es möglich, weil die Sicherheitstechnik in die Steuerungs- und Antriebstechnik integriert ist. Zur Kommunikation wird nur noch ein Sicherheitsbussystem benötigt. Die direkte Aktor-Sensor-Verbindung macht dezentrale Sicherheitsschaltgeräte überflüssig. Auch die Netzschütze für Antriebsregler entfallen. Es sind also weniger Komponenten erforderlich als bei traditionellen Automatisierungslösungen, wo die Sicherheitstechnik immer getrennt von der allgemeinen Steuerungs- und Antriebstechnik war.
In einem weiteren Beispiel ist für eine gleich bleibend hohe Qualität von Transportbändern der Konstanzer Benninger Zell für oft Hunderte von Kilometern lange Strecken absolut konstante Züge, Temperaturen und Zeiten beim Imprägnieren ein Muss. Benninger realisiert dies mit Steuerungs- und Antriebstechnik der Nürnberger Siemens AG. Die Sollvorgaben macht ein redundantes PC-System, das via Ethernet mit der Anlagensteuerung Simatic S7-400 kommuniziert. Die Antriebe müssen hoch präzise drehzahlregelbar sein und Gleichlauftoleranzen von 0,1 % dauerhaft einhalten. Die Lösung kommt aus der Sinamics-Familie und fügt sich nahtlos in die Systemplattform Simatic Step 7 ein, was maximale Durchgängigkeit in der Projektierung/Programmierung sowie bei der Kommunikation und Datenhaltung zwischen Steuerungs-, HMI- und Antriebsebene bedeutet und somit vom Engineering bis hin zur (Fern-)Diagnose viele Arbeiten wesentlich vereinfacht. Benninger hat die Modularität und Skalierbarkeit des neuen Sinamics-Systems genutzt und ein auch für künftige Anlagen gültiges, weil einfach übertragbares und modifizierbares Antriebskonzept entwickelt. Dabei wird je eine Sinamics Control Unit CU320 für die Motoren der Anlagensektionen Abwickler, Verfahrensteil und Aufwickler eingesetzt. Die digitale Systemschnittstelle Drive-Cliq verbindet die zugehörigen Komponenten und eliminiert jegliche, bei Kabellängen von über 100 m zuvor sporadisch aufgetretene Probleme bei der Signalübertragung. Einen zusätzlichen Vorteil sieht der Maschinenbauer auch im geprüften und dadurch vom Start weg funktionierenden Zusammenspiel der Umrichter mit den Norm-Asynchron-Motoren – ein weiteres, die Inbetriebnahme verkürzendes Detail.
Die Zukunft gehört der standardisierten Peripherie, sagen auch Vertreter anderer Technikbereiche, wie beispielsweise Gerald Mies, Geschäftsführer von Fanuc Robotics Deutschland GmbH aus Neuhausen. Es klingt zwar kompliziert, für alle Antriebsfälle eine Lösung aus Standards zu entwickeln, ist aber einfach. Denn die Kombination Antrieb/Bussystem ist bei vielen Anbietern standardisiertes Equipment mit einem Maximum an Flexibilität. Gerade für die Montage und Handhabungstechnik ist es wichtig, dass alle Antriebskomponenten mit den PC-basierten Steuerungssystemen als mechatronische Lösung zusammen arbeiten inklusive der integrierten Sicherheitstechnik. Anbieter Lenze sieht in seinem Drive-based-Safety-Ansatz gerade in der Handhabungstechnik Vorteile. Unmittelbares Reagieren ist unerlässlich, um schnelle Maschinenbewegungen in kürzester Zeit zum Stoppen zu bringen. Jeder Sekundenbruchteil zwischen der Auslösung eines Signals und dem Einleiten einer Sicherheitsfunktion zählt, verkürzt dabei den Weg, den Maschinenmodule noch zurücklegen können. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, dort in den Prozess einzugreifen, wo die Gefahr bringende Bewegung ausgelöst und gesteuert wird – direkt im Antriebsregler. Beispiele für anspruchsvolle Sicherheitsfunktionen sind sicher begrenzte Geschwindigkeit, sicher abgeschaltetes Moment, sicherer Stopp 1/2 und die sichere Kaskadierung. Zusätzlich verfügbar sind die sichere Parametrierung der gesamten Anlage, Betriebsartenwahlschalter mit Zustimmtaster-Funktion sowie Profisafe-Kommunikation via Profibus.
Auch die Siemens AG legte bei der Entwicklung einer neuen Antriebsfamilie für dezentrale Anwendungen sehr viel Wert auf Standards. Einerseits, weil dezentrale Antriebe ihre Daseinsberechtigung in vielen Industrieapplikationen ihre Daseinsberechtigung haben, aus industriellen Fördereinrichtungen sind sie schon aufgrund der eingesparten Kabelwege kaum noch wegzudenken. Andererseits bieten sie achsnah montiert die besten Voraussetzungen für modulare Anlagenkonzepte, bei denen der Feldbus samt integrierter Sicherheitsfunktionen und die Energieversorgung schon die vollständige elektrische Schnittstelle jedes Maschinenmoduls darstellen.
Als Mitglied der Sinamics-Familie wird der neue Antrieb mit den bekannten Engineering-Tools Sizer und Starter projektiert und in Betrieb genommen. Darüber hinaus ist er 100 % softwarekompatibel zum bekannten Sinamics G120, der Schaltschrankvariante des Umrichters, und zwar bis auf das Bit: Beide Gerätevarianten haben die gleiche Firmware. Eine gesonderte Behandlung des neuen Frequenzumrichters bei der Programmierung entfällt damit. Der neue Antrieb kann von einem beliebigen Profibus-Anschluss der Anlage aus in Betrieb genommen, diagnostiziert und softwareseitig gewartet werden. Die zeitraubende Lauferei zu jedem dezentralen Antrieb einer Anlage bei der Inbetriebsetzung gehört damit ebenso der Vergangenheit an.
Für beschleunigten Service bei gestörtem oder defektem Leistungsteil kann die Regelungsbaugruppe im laufenden Betrieb mit allen angeschlossenen Kabeln vom Leistungsteil getrennt und auf das neue Leistungsteil aufgesteckt werden. Ohne Neustart des Antriebs, der Automatisierung oder der Anlage kann der Betrieb wieder aufgenommen werden. Schon mit einem einfachen Imbusschlüssel ist der Tausch eines halbwegs zugänglich montierten Leistungsteiles in deutlich unter 10 min möglich. Vereinfachung lautet das Credo aller Anbieter. Von Vorteil ist allerdings derjenige, der alle notwendigen Komponenten aus einer Hand anbieten kann und so eine enge Integration bietet.
Praxisgerechte Funktionen für durchgängige Antriebstechnik
Handhabungstechnik setzt auf Standardkomponenten

Marktchancen
Die Produktion wandelt sich. Nicht so schnell wie viele sagen, aber nachhaltiger als viele glauben. Nur Hersteller, die ihre Maschinen schneller, bedienerfreundlicher und kosteneffektiver bauen, werden im globalisierten Wettbewerb bestehen. Leistungsfähige, intelligente Antriebstechnik bildet die Grundlage zur Bewältigung dieser Aufgabe. Doch erst im Zusammenspiel mit abgestimmten Automatisierungskomponenten kommt ihr ganzes Können zur Geltung.
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