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„Roboter ohne Kamera, das geht gar nicht“

Dr. Olaf Munkelt über die Rolle der Bildverarbeitung in der Automobilindustrie
„Roboter ohne Kamera, das geht gar nicht“

Bildverarbeitung | Die Autobauer treiben seit jeher die Automatisierung voran. Die ebenfalls innovationsfreudige Vision-Branche ist dabei ein wichtiger Partner. Wir fragten MVTec-Geschäftsführer Dr. Olaf Munkelt, wie es ist, ständig an der vordersten Technik-Front zu agieren. §

Autor: Uwe Böttger

Herr Dr. Munkelt, Roboter sind die Arbeitstiere im Automobilbau und in diesem Industriezweig allgegenwärtig. Wie viele der stählernen Werker sind mit einer Kamera ausgestattet?

Heute verfügen die meisten Roboter in der Automobilindustrie über eine Kamera. Es gibt aber auch die Variante, dass die Kamera nicht direkt am Roboter, sondern an einer anderen Stelle in der Fertigung montiert ist und von dort aus den Produktionsabschnitt aufnimmt. Die aufgenommenen Daten unterstützen aber in gleicher Weise die Robotersteuerung.
Wie sieht die Unterstützung genau aus?
Sie ist vielfältig. So wird zum Beispiel die Position von Objekten bestimmt, damit der Roboter besser greifen kann. Kameras identifizieren unterschiedliche Werkstücke und steuern so den Prozess. Und die Bildverarbeitung hilft dem Roboter dabei, seine Werkzeuge selbstständig zu wechseln. Überspitzt formuliert: Ein Roboter ohne Kamera, das geht gar nicht.
In Zukunft sollen Roboter und Werker näher zusammenrücken. Kann die Bildverarbeitung diese Entwicklung fördern?
Ja, denn sie sorgt für mehr Sicherheit. Und dafür gibt es verschiedene Techniken. Eine heißt „3D-Scene-Flow“ und ist speziell dafür gedacht, die Sicherheit und Flexibilität bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu erhöhen. Das Stichwort sind hier die kollaborativen Roboter. Außerdem kann der Anwender mit der Technik verschiedene Aufgaben kombinieren. So lassen sich zum Beispiel die gleichen Kameras nutzen, um Objektpositionen zu bestimmen, Greifprozesse zu planen und Qualitätsprüfungen wie Farb- oder Oberflächenkontrolle zu erledigen. Und nebenbei erfüllen sie noch Identifikationsaufgaben und lesen Bar- oder Datacodes.
Welche Aufgabenbereiche werden in der Automobilindustrie durch die Bildverarbeitung abgedeckt?
Nahezu alle Bereiche profitieren von der Bildverarbeitung. Kameras optimieren die Qualitätssicherungsverfahren und unterstützen die Identifikationstechnik in den Logistikprozessen. Weitere Einsatzszenarien sind die Robotersteuerung und die Qualitätskontrolle in der Endmontage. Hinzu kommen bildgestützte Fahrerassistenzsysteme in Fahrzeugen außerhalb der Produktion.
Die Anforderungen der Automobilisten sind sehr hoch. Was muss der Vision-Hersteller mitbringen, um in dieser Branche zu bestehen?
Wegen der hohen Qualitätsanforderungen in der Automobilbranche müssen Bildverarbeitungslösungen sehr robust, zuverlässig und leistungsfähig sein. Und wegen des enormen Preisdrucks in der Automobil- und Zulieferindustrie sind kostensensible Produkte gefragt, die einen maximalen Nutzwert bieten und Kostensenkungen möglich machen. Unabdingbar ist zudem eine langfristige Verfügbarkeit der Vision-Produkte einschließlich Support.
Welches technische Wissen ist vor allem gefragt?
Im Automobilbau sind umfassende Kenntnisse in allen Vision-Techniken notwendig. Das fängt an bei einfachen 2D-Vermessungsmethoden und reicht bis zur 3D-Bildverarbeitung und Bildfolgenanalyse. Wird die Vision-Technik in Fahrzeugen, Robotern oder intelligenten Kameras integriert, dann muss sie auf unterschiedlichen Plattformen lauffähig sein. Das Stichwort lautet hier „Embedded Vision“.
Unterscheiden sich die Anforderungen der Autobauer an die Vision-Systeme im Vergleich zu anderen Branchen?
Als Querschnittstechnologie wird die Bildverarbeitung in unterschiedlichen Branchen eingesetzt. Die Besonderheit bei den Autobauern ist der hohe Automatisierungsgrad und die strengen Qualitätsanforderungen bei gleichzeitiger Kostensensibilität. In Zusammenarbeit mit dem VDI entstand deshalb zur Unterstützung beim Aufbau von Bildverarbeitungslösungen eine VDI/VDMA-Richtlinie.
Welche Rolle spielt die Automobilindustrie für die Vision-Branche?
Die Automobilisten treiben seit jeher die Automatisierung von Produktionsprozessen voran. Das Spektrum reicht vom Fließband über die robotergestützte Fertigung bis zur aktuellen Produktion unter Industrie 4.0.
Von daher sind die Autobauer zusammen mit der Zulieferindustrie schon immer die „Early Adopter“ der Vision-Technik. Zudem zeichnet sich insbesondere die deutsche Automobilindustrie durch eine besondere Innovationskraft aus. Die ebenfalls stark auf Innovationen ausgerichtete Vision-Branche ist dabei der ideale Partner, um den Bedarf an neuen Techniken zu decken.
Spiegelt sich die Sonderstellung der Automobilisten auch wirtschaftlich wider?
Das kann man wohl sagen. Die Automobilindustrie ist mit einem Umsatzanteil von 23 Prozent der größte Kunde der Bildverarbeitungsbranche.
Laut einer Studie des Fraunhofer IAO hat das Elektroauto in Deutschland auf absehbare Zeit nur begrenzte Marktchancen. Sechzig Prozent der Verbraucher würden erst dann ein Auto mit elektrischem Antrieb kaufen, wenn es zu einem vertretbaren Preis die vom Verbrennungsmotor gewohnten Fahrleistungen bringt. Kann die Bildverarbeitung die Auto-Entwickler an dieser Stelle wirksam unterstützen?
Mit Vision-Lösungen lassen sich bei der Erstellung der Komponenten für Elektrofahrzeuge Kosten einsparen und qualitativ höherwertige Produkte herstellen. Die Produktionsprozesse werden flexibler und damit auch für kleinere Losgrößen bezahlbarer. Das gilt auch für die Herstellung der teuersten Komponente eines Elektroautos, der Batterie.
Wie kann die Bildverarbeitung an dieser Stelle helfen?
Je passgenauer die einzelnen Schichten einer Batterie übereinandergelegt werden, desto höher ist die erzielbare Energiedichte. Und dabei hilft die Bildverarbeitung. Zudem unterstützen Vision-Lösungen die Forschung wie etwa bei der Analyse und Auswertung von Tests neuer Fahrzeugaufbauten oder der Erforschung neuer Materialien. Dadurch lässt sich die Fahrleistung von Elektrofahrzeugen weiter verbessern.
Wie könnten Vision-Systeme in zehn Jahren aussehen und welche Aufgaben könnten diese dann in der automobilen Fertigung übernehmen?
In zehn Jahren sind die heute diskutierten Konzepte von Industrie 4.0 längst umgesetzt und gehören zur gelebten Praxis. Vision-Verfahren spielen dabei eine zentrale Rolle. Unterschiedliche Werkstücke werden schnell und zuverlässig erkannt. Mit den gewonnenen Daten lassen sich die Produktionsprozesse optimal steuern. Außerdem wird die Technik die Wartung von Produktionsanlagen revolutionieren. Vision-Lösungen erkennen die Maschinenbestandteile automatisch und blenden geeignete Handhabungs-Informationen in mobilen Geräten ein. Die Logistik der internationalen Zulieferwege wird durch Bildverarbeitung sicherer und gleichzeitig schneller. Und nicht zuletzt wird die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine im Fertigungsprozess erweitert und die Sicherheit auf ein hohes Niveau gehoben. •

Die Vision-Profis
Die MVTec Software GmbH ist ein internationaler Software-Hersteller für die industrielle Bildverarbeitung. Die Produkte werden weltweit in unterschiedlichen Anwendungsgebieten eingesetzt. Hierzu zählen die Halbleiterindustrie, die Oberflächeninspektion von Geweben und anderen Materialien, die Qualitätskontrolle, die Medizintechnik und die Sicherheitstechnik. Darüber hinaus bieten die Spezialisten aus München kundenorientierte Dienstleistungen an. Diese reichen von der Beratung über Projektstudien bis hin zu Prototypen und integrierten Applikationslösungen. Das Unternehmen realisiert viele Anwendungen mit handelsüblicher Hardware, auch mit Echtzeit-Anforderungen. Das Team verfügt über langjährige Erfahrung in der Handhabung von Bildsequenzen und bietet Know-how für die Verarbeitung von CT-, MR- und Röntgen-Bildern. Die Mitarbeiter sind hochqualifizierte Experten, die teilweise schon zwanzig Jahre in der Bildverarbeitung zuhause sind und somit die Entwicklung der Technik seit ihren Anfängen in den neunziger Jahren mit gestaltet haben. (ub) •
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