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Taktgeber für Produktivität

Modulare Montageautomation: Die Anlage wächst mit den Anforderungen
Taktgeber für Produktivität

Filigrane Montageaufgaben lassen sich mittlerweile auch bei kleinen Losgrößen automatisieren. Die Pick&Place-Technik spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Tack, Tack, Tack – in der auffallend ruhigen und aufgeräumten Montagehalle des Herstellers von Elektroinstallationstechnik entstehen Steckdosen im Sekundentakt. Vollautomatisch werden hier pro Stunde über 2500 dieser Massenprodukte aufgebaut, zusammengesteckt und verschraubt.

Bis vor wenigen Wochen wurden die erforderlichen Arbeitsschritte noch sehr viel langsamer von Menschenhand durchgeführt. Seit August werkeln dafür sechs automatisierte Montagezellen mit insgesamt 48 Arbeitsstationen. Darin integriert sind pneumatische Pick&Place-Einheiten des Lieferanten Schunk. Die auf den Bau von Sondermaschinen spezialisierte Hahn Automation GmbH hat die robusten Hochleistungs-Greifer auf so genannten Rundtakttischen angeordnet. Diese sich drehenden stählernen Teller haben einen Durchmesser von 0,8 bis 1,5 m und übernehmen innerhalb einer Zelle die Beförderung der Werkstücke zwischen den Arbeitsstationen. Die Ingenieure von Hahn haben die Gesamtanlage geplant, gebaut und geliefert.
Die einzelnen Zellen sind über verschiedene Fördertechniken miteinander verbunden, so dass ein durchgängiger Produktionsprozess entsteht. „Die modulare Bauweise unserer Anlagen hat sich bewährt“, berichtet Hahn-Marketingleiter Torben Fibich. Die Abmessungen der Zellen sind genauso normiert wie die Farbgebung, so dass die wie Vitrinen-Schränke nebeneinander stehenden Module ein einheitliches Bild ergeben. Dieses Bild bleibt auch erhalten, wenn die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt einmal verändert werden muss. Hier liegt einer der Vorteile der modularen Bauweise, die sich in der automatisierten Montagetechnik zunehmend durchsetzt. „Das Layout der Anlage und die Abläufe lassen sich leicht anpassen oder erweitern“, so Fibich. Denn ein weiterer Trend in der Montagetechnik ist das Mitwachsen der Anlagen. „Diesen Ansatz unterstützen wir mit unseren Komponenten aus dem Baukasten für die modulare Montageautomation“, sagt Matthias Poguntke, Leiter Produktmanagement und -marketing Automation bei Schunk.
Viele Kunden wollen die Vollautomatisierung ihrer Montageprozesse nicht auf einmal, sondern lieber in mehreren Schritten vollziehen. Für ein solches Vorgehen kann es verschiedene Gründe geben. Entweder muss die Automatisierung mit der personellen Entwicklung Schritt halten, oder ein Unternehmen möchte erst einmal Erfahrungen mit der neuen Montagetechnik sammeln, bevor sie sich hundertprozentig auf die Maschinen verlässt. Aber auch finanzielle Gründe sprechen für den stufenweisen Ausbau.
Ein weiterer Trend in der Montagetechnik ist die höhere Flexibilität der Maschinen. „Auf einer Anlage müssen verschiedene Produkte ohne lange Umrüstzeiten montiert werden können“, sagt Fibich. Bei einem Modellwechsel müssen sich die Maschinen ohne allzu großen Aufwand auf die neuen Formen und Einzelteile einstellen lassen. Für einen Produzenten von Rohrsystemen hat Hahn die geforderte Flexibilität bereits auf die Spitze getrieben. Dort werden 450 Produkte, die sich durch Winkel, Bögen, End- und T-Stücke mit unterschiedlichen Durchmessern voneinander unterscheiden, vollautomatisch mit Dichtungen versehen. „Wir haben die Maschinen so gebaut, dass sie sich praktisch ohne Rüstzeiten per Programmanwahl auf unterschiedliche Artikelformen und -abmessungen einstellen lassen“, erklärt Fibich. „Damit ermöglichen wir unserem Kunden trotz Automatisierung die Losgröße Eins.“ Möglich wird so etwas durch eine ausgeklügelte Maschinensteuerung, die im beschriebenen Fall rund 50 elektrische Servo-Antriebe in Bewegung setzt, mit denen zum Beispiel die Spannvorrichtungen der Werkstückträger für das neue Maß justiert werden.
Fibich stellt noch weitere Trends fest: So bevorzugen die Hersteller heute mehrere kleinere Maschinen-Center, die insgesamt die gleiche Leistung bringen wie eine große Montagelinie. Auch diese Maßnahme erhöht die Flexibilität und die Ausfallsicherheit. Erkennbar sei zudem der Trend zur Miniaturisierung. Die Fortschritte in der Roboter- und Maschinentechnik ermöglichen die Automatisierung von Prozessen, die bislang nur manuell durchgeführt werden konnten.
Die filigranen Greifer können immer kleinere Werkstücke aufnehmen und absetzen. Dadurch eröffnen sich der Industrie neue Möglichkeiten in der Rationalisierung. Die Entwicklung der Pick&Place-Technik ist damit ein wesentlicher Taktgeber für die Produktivität. Die Anforderungen an Schnelligkeit, Haltbarkeit und vor allem Zuverlässigkeit der kleinen Greifer ist enorm. Fällt die beschriebene Anlage für Stechdosen nur einen halben Tag aus, fehlen dem Versand 10 000 Einheiten. Der wirtschaftliche Schaden summiert sich schnell. Nicht nur der Umsatzausfall, auch die nicht eingehaltenen Lieferfristen sind gefährlich. Im Zweifel drohen Vertragsstrafen. Und was noch schlimmer ist: Kundenbeziehungen können für immer verloren gehen.
In modernen Anlagenkonzepten kommen deshalb meist pneumatische oder elektrisch angetriebene Lösungen zum Einsatz. Diese bieten dem Anwender größere Freiräume. Im Fall der Steckdosen-Montage entschied sich Hahn für eine pneumatische Variante, die prinzipiell einfacher ist als elektrisch angetriebene Lösungen. Dabei müssen die Kunden längst keine Kompromisse mehr eingehen. Für präzise Highspeed-Anwendungen gibt es mit dem Modell „PPU-P“ von Schunk mittlerweile sogar eine Lösung, die bis zu 120 Picks pro Minute schafft. Der kompakte Tempomacher gewährleistet dabei Wiederholgenauigkeiten von 0,01 mm. Im Gegensatz zu konventionellen pneumatischen Lösungen sind hier die horizontale und die vertikale Bewegung miteinander verschliffen und über eine Kurvenrolle zwangsgeführt. So können beide früher geschaltet werden, was die Zykluszeiten im Vergleich zu konventionellen, pneumatischen Pick&Place-Lösungen um rund die Hälfte verkürzt.
Elektrische Antriebslösungen überzeugen im Vergleich zu den pneumatischen Einheiten durch eine höhere Flexibilität, mehr Dynamik und geringe Betriebskosten. Während pneumatische Lösungen üblicherweise nur zwei Zwischenpositionen bieten, eröffnen Lösungen mit elektrischen Antrieben große Freiräume. Konventionelle, modular aufgebaute Pick&Place-Lösungen arbeiten dabei meist in Z-Richtung mit einem Spindelantrieb und in Y-Richtung mit einem Zahnriemenantrieb. Dieser ist vergleichsweise kostengünstig und erreicht respektable Geschwindigkeiten bis zu 8 m/s.
Im Wettbewerb zu den pneumatischen und elektrisch angetriebenen Lösungen stehen die so genannten Lineardirektantriebe, bei denen zwischen Motor und Schlitten nur eine Schnittstelle liegt. Sie arbeiten fast wartungsfrei und dabei noch präziser und schneller als die beiden anderen Methoden.
Jede Pick&Place-Lösung hat also ihre Stärken und Schwächen. Während modular aufgebaute Lösungen alle denkbaren Anforderungen abdecken, können kompakte Pick&Place-Einheiten vor allem bei Highspeed-Anwendungen punkten. Umso wichtiger ist es, anhand der konkreten Anforderungen eine optimale Kombination zu erarbeiten. Firmen wie Schunk und Hahn arbeiten bereits an der Zukunft: In einigen Jahren soll es endlich Roboter geben, die Teile in verschiedener Form und Größe je nach Bedarf mit einem sicheren Griff aus der Kiste holen und bereitstellen.
Marcus Walter Fachjournalist in Neufahrn

Pick&Place-Lösungen im Vergleich

In früheren Zeiten war die Königswelle der alleinige Taktgeber beim Pick&Place. Doch die mechanischen Lösungen mit geschliffenen Kurvenscheiben, die im definierten Takt definierte Bewegungen verrichten, haben Konkurrenz bekommen: Moderne Lösungen verfügen oft über pneumatische, elektrische oder Lineardirekt-Antriebe.
Pneumatische Lösungen
Pneumatische Pick&Place-Einheiten sind vor allem für einfache Anwendungen konzipiert. Für Unternehmen, die stets identische Teile montieren und kaum über mechatronisches Knowhow verfügen, eignet sich diese Variante besonders, zumal sie in der Anschaffung zwei bis dreimal günstiger ist als elektrische Antriebslösungen. Für einfache Pick&Place-Anwendungen ist die Kombination zweier pneumatisch angetriebener Linearmodule ideal. Indem die Größen, Modelle und Aufbausysteme miteinander kombiniert und die Endlagen eingestellt werden, lassen sich solche Lösungen individuell an die Anwendung anpassen. In der Montageautomation können bei gängigen Hüben von 200 mm horizontal und 100 mm vertikal auf diese Weise Zykluszeiten von 1,2 s erreicht werden. Mit modular aufgebauten Pneumatik-Lösungen sind sogar Hübe bis 1500 mm möglich.
Konventionelle elektrische Lösungen
Konventionelle, elektrisch angetriebene Pick&Place-Lösungen erreichen konstante, hohe Kräfte, was Zuladungen bis 800 kg möglich macht. Mit der Technik sind extrem große Hübe bis 8 m möglich. Obwohl beide Werte in der klassischen Montageautomation nie eine Rolle spielen, zeigen sie doch die große Bandbreite möglicher Anwendungen auf. Durch die selbsthemmende Wirkung des Spindelantriebs können derartige Lösungen auch ohne zusätzliche Absenksperre bei sicherheitsrelevanten Anwendungen eingesetzt werden.
Für die automatisierte Montage kleiner Teile eignet sich die konventionelle Lösung allerdings nur bedingt. Weil Spindel- und Zahnriemenantrieb nicht besonders steif sind, lassen sich mit der Lösung lediglich Wiederholgenauigkeiten von 0,1 mm gewährleisten. Aufgrund der recht umfangreichen Mechanik müssen zudem regelmäßig Verschleißteile ausgetauscht werden, was zusätzlichen Wartungsaufwand verursacht. Bei der hochpräzisen Montage kleiner Bauteile stößt eine konventionelle, elektrisch angetriebene Lösung daher an ihre Grenzen und auch bei sehr kleinen Hüben ist die Technik schnell überfordert. In beiden Fällen empfiehlt es sich, auf Achsen mit Lineardirektantrieb auszuweichen.
Flexible Modullösung mit Lineardirektantrieb
Modular aufgebaute Lösungen mit Lineardirektantrieben bieten hohe Präzision, Flexibilität, Geschwindigkeit und Komfort. Mit der Technik lassen sich zuverlässig Wiederholgenauigkeiten von 0,01 mm erzielen. Allerdings sind die Lösungen in der Anschaffung deutlich teurer als pneumatische oder konventionell elektrische Lösungen. Dies wird umso gravierender, je größer die Achsen sind.
Zusätzlich lassen sich bei direkt angetriebenen Linearmodulen der Hub und die Antriebskräfte individuell definieren und regeln. Vor allem bei häufig wechselnden Teilen zahlt sich diese Flexibilität schnell aus. Bei Fügeprozessen lässt sich zudem die jeweilige Kraft über den Regler messen. Mit Lineardirektantrieben sind Hübe bis 3800 mm möglich. Bei Highspeed-Anwendungen allerdings wirkt sich nachteilig aus, dass der Motor der Vertikalachse jeweils mit bewegt wird. Das erhöht bei hohen Geschwindigkeiten die Gefahr eines Kabelbruchs. Zudem muss wegen des mitfahrenden Motors eine relativ hohe Masse bewegt werden, was auf Kosten der Effizienz geht. Dieses Problem hat Schunk mit seinem Produkt PPU-E mittlerweile gelöst. Hier wird das übliche Prinzip umgekehrt und die beschriebenen Nachteile bleiben aus.

Trends in der Montagetechnik

  • Mehr Flexibilität: Die Anlagen und Maschinen eignen sich zunehmend für die Montage von unterschiedlichen Produkten.
  • Modularer Aufbau von Montagelinien: Das Layout der Anlagen kann ergänzt und verändert werden.
  • Mitwachsende Anlagen: Die Produktivität in der Montage wird schrittweise durch neue Module erhöht, wodurch sich die Investitionskosten verteilen.
  • Kürzere Rüstzeiten: Das Umrüsten der Anlagen wird automatisiert und dadurch beschleunigt. Auch die Montage kleinster Losgrößen lässt sich so wirtschaftlich automatisieren.
  • Kleinere Montageeinheiten: Mehrere Maschinen-Center teilen sich Aufgaben, die früher von einer Montagelinie übernommen wurde. Dadurch erhöhen sich Lieferfähigkeit und Flexibilität.
  • Zunehmende Miniaturisierung: Auch extrem filigrane Teile lassen sich inzwischen automatisch montieren. Dafür sorgen Fortschritte in der Pick&Place- und der Fördertechnik.
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