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Transportroboter optimieren die Produktionslogistik bei Whirlpool

Automatisierung
Transportroboter optimieren die Produktionslogistik bei Whirlpool

Am polnischen Fertigungsstandort in Lodz automatisieren Transportroboter des Herstellers MiR den internen Materialfluss von Whirlpool. Prompt verbesserte sich bei dem Hersteller von Haushaltsgeräten die Produktivität und Arbeitssicherheit.

Das amerikanische Unternehmen Whirlpool gehört zu den führenden Herstellern von Haushaltsgeräten. Die Produktpalette, zu denen Waschmaschinen, Herde und Trockner gehören, wird kontinuierlich weiterentwickelt. Als Global Player ist Whirlpool stets mit makroökonomischen Herausforderungen konfrontiert – seien es steigende Rohstoffpreise, Inflationsdruck oder internationale Handelskonflikte. Zudem muss die Organisation sich auf ständig wechselnde Kundenwünsche einstellen.

Um seine Marktstellung zu festigen und die Preise bei hoher Qualität wettbewerbsfähig zu halten, setzt Whirlpool auf eine umfassende digitale Transformation seiner Prozesse. Dazu zählt auch, die Abläufe in der Fertigung und der Produktionslogistik nach und nach zu automatisieren. Die Strategie kommt auch im polnischen Whirlpool-Werk in Lodz zum Tragen, wo 1500 Mitarbeiter unter anderem Trockner und Herde herstellen. „In unserer Fabrik läuft alle 15 Sekunden ein Trockner vom Band”, berichtet Werksleiter Szymon Krupinski. „Das impliziert einen enormen Aufwand für die Produktionslogistik, mit der viele Einzelteile an die Fertigungslinien transportiert werden müssen.”

Um die Versorgung der Produktionslinien effizienter zu gestalten, waren Krupiński und sein Team auf der Suche nach einer flexiblen Automatisierungslösung. Repetitive Transportgänge sollten nicht länger die Arbeitszeit qualifizierter Mitarbeiter beanspruchen und stattdessen von flexiblen Transportrobotern übernommen werden. Eine zentrale Anforderung an die Lösung war, dass die Roboter die Waren automatisch aufnehmen und abladen können. Zudem sollten sich die Maschinen schnell an die häufigen Veränderungen des Werkslayouts anpassen können, ohne dass dafür aufwendige Umprogrammierungen durchgeführt werden müssen. Kosteneffizienz und Sicherheit spielten für die Planer ebenfalls eine Rolle.

Bei den mobilen Transportroboter des dänischen Herstellers Mobile Industrial Robots, kurz MiR, wurden die Polen schließlich fündig. Die Modelle navigieren mit Hilfe von Laserscannern, Näherungssensoren und 3D-Kameras völlig autonom. So startete Whirlpool im Dezember 2018 einen Testlauf mit dem Modell MiR200. Nachdem dieser erste Versuch erfolgreich war, kamen bald zwei weitere Maschinen des gleichen Typs hinzu. „Die mobilen Roboter erschließen uns einen ganz neuen Weg, Material ohne menschliches Zutun von A nach B zu bringen”, freut sich Krupinski. „So können sich unsere Mitarbeiter auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren.”

Die Hauptaufgabe der Roboter besteht darin, Trocknertüren von der Vormontage zur Montagelinie zu bringen. Auf jeder Fahrt befördert ein Roboter, der bis zu 200 kg tragen kann, zwölf Türen. Ist eine Ladung Türen an der Vormontagelinie abholbereit, geben die Mitarbeiter den Robotern ein entsprechendes Signal. Ein freier Roboter fährt dann selbständig dorthin. Um die Kisten mit Trocknertüren aufzunehmen, bewegt er sich unter den beladenen Rollwagen und hakt sich mit seinem Aufsatz daran fest. Danach fährt er mit dem Rollwagen zur Montagelinie. Kreuzt dabei ein Mitarbeiter und ein Gabelstapler seinen Weg, weicht der Roboter aus oder bleibt stehen. Mit Hilfe einer mechanischen Konstruktion, einem sogenannten Karakuri-System (siehe auch Kasten), lädt er die vollen Kisten ab. Gleichzeitig rutschen leere Kisten auf den Rollwagen nach, die der Roboter abtransportiert, bevor der Zyklus von neuem beginnt. Insgesamt dauert ein solcher Durchlauf knapp vier Minuten.

Zur Steuerung nutzen die Whirlpool-Mitarbeiter das Flottenmanagementsystem MiRFleet. Über eine webbasierte Benutzeroberfläche können sie per Handy, Tablet oder PC darauf zugreifen und ihre Aufträge eingeben. Das System weist den Robotern die Aufgaben automatisiert und in optimierter Reihenfolge zu. Zudem hat das Programmpaket den Batterieladestand der Roboter im Blick und schickt sie bei Bedarf zur Ladestation. Am Produktionsstandort Lodz sind immer zwei Roboter gleichzeitig im Einsatz, während ein dritter als Ersatz an der Ladestation wartet. Auf diese Weise ist ein reibungsloser Materialfluss garantiert. Seitdem die Roboter eingeführt wurden, hat sich das Werkslayout in Lodz mehrmals verändert. Doch mit ihrer modernen Navigationstechnik konnten sich die Roboter den neuen Bedingungen automatisch anpassen.

Die Mitarbeiter kommen mit den neuen Kollegen gut zurecht. „Da die Roboter so einfach zu bedienen sind, können auch Mitarbeiter ohne Programmierkenntnisse gut mit ihnen umgehen“, erklärt Paolo Aliverti, der bei Whirlpool das Logistikprogramm Industrie 4.0 organisiert. „So konnten wir von Anfang an von der neuen Technik profitieren, ohne vorab viel Zeit in Schulungen stecken zu müssen.“

Bevor die Transportroboter eingeführt wurden, waren für diese Aufgabe speziell ausgebildete Mitarbeiter zuständig, die die Bauteile mit Gabelstaplern und Routenzügen von A nach B brachten. Die drei Roboter können heute ein solches manngesteuertes Fahrzeug ersetzen. Die Fahrer wiederum sind jetzt mit anspruchsvolleren Aufgaben beschäftigt. „Da die Roboter die Produktionslinien nun automatisch beliefern, können wir effizienter produzieren und unsere Mitarbeiter in der Endmontage einsetzen”, erklärt Adam Bakowicz, Ingenieur in der Prozesstechnik bei Whirlpool. Zudem haben die Roboter einen positiven Einfluss auf die Arbeitssicherheit. „Seit wir unsere Transporte automatisiert haben, sind deutlich weniger Gabelstapler und Routenzüge zum Einsatz, die in der Vergangenheit immer wieder zusammengestoßen sind“, ergänzt Werksleiter Krupinski.

Whirlpool rechnet damit, dass sich die Anschaffung der Roboter spätestens in zwei Jahren amortisiert haben wird. Das Unternehmen plant, weitere Roboter in Lodz und an anderen Produktionsstandorten einzuführen. „In zwei italienischen Werken testen wir bereits ähnliche Lösungen“, berichtet Logistik-Manager Aliverti. Auch in der Whirlpool-Fabrik im polnischen Radomsko sind mittlerweile Roboter von MiR im Einsatz. Durch den automatisierten Materialfluss profitiert das Traditionsunternehmen von einer zuverlässigen Produktionslogistik und investiert zugleich nachhaltig in seine Wettbewerbsfähigkeit und damit in den geschäftlichen Erfolg. (ub)


Was ist ein ein Karakuri-System?

Bei Whirlpool laden die Transportroboter die vollen Kisten mit Trocknertüren an der Montagelinie ab. Dabei kommt eine spezielle mechanische Lösung zum Einsatz, ein sogenanntes Karakuri-System. Karakuri bezeichnet ein traditionelles japanisches Konstruktionsprinzip, mit dem sich einfache Prozesse auf Basis physikalischer Kräfte automatisieren lassen. Die mechanischen Konstruktionen machen sich Bewegungsenergie und Schwerkraft zunutze, um Objekte in eine vorab definierte Richtung zu bewegen. Dafür kommen Hebel, Zahnräder oder Sprungfedern zum Einsatz, aber keine zusätzliche Energiezufuhr. Heute ist Karakuri ein zentraler Bestandteil der Lean-Philosophie, also dem Ansatz, wirtschaftliche Abläufe zielgerichtet und ressourceneffizient abzuwickeln. Als kosteneffiziente Automatisierungslösung eignen sich Karakuri-Systeme auch, wie bei Whirlpool, für die automatische Verladung von Transportboxen.


Thomas Visti ist CEO bei Mobile Industrial Robots (MiR). Vor seiner Zeit bei MiR baute er den Roboterbauer Universal Robots mit auf.

„Normen werden von der Technik regelmäßig überholt“

Weltweit wird an Normen gearbeitet, um den Umgang mit autonomen Transportrobotern effizient zu regeln. Welche relevanten Standards gibt es und welche Entwicklungen zeichnen sich ab?

Speziell in der Robotik werden Regularien regelmäßig vom technischen Fortschritt überholt. So müssen sich Hersteller, Anwender und Integratoren oft mit einem Mix aus Normen behelfen, die sich kaum voneinander unterscheiden. Das macht die Integration autonomer Transportroboter komplexer, als sie sein müsste. Als Lückenfüller dient vor allem die europäische Norm EN 1525. Allerdings regelt diese die Sicherheitsanforderungen bei fahrerlosen Transportsystemen und Flurförderzeugen, die in der Regel größer, schwerer und weniger flexibel sind als mobile Roboter und daher striktere Vorkehrungen erfordern. Somit ist die Norm nur bedingt für mobile Roboter geeignet. Die geplante Norm ISO/FDIS 3691-4 berücksichtigt erstmals auch Aspekte wie die autonome Navigation der Roboter, ihre Inbetriebnahme sowie eine adäquate Gestaltung der Arbeitsumgebung. Damit definiert sie die Sicherheitsanforderungen wesentlich präziser und gibt allen Beteiligten klare Richtlinien an die Hand. Das dürfte die Risikobeurteilung und somit die Integration beschleunigen.

Sie haben die rasante Entwicklung in der mobilen Robotik bereits angesprochen. Sind denn Sicherheitsnormen vor diesem Hintergrund generell sinnvoll?

Unbedingt. Die dynamische Entwicklung der Technik macht sie sogar umso relevanter, denn Normen formalisieren die gelebte Praxis, schaffen Standards und helfen Anwendern, sich zu orientieren und erleichtern somit den Einstieg. Zugleich machen die technischen Neuerungen selbst die Produkte sicherer, zum Beispiel mit erweiterten Sicherheitsfunktionen. Der rasante Fortschritt mag eine Regulierung erschweren, hebt jedoch zugleich den Stand der Technik und damit das Referenzniveau künftiger Normierungen.

Welche Funktionen müssen mobile Roboter aufweisen, um als sicher zu gelten?

Unsere mobilen Roboter verfügen über Laserscanner, 3D-Kameras und Näherungssensoren. Mit dieser Technik können die Roboter ihre Umgebung zuverlässig erfassen. Über integrierte Planungsalgorithmen verarbeiten sie den Sensor-Input und können so unmittelbar auf Umweltereignisse reagieren und beispielsweise stoppen, wenn sie auf ein Hindernis treffen. Zusätzlich gibt es Sicherheitsfunktionen, die im Falle eines Defekts greifen, denn wir müssen davon ausgehen, dass dies selbst bei der besten Technik vorkommen kann. Damit der Robotereinsatz auch dann sicher bleibt, definiert die ISO-Norm 13849–1 Sicherheitsfunktionen wie Nothalt, Schutzfeldumschaltung und Geschwindigkeitsüberwachung.

Welche Verantwortung tragen Hersteller und Systemintegratoren im Hinblick auf eine sichere, mobile Robotik?

Für eine sichere Roboternutzung müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Der Hersteller muss ein einwandfreies, dokumentiertes Produkt liefern und dabei auch über die Einsatzgrenzen informieren. Er muss dafür sorgen, dass der Roboter den gängigen Sicherheitsanforderungen genügt, sodass er eine CE-Kennzeichnung erhält. Mit der Inbetriebnahme verlagert sich die Verantwortung zum Integrator, der den Roboter in sein Einsatzumfeld einführt. Im Rahmen einer umfassenden Risikourteilung muss er mögliche Gefahrenquellen in der Umgebung antizipieren und den Roboter so programmieren, dass er in potenziell riskanten Situationen den Sicherheitsstandards entsprechend reagiert. Zudem stellt er die CE-Konformität der gesamten Applikation sicher. Denn letztlich agiert der Mensch nicht nur mit dem Roboter, sondern mit der Kombination aus Roboter, Aufsatzmodul und Ladestation. Und schließlich müssen die Mitarbeiter durch Schulungen auf den sicheren Umgang mit den Robotern vorbereitet werden.

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