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Antriebstechnik: Bei Industrierobotern kommt es auf die Dämpfung an

Antriebstechnik
Bei Industrierobotern kommt es auf die Dämpfung an

Industrieroboter müssen sehr schnell und höchst präzise sein. Hochdynamische Bewegungsabläufe regen jedoch unerwünschte Schwingungen an. Dadurch sind entweder Genauigkeitsabweichungen verbunden oder es muss langsamer gefahren werden. Ein Dämpfungsaktuator schafft Abhilfe.

Michael Neubauer, M.Sc., Lukas Steinle, M.Sc.,
Dr.-Ing. Armin Lechler, Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl
Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart

Industrieroboter wurden klassischerweise hauptsächlich für Handhabungsaufgaben eingesetzt. Bis heute stellt dieser Bereich das Hauptanwendungsgebiet dar. Hierbei reicht es meistens aus, den programmierten Zielpunkt mit hoher Genauigkeit und in möglichst kurzer Zeit zu erreichen. Eine vorgegebene Bahn dorthin einzuhalten, ist von sekundärer Bedeutung.

In der jüngeren Historie werden Industrieroboter jedoch in zunehmendem Maße für Aufgaben eingesetzt, bei denen es darauf ankommt, die programmierte Bahn, also die dynamische Bahngenauigkeit, einzuhalten. Als Beispiele sind hier das Laser-Nahtschweißen oder die Fräsbearbeitung zu nennen.

Jedoch leiden Industrieroboter unter einer gewissen Anfälligkeit gegenüber Schwingungen aufgrund des seriellen Aufbaus und der im Vergleich zu Werkzeugmaschinen geringen Steifigkeit. Daraus resultieren ungewollte Genauigkeitseinbußen. Oftmals wird dem durch Vorgabe weniger dynamischer Bewegungen entgegengewirkt, wodurch die Dauer der Bewegung zunimmt. Insofern besteht ein Zielkonflikt zwischen Genauigkeit und Schnelligkeit.

Die Genauigkeitsabweichungen am Tool-Center-Point (TCP) ergeben sich aus den Fehlern in den Roboterachsen sowie den Nachgiebigkeiten der Strukturglieder. Üblicherweise sind die Abweichungen aus den Achsen größer als die aus der Struktur. Bei 6-Achs-Knickarmrobotern ist in besonderem Maße Achse 1 als größter Fehlerverursacher zu nennen. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist in der Achse das Getriebe mit dem größten Übersetzungsverhältnis verbaut, das heißt Abweichungen aufgrund von Fertigungstoleranzen werden im Vergleich zu den anderen Achsen stärker übersetzt. Zusätzlich verstärken sich diese Abweichungen aufgrund des längsten Hebelarms von der Achse zum TCP hin am größten. Andererseits steht die Achse bei standardmäßiger Aufstellung des Roboters parallel zur Gravitationsachse. Deswegen gibt es keine gravitationsbedingte Verspannung des Getriebes, die sich günstig auf die Genauigkeit auswirkt.

Semiaktive Dämpfung (SAD) verbessert Genauigkeit

Vor diesem Hintergrund wird am Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) ein Ansatz zur semiaktiven Dämpfung von Robotersystemen erforscht. Hierbei wird ein in Achse 1 des Roboters integrierter Dämpfungsaktuator (siehe Bild) dazu eingesetzt, auftretende Achsschwingungen durch bedarfsgerechte Bremseingriffe zu dämpfen. Lediglich im Schwingungsfall werden gezielte Bremseingriffe vorgenommen, um vorhandene Schwingungsenergie dissipativ abzuführen.

Der semiaktive Charakter stellt sicher, dass ausschließlich bremsende und keine beschleunigenden Eingriffe vorgenommen werden. Zur Schwingungsdetektion und Entscheidung über die Bremskrafthöhe werden die an- und abtriebsseitigen Gebersignale (direktes und indirektes Messsystem) der Achse verwendet. Nicht alle Industrieroboter verfügen über ein direktes Messsystem, jedoch lässt sich ein solches einfach nachrüsten oder mithilfe modellbasierter Ansätze das Gebersignal rekonstruieren.

Durch den Dämpfungsaktuator verbessern sich nicht nur die Systemeigenschaften erheblich. Der Roboter ist deutlich weniger schwingungsanfällig und lässt sich besser regeln. Dadurch kann die Regelung der Roboterachse deutlich dynamischer ausgelegt werden, ohne dass die Gefahr einer Instabilität droht. Daraus folgt, dass die vorgegebene Bahn besser eingehalten wird. Dies wiederum ist unmittelbar mit einer höheren Genauigkeit verbunden. Alternativ kann die erreichte Verbesserung auch dazu eingesetzt werden, bei gleichbleibender Genauigkeit schnellere Bewegungsvorgaben zu machen, wodurch sich die Bewegungsdauer reduziert.

In der Grafik sind die Ergebnisse einer Punkt-zu-Punkt-Bewegung abgebildet. Hierbei ist erkennbar, dass die vorgegebene Bahn (blau) einerseits deutlich besser eingehalten wird und andererseits Schwingungen deutlich schneller ausgeregelt werden.

Das Fazit: Obwohl Industrieroboter schwingungsanfälliger als Werkzeugmaschinen sind, lassen sie sich mithilfe geeigneter Maßnahmen auch für Aufgaben einsetzen, in denen es auf die Einhaltung einer vorgegebenen Bahn ankommt. Ein möglicher Ansatz ist die in diesem Artikel vorgestellte semiaktive Dämpfung. Diese verbessert die Bahngenauigkeit unmittelbar, kann jedoch auch mittelbar dazu eingesetzt werden, die Bewegungsdynamik zu steigern.

Kontakt:

Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW)

Universität Stuttgart

Seidenstraße 36

70174 Stuttgart

Tel. +49 711 685–82410

www.isw.uni-stuttgart.de

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