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Neue Trumpf-Fabrik in Chicago: Blechbearbeitung im Blick

Neue Trumpf-Fabrik in Chicago
Blechbearbeitung im Blick

Durchgängig vernetzt ist die Blechbearbeitung im neuen Showroom des Maschinenbauers Trumpf, nicht nur ein Sammelsurium einzelner Maschinen. Hier werden auch im Kundenauftrag Blechteile gefertigt, gezeigt, was Industrie 4.0 möglich macht.

Werner Götz

Wie beeinflusst Industrie 4.0 eigentlich kleinere und mittlere Auftragsfertiger? Ist es nur ein Schlagwort oder auch für KMU unabdingbar? Antworten darauf will der Ditzinger Laserspezialist und Maschinenbauer Trumpf mit seiner neuen Smart Factory in Chicago geben. Ist sie doch mehr als nur ein Show-Room. „Hier werden ganz real unterschiedlichste Blechteile für Kunden gefertigt“, so Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender der Geschäftsführung Werkzeugmaschinen im Gespräch mit dem Industrieanzeiger.

Im Unterschied zu üblichen Vorführzentren mit einzelnen Maschinen eines Anbieters handelt es sich hier um eine komplette Fertigung. In der 55 m langen Produktionshalle finden sich Laserschneiden, Stanzen, Biegen, Schwenkbiegen, Entgraten und 3D-Druck mit einem Hochregallager als Herzstück, das die Werkzeugmaschinen mit Material versorgt. „Wobei“, erklärt Dr. Prokop, „wir natürlich Blechbearbeitern keine Konkurrenz machen. Wir fertigen nur für eigene Kunden, die Kapazitätsengpässe oder mal eine kleine Serie zu produzieren haben. Oder für Interessenten, die sehen wollen, wie so eine Fertigung funktioniert und welche Vorteile sie durch die Vernetzung haben.“ „Zudem“, ergänzt Fabrikchef Tobias Reuthers „können wir das Zusammenspiel von Menschen, Maschinen, Lagertechnik, Automatisierung und Software zeigen und auch, wie schnell eine Produktion auf andere Teile umzustellen ist.“

Indoor-GPS sorgt für Transparenz aller Warenströme

Für Transparenz aller Warenströme und Fertigungsschritte sorgt ein Indoor-GPS in Kombination mit einem Transmitter. Sie lassen sich auf Paletten oder sogar einzelnen Teilen anbringen. So kann der Kunde den Weg seiner Teile live mitverfolgen. Automatisiert sind zudem die Beschaffung und die Personalplanung. Ein wichtiges Thema ist zudem die vorbeugende Wartung. Ein System soll Anfang kommenden Jahres implementiert werden.

Benötigt werden in der Fertigung rund 15 Mitarbeiter, deutlich weniger als bei einer konventionellen Produktion. „Durch die Digitalisierung der Produktionsprozesse werden Jobs entfallen“, so Reuther. „Das aber sind Stellen, bei denen wir heute schon Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter zu finden.“ Auch sei es möglich, Produktionen wieder in Hochlohnländer zurück zu holen, die in Billiglohnländer ausgelagert wurden. Insgesamt beschäftigt Trumpf in Chicago 30 Mitarbeiter.

Im Mittel die Durchlaufzeiten gedrittelt

Was bringt die Digitalisierung nun dem normalen Job Shopper, dem Auftragsfertiger? Immerhin die größte Kundenklientel der Ditzinger. Auch darauf hat Dr. Prokop eine Antwort: „Zusammen mit dem Fraunhofer IPA in Stuttgart haben wir die Fertigung 25 unserer Kunden untersucht. Sie haben alle Daten offen gelegt, auch ihre Erlöse. Im Ergebnis ließen sich durch die Digitalisierung und Vernetzung die Erlöse verdoppeln, die Durchlaufzeiten sanken im Mittel auf ein Drittel.“ Die Gründe dafür: Viele der Firmen arbeiten noch sehr individuell, es wird improvisiert, häufiger ist die Fertigung nicht durchorganisiert, allein für Teilesuche geht nicht wenig Zeit drauf. Insofern bietet sich ein großes Potenzial an Verbesserungsmöglichkeiten. „Und die zeigen wir in der neuen Smart Factory in Chicago auf. Wobei“, schränkt der Manager ein, „nicht alles, was automatisierbar ist, auch Sinn macht. Aber wir versprechen unseren Kunden, dass wir sie in die Zukunft begleiten, ihre und unsere Innovationskraft erhalten, und die Smart Factory ist ein sehr wichtiger Teil.“

Ein Zentrum der Blechverarbeitung

Warum der Invest in Chicago? Dazu Dr.-Ing Mathias Kammüller, Chief Digital Officer (CDO) und Geschäftsführer bei Trumpf: „Hier konnten wir einen völlig neuen Showroom auf der grünen Wiese bauen, ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen nehmen zu müssen.“ Zudem ist die Region um Chicago ein Zentrum der Blechverarbeitung. Hier finden sich alle wichtigen Wettbewerber, insofern sei es an der Zeit gewesen, präsent zu sein. Zudem nehme die Wettbewerbsfähigkeit der US-Kunden zu und sie seien offener gegenüber neuen Entwicklungen bei der Digitalisierung der Fertigung. In Deutschland sei die Situation gemischter, einige Unternehmen sind offen gegenüber Industrie 4.0, andere sehen sie nur als vorübergehenden Trend. „Aber alle befassen sich mit der Digitalisierung, wollen wissen, was es bedeutet und wie sie die Fertigung verändert“, erläutert Dr. Kammüller. „Interessant dabei, die Entwicklungen kommen vorwiegend aus Deutschland.“

Plus von 21 Prozent beim Auftragseingang

Nicht vergessen dürfe man zudem, dass die USA nach Deutschland für Trumpf der zweitgrößte Einzelmarkt seien. Im letzten Geschäftsjahr betrug der Umsatz in den USA 421 Mio. Euro (plus 14 %). Beschäftigt werden an den nun fünf Standorten in den USA rund 1000 Mitarbeiter. 2016/17 erwirtschaftete die Gruppe mit rund 12 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,1 Mrd. Euro (vorläufige Zahlen), der Auftragseingang lag bei 3,9 Mrd Euro, ein Plus von 21 %.

In ein paar Jahren soll aber auch in Deutschland eine ähnliche Smart Factory errichtet werden. Bis dahin bietet das Unternehmen seinen Kunden Reisen nach Chicago an. Und die lohnen sich.


„Der freie und faire Handel ist alles entscheidend“

Interview mit Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, CEO und Managing Partner Trumpf, Ditzingen

In Ihrer Eröffnungsrede gingen Sie auf die Irritationen in den Wirtschaftsziehungen zu den USA ein. Was verbindet Sie mit diesem Land?

Unsere Familie verbindet mit den Vereinigten Staaten eine sehr persönliche Unternehmenshistorie. Ich selbst wurde 1959 in Ohio geboren, mein Vater war damals für die Cincinnati Milling Machine Co. tätig.

Wie wichtig ist Ihnen das Engagement gegen Protektionismus?

Politische Signale, die auf Abschottung gegenüber anderen Märkten setzen, sind Gift für Investitionen. Das gilt auch für die Kritik an Handelsüberschüssen, ohne sich mit der hohen Wettbewerbsfähigkeit von Produkten auseinanderzusetzen.

Sie kritisierten aber nicht nur die Trump-Administration.

Eine der für mich überraschendsten Entscheidungen in letzter Zeit war, als Hillary Clinton TTIP im Wahlkampf aufgab und überparteiliche Zustimmung erntete. Dreiviertel der Produkte unserer Branche gehen in den Export, gerade nach Amerika. Ich glaube, dass der freie und faire Handel und der Austausch von Fachkräften und Talenten der alles entscheidende Weg sind, um den Lebensstandard für alle Menschen zu verbessern, ob in den USA, Deutschland oder sonst wo auf der Welt.

Auch in Europa gibt es derzeit
populistische Tendenzen.

Der Nationalismus führt neben vielem anderen langfristig zu höheren Produktionskosten und weniger Innovationen, davon bin ich überzeugt. Und damit auch zu schlechteren Job-Perspektiven. Gerade in Zeiten gelegentlicher politischer Divergenzen ist uns deshalb das Signal an die amerikanischen Kunden wichtig, dass wir die USA als einen der wichtigsten Märkte für Trumpf ansehen. Unter dem Strich gibt es nämlich mehr Verbindendes als Trennendes. Das muss man trennen von dem, was derzeit an politischen Tönen zu hören ist.

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