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Roboter lernt Spritzgießen

Die Spritzeinheit kommt zum Bauteil – dank Leichtbau
Der Spritzguss wird mobil

Wo kleine Anspritzungen an großen Strukturen nötig werden, ist dies die Lösung: Leichte Spritzeinheiten kommen zum Bauteil und funktionalisieren es. Diese Innovation geht jetzt in die Industrialisierung.

Durch ausgeklügelte Leichtbauweisen ist es Forschern des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden gelungen, die Spritzgießtechnologie so zu modifizieren, dass sie sich mobil einsetzen lässt. Die Maschine wird zum Produkt geführt und nicht mehr umgekehrt. Diese Anlagentechnik eröffnet völlig neue Möglichkeiten beim Gestalten von Fertigungsprozessen, insbesondere wenn komplexe Hybridstrukturen herzustellen sind. Mit dieser Einschätzung sind die Dresdener seit ihrer Präsentation auf der Leitmesse K 2019 nicht mehr alleine. „Wir haben in vielerlei Hinsicht ein überwältigendes Feedback erhalten“, resümiert Dr. Michael Stegelmann, der mit Dr. Michael Krahl (Leiter Thermoplastverfahren am ILK) das tragende Team für das „Robin“-Projekt bildet.

Stellvertretend zitiert Stegelmann eine der Stimmen, die als Echo aus der Fachwelt zurück kamen: „Die hohe Flexibilität der Robin-Anlagentechnik erlaubt es, bestehende Fertigungslinien – zum Beispiel in der Extrusion, der Compositeverarbeitung oder dem Thermoformen – mit geringem Aufwand um das Spritzgießen zu erweitern.“ Als Konsequenz aus dem positiven Messe-Feedback soll nun im Rahmen eines „Exist“-Forschungstransfers eine Unternehmensgründung auf den Weg gebracht werden. Das Vorhaben startet im März. Industriepartnern bietet sich die Möglichkeit, die Technologie in Pilotanwendungen umzusetzen und unter industriellen Randbedingungen zu testen.

Vor allem für hybride Bauteilstrukturen aus flächigen Metall- oder Faserkunststoffverbund-Halbzeugen könnte die neue Robin-Anlagentechnik sehr interessant werden. Meist werden Funktionselemente wie strukturelle Versteifungen oder Füge- und Dichtelemente durch Spritzgießen an die Komponenten angeformt. Doch die hierfür benötigten Werkzeuge und Anlagen sind vor allem bei komplexen und großen Strukturen mit hohen Kosten verbunden. Sie lassen sich nur bei Großserienanwendungen wirtschaftlich einsetzen. Dies steht dem Trend zu geringeren Stückzahlen und Variantenvielfalt entgegen.

Höhe der Investitionen vergleichsweise gering

Aus dieser Problematik heraus haben die Forscher des ILK die neuartige Spritzgießtechnik mit dem Ziel entwickelt, die Variabilität bestehender Fertigungen signifikant zu erhöhen. Die Investitionen betragen nur einen Bruchteil bisheriger Lösungen.

Der Projektname „Robin“ steht für „Robotised Injection Moulding“. Die Anlagen setzen sich zusammen aus einem Automatisierungssystem (wie Knickarmroboter oder Linearantrieb) und einem als C-Bügel ausgeführten, mobilen Spritzgießmodul. Es nimmt die schlank gebaute Kolben-Spritzeinheit einer Babyplast-Maschine auf und auch das Spritzgießwerkzeug.

Dieser C-Bügel ist der eigentliche Kern der Innovation und enthält das spezifisch erarbeitete Know-how: Sein lasttragender Bestandteil ist in leichter Faserverbundbauweise ausgeführt und besteht aus Carbon-Composites. Dadurch erreicht er eine hohe Struktursteifigkeit. Sie ermöglicht es – wie bei dem Demonstrator auf der Messe – Schließkräfte von 60 kN aufzunehmen. Die bei solchen Kräften umvermeidlich auftretenden Verformungen kompensiert eine Parallelkinematik.

60 kN Schließkraft hält der C-Bügel

Das System lässt sich auch skalieren. Dazu ist der C-Bügel aus mehreren konfigurierbaren Einzellamellen aus Carbon-Faserverbunden zusammengesetzt. Für die Schließkräfte gibt es allerdings eine Obergrenze. Die Wissenschaftler des ILK sehen sie aus heutiger Sicht bei vielleicht 100 kN (oder 10 t wie der Spritzgießer sagen würde). Insgesamt wiegt der C-Bügel nur rund 150 kg. Dies ermöglicht es dem Roboter, ihn zu führen.

Damit wird das Spritzgießen erstmals mobil und kann direkt in kontinuierliche Fertigungs- oder Montagestrecken integriert werden. Dazu tragen auch die kompakten Abmessungen des Werkzeugs bei. Großflächige Komponenten lassen sich im Inneren des Bügels aufnehmen und an nahezu beliebiger Position funktionalisieren. Realisiert werden können so Strukturversteifungen, Verbindungselemente, Gewinde, Abstandshalter, Kantenschutz oder ähnliches.

Gerade bei großflächigen Spritzgieß-Hybridkomponentenen können Kunden in Zukunft mit einem oder mehreren gekoppelten Robin-Systemen auf Investitionen von mehreren Millionen Euro verzichten, die für große Spritzgießanlagen aufzubringen wären. Auch kleine und mittlere Serien lassen sich wirtschaftlich umsetzen.

Gewinde an Flugzeugrümpfe anspritzen

Weiter steigert die Technologie die Gestaltungsfreiheit bei komplexen oder großen Strukturen. „Denken Sie an einen Flugzeugrumpf, bei dem an verschiedenen Stellen etwas angebracht werden kann“, nennt Stegelmann ein fiktives Beispiel. Profitieren könnten unterschiedliche Branchen – Extrudeure, Thermoformer, Composite- oder Partikelschaumhersteller ebenso wie metallverarbeitende Unternehmen.

Das Funktionalisieren von Bauteilen mit Robin ist jedoch nicht nur auf das Spritzgießen beschränkt, sagen die ILK-Leichtbauexperten. Der robotergeführte Leichtbau-C-Bügel lasse sich auch mit anderen Aggregaten einfach kombinieren, etwa PUR-Injektionssysteme und mechanische oder thermische Fügetechniken. (os)

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