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Digitalmikroskop Visioner 1 von Zeiss liefert tiefenscharfe Bilder in Echtzeit.

Qualitätssicherung
Digitalmikroskop Visioner 1 von Zeiss liefert tiefenscharfe Bilder in Echtzeit.

Die Gesetze der Optik kann auch Zeiss nicht brechen – aber umgehen. Mit dem Visioner 1 bringt das Unternehmen ein Digitalmikroskop auf den Markt, das tiefenscharfe Bilder in Echtzeit liefert. Dafür mussten die Spezialisten aus Jena ganz tief in die Entwicklungskiste greifen, denn physikalisch ist das eigentlich gar nicht möglich.

» Uwe Schoppen, Redakteur Industrieanzeiger

Die Mikroskopie ist das Herzstück von Zeiss“, sagt Dr. Robert Zarnetta, der das Geschäftsfeld Industrial Microscopy Solutions bei Zeiss Industrial Quality Solutions leitet. „Die Technik haben wir in der Vergangenheit immer wieder an neue Grenzen geführt.“ Und diesmal sind die Spezialisten sogar noch ein Stückchen weiter gegangen.

Bedarf am neuesten Wurf von Zeiss ist reichlich vorhanden, denn in der Mikroskopie gibt es schon immer ein Problem. Wenn der Anwender eine Probe vergrößert, um feine Details sehen zu können, nimmt die Tiefenschärfe des Bildes ab und er sieht immer nur einen kleinen Bereich deutlich. Beim Prüfen von Leiterplatten zum Beispiel ist das ein Problem, weil hier oft Merkmale in unterschiedlichen Höhen kontrolliert werden müssen. Aber auch bei anderen Anwendungen ist dieser physikalische Effekt hinderlich und die Gefahr groß, dass Defekte, Verunreinigungen oder Produktionsfehler übersehen werden und die Inspektion dadurch unvollständig ist. Bislang musste sich der Mitarbeiter zu Fuß aus der Misere helfen, immer wieder nachfokussieren und die verschiedenen Ebenen zusammenführen, um am Ende ein Bild mit erweiterter Tiefenschärfe zu bekommen. „Damit ist das Problem zwar gelöst, aber die praktische Vorgehensweise ist komplex und kostet viel Zeit“, stellt Zarnetta fest.

Virtuelle Linse bietet neue Möglichkeiten in optischer Inspektion

Die Lösung des Problems ist eine virtuelle Linse, die aus kleinen Spiegelelementen aufgebaut ist, die sich in alle Richtungen frei bewegen lassen (siehe auch Kasten auf Seite 32). In der Praxis wird die Linse permanent auf verschiedene Bereiche fokussiert und zwar so schnell, dass das menschliche Auge davon nichts merkt. Der Anwender schaltet das Mikroskop an, hat sofort ein tiefenscharfes Bild und kann frei über die Probe navigieren. „Ich kann das Werkstück drehen und kippen, auch mal bei Bedarf von der Seite drauf schauen und verliere dabei nie den Fokus“, versichert Zarnetta.

Das ist eine ganz neue Herangehensweise an die optische Inspektion. Der Mitarbeiter muss sich keine Gedanken mehr machen, wie er das Bauteil führen muss, damit er alle entscheidenden Stellen scharf sieht, sondern er kann sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren.

Das neue Digitalmikroskop kommt nach Ansicht von Zarnetta zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt, denn die Bauteile werden immer kleiner, die Beschichtungen filigraner und die Kombination aus verschiedenen Materialien komplexer. „Sei es die Gratbildung im Spitzguss oder Elektronikbauteile, die Anforderungen wachsen mit jedem Tag“, führt der Experte aus.

Wegen der Corona-Pandemie fand die Produkteinführung im Herbst rein digital statt. Alle Eigenschaften des neuen Digitalmikroskops sind auf den Internetseiten von Zeiss verfügbar. Vor allem aus der Medizintechnik erreichten Zeiss viele Anfragen, denn in diesem Bereich sind die Anforderungen besonders hoch und Hundertprozent-Kontrollen keine Seltenheit. Jedes Bauteil, das im Körper implantiert wird – sei es ein Stent, ein Spinal Cord Implant für die Rückenmarkstimulation oder ein Hüftgelenk – wird inspiziert und frei gegeben. „Für die Mitarbeiter wird der Alltag durch unsere neue Technik leichter und das führt automatisch zu einem höheren Durchsatz“, versichert Zarnetta.

Software vereinfacht die Inspektion und Dokumentation zusätzlich

Ein ganz aktueller Anwendungsfall ist die Inspektion von Injektionsnadeln. „Jeder von uns wird hoffentlich bald Bekanntschaft mit so einer Nadel machen“, sagt Zarnetta. „Da ist uns allen daran gelegen, dass die sauber geschliffen sind und wir bei der Impfung keinen Schmerz verspüren.“ Die Nadeln werden deshalb einer stringenten Qualitätskontrolle unterzogen. Früher musste der Mitarbeiter die feine Probe immer so lange führen, bis er endlich jedes Detail scharf gesehen hatte und er sagen konnte, dass alles in Ordnung ist. „Beim Visioner 1 hält er die Nadel drunter, bekommt das komplette Bild und macht einen Haken dran“, fasst Zarnetta zusammen.

Zum neuen Digitalmikroskop liefert Zeiss ein workflow-orientiertes Softwaresystem, das die Inspektion und Dokumentation deutlich vereinfachen soll. Das ist besonders relevant für stark regulierte Branchen mit umfangreichen Nachweispflichten wie der Automobilbau, die Luft- und Raumfahrt oder die Medizintechnik. Diese Branchen sind darauf angewiesen, dass GxP-Richtlinien eingehalten werden. „Mit unserem neuen Produkt lösen wir ein fundamentales Problem in der Mikroskopie“, fasst Robert Zarnetta zusammen. „Damit unmittelbar verbunden ist ein praktischer Nutzen für unsere Kunden, denn sie können mit der neuen Technik die Produktivität steigern und sie haben eine höhere Gewissheit bei ihren Inspektionsergebnissen.“

Kontakt:
ZEISS Industrial Quality Solutions
Carl-Zeiss-Straße 22
73447 Oberkochen
Tel. +49 7364206427
andreas.tobias@zeiss.com
http://www.zeiss.de/imt


Dr. Robert Zarnetta leitet das Geschäftsfeld Industrial Microscopy Solutions bei Zeiss Industrial Quality Solutions.
Bild: Zeiss

„Die Technik ist ausgereift und sehr robust“

Herr Dr. Zarnetta, wie alt ist eigentlich das Problem der unzureichenden Tiefenschärfe?

So alt wie die Mikroskopie, 175 Jahre. Der Konflikt ist begründet in den Gesetzen der Optik. Mit steigender Vergrößerung sinkt die Tiefenschärfe, das ist einfach so.

Und warum mussten wir so lange warten, bis es endlich eine Lösung für dieses Problem gibt?

Weil keiner die Gesetze der Optik brechen kann, wir können Sie nur umgehen. Und das erfordert in diesem Fall über 15 Jahre Forschung und Entwicklung, moderne Halbleiterfertigung und Rechner der neuesten Generation. Nur so lassen sich die immensen Datenmengen schnell genug verarbeiten.

Was war die eigentliche Herausforderung bei der Lösung des Problems?

Eindeutig die Hardware. Insbesondere die Herstellung der Mikro-Spiegel war eine Herausforderung. Diese müssen sich in alle Raumrichtungen bewegen können, also Drehen nach vorne und hinten, links und rechts und Verschieben nach oben und unten. Die Spiegelelemente müssen quasi freischwebend gelagert werden. Nur so lassen sie sich individuell ansteuern und bewegen.

Wie viele Mikro-Spiegel sind es überhaupt?

Das hängt vom Design ab, aber es sind Hunderte. Jeder Mikro-Spiegel hat nur eine Fläche von 0,1 mal 0,1 Millimeter.

Die schnelle Ansteuerung der einzelnen Spiegel ist sicher auch nicht einfach.

Kann man so sagen. Damit die einzelnen Spiegelelemente verschiedene optische Oberflächen bilden können, die eine perfekte Abbildung der Probe ermöglichen, müssen diese präzise ausgerichtet werden. Kleinste Schwankungen im Produktionsprozess der Spiegel sind grundsätzlich nicht zu vermeiden, so dass jedes Element separat kalibriert und dann auch individuell angesteuert wird.

Was ist das eigentlich Revolutionäre am Visioner 1?

Es gibt schon lange die Möglichkeit, tiefenscharfe Bilder durch die Verrechnung von Bildern zu erhalten, die mit unterschiedlichen Fokusebenen aufgenommen wurden. Das dauert allerdings mehrere Sekunden bis Minuten, ist also für die Inspektion von Bauteilen nicht zu gebrauchen. Der Visioner 1 ermöglicht nun zum ersten Mal die Inspektion von kleinen Bauteilen bei hoher Vergrößerung mit erweiterter Tiefenschärfe in Echtzeit inklusive instantaner Dokumentation. Das Nachfokussieren fällt weg und es werden potenziell weniger Fehler übersehen.

Der Aufbau der virtuellen Linse macht in der Phantasie einen eher filigranen Eindruck. Ist die Technik denn anfällig?

Nein, denn es gibt keine mechanisch bewegten Teile. Die Spiegel werden nur elektrostatisch ausgelenkt und dabei von einer sehr dünnen, aber stabilen Membran gehalten. Entsprechende Module sind seit Jahren rund um die Uhr in Inline-Anwendungen im Einsatz. Deswegen können wir sagen, dass die Technik ausgereift und sehr robust ist.

Wie sieht es aus mit Erschütterung und Temperaturschwankungen? Das sind schließlich die typischen Bedingungen, wie sie im praktischen Umfeld auftreten können.

Das ist alles kein Problem. Die Spiegelelemente sind sehr klein und deswegen auch sehr leicht. Es gibt also wenig bewegte Masse, die erschüttert werden könnte. Und damit auch wenig Material für thermische Ausdehnungsunterschiede. Daher zeigen die Systeme eine hervorragende Schockbeständigkeit und sind temperaturstabil. Sie können das Digitalmikroskop problemlos in der Produktion einsetzen.

Wie haben die ersten Anwender auf die neue Technik reagiert?

Es ist schon faszinierend zu sehen, dass sich viele Kunden sozusagen damit abgefunden hatten, mit den Limitierungen bestehender Mikroskop- Lösungen auf immer zu leben. Wir übrigens auch. Deswegen sind sie nun umso überraschter, dass es auf einmal eine Lösung für das Problem gibt. Damit hatte keiner wirklich gerechnet. Für viele ergeben sich plötzlich völlig neue Möglichkeiten, ihre Inspektionsaufgaben anzugehen und effektiver zu arbeiten.


Im direkten Vergleich wird deutlich, welche Erleichterung die erweiterte Tiefenschärfe dem Mitarbeiter beschert.
Bild: Zeiss

Alles scharf bis in die letzte Ecke

Mit dem neuen Digitalmikroskop Visioner 1 hebt Zeiss die Möglichkeiten der Inspektion auf ein neues Niveau, denn der Anwender kann damit bei der Qualitätskontrolle in der Fertigung erstmals die Probe dank einer erweiterten Tiefenschärfe erstmals vollständig in Echtzeit scharf sehen. Der Schlüssel für diesen Fortschritt liegt in einem mikro-elektro-mechanischen System, das aus einem Komplex kleiner Spiegel mit einer Größe von 100 x 100 µm besteht. Diese lassen sich individuell einstellen, um virtuelle Linsen mit verschiedenen Krümmungen und damit Fokussierebenen zu generieren. Dadurch kann das Digitalmikroskop jeden Punkt der Probe scharf abbilden. Das eigentlich revolutionäre daran ist, dass die Mikro-Spiegel so schnell eingestellt werden können, dass die Bilddarstellung für den Nutzer in Echtzeit abläuft. Das Ergebnis ist eine erweiterte Tiefenschärfe, mit der sich Proben bis zu einer Tiefe von 69 mm inspizieren lassen, ohne dabei das optische System verfahren oder die Probe erneut fokussieren zu müssen. Alle 3D-Informationen der Probe sind auf einen Blick sichtbar und ermöglichen so eine schnelle und zuverlässige Inspektion.


Das Digitalmikroskop Visioner 1 hat die Inspektion komplexer Teile bei Reliance Precision wesentlich vereinfacht und zugleich beschleunigt.
Bild: Reliance Precision

„Der Unterschied ist wirklich erstaunlich“

Erste Pilotkunden konnten das neue Digitalmikroskop Visioner 1 bereits im täglichen Einsatz nutzen. Einer davon ist Reliance Precision mit Sitz im englischen Huddersfield. Das Engineering-Unternehmen versteht sich als zentrale Anlaufstelle für den Konstrukteur. Das Portfolio reicht von der einfachen Schraube bis hin zu kompletten Baugruppen für Dreh- und Linearbewegungen. In der täglichen Praxis werden dabei komplexe Formen bearbeitet. Die Produkte zeichnen sich aus durch Variantenvielfalt, geringe Stückzahlen und eine hohe Präzision. Die Anforderungen an die optische Inspektion sind hoch, denn nur so kann sichergestellt werden, dass keine Fremdkörper die Qualität der Produkte beeinträchtigen. Die Inspektion mit Stereomikroskopen war für die Mitarbeiter in der Vergangenheit mühsam und zeitintensiv, da verschiedene Abschnitte der Bauteile immer wieder neu fokussiert, einzeln abgebildet und schließlich zu Berichten zusammengefasst werden mussten.

Während einer Produktpräsentation von Zeiss UK lernten die Engländer das neue Digitalmikroskop Visioner 1 kennen und hatten auch die Gelegenheit, das Gerät ausgiebig zu testen. Das erste, was den Engländern dabei auffiel, war natürlich die durchgehende Tiefenschärfe. „Mit dem Visioner 1 können wir eine Inspektionsaufgabe manchmal mit einem einzigen Bild erledigen“, freut sich David Torr, Head of Metrology bei Reliance Precision. „Wenn man diese Technik zum ersten Mal bei Produkten nutzt, die man bisher nur durch ein übliches Stereomikroskop gesehen hat, dann ist der Unterschied wirklich erstaunlich. Und wenn wir einen interessanten Bereich identifiziert haben, können wir sogar grundlegende Messungen durchführen.“

Mit dem neuen Digitalmikroskop von Zeiss haben die Spezialisten von Reliance Precision bislang gute Erfahrungen gesammelt. „Mit dem System können wir die Effizienz der visuellen Inspektionen und der qualitativen Beurteilungen enorm steigern“, fasst David Torr zusammen. „Wir erfassen mehr Details in einem Bild, können Routinen programmieren und profitieren nicht zuletzt von der besseren Bedienerergonomie.“


Uwe Schoppen, Redakteur Industrieanzeiger
Bild: Tom Oettle

Rechenpower bringt die Erlösung

Wird eine Probe stark vergrößert, dann geht die Tiefenschärfe verloren. An diesem optischen Gesetz führt kein Weg vorbei. Deswegen ist dieses Problem auch so alt wie das Mikroskop, nämlich 175 Jahre. Zu spüren bekommen es die Mitarbeiter in der Qualitätssicherung, die im Akkord kleine Bauteile oder Platinen prüfen. Sie müssen entweder die Probe bewegen oder den Fokus des Mikroskops ändern, um ein vollständiges Bild des Prüflings zu bekommen. Das ist extrem aufwendig und ermüdend. Mit einer flexiblen Linse, die aus hunderten von Mikrospiegeln besteht, die einzeln angesteuert werden können, konnte Zeiss dieses Problem jetzt lösen. Aber warum mussten wir so lange warten? Ganz einfach: Erst mit den Rechnern der neuesten Generation lassen sich die enormen Datenmengen, die bei dieser Steuerungsaufgabe anfallen, schnell genug verarbeiten.

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