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Ab jetzt drapiert der Roboter

Automation: Roboter übernimmt Regie in Komposit-Fertigung
Ab jetzt drapiert der Roboter

Im Projekt CFK-Tex entwickeln die Partner ein Konzept, mit dem sich kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) weitgehend automatisiert fertigen lassen: Roboter legen die Faserstrukturen in die Formen, bevor sie mit Harz infiltriert werden.

Viele Branchen haben ein steigendes Interesse an CFK-Bauteilen, die hochfest, sehr leicht und zugleich korrrosionsbeständig sind. Die Verbreitung solcher CFK-Strukturen wird aber durch hohe Fertigungskosten limitiert. Automatisierte Systemlösungen sind daher ein Schlüssel zum Durchbruch der CFK-Technologie.

Insbesondere die konventionelle Prepreg-Autoklav-Technik, bei der ein mit duroplastischem Harz vorimprägniertes Faserhalbzeug (Prepreg) konfektioniert und im Autoklaven unter Druck und Temperatur ausgehärtet wird, führt zu hohen Kosten. Dazu gehören Kosten für Investitionen (Autoklav), Halbzeug und Lagerung (gekühlt).
Vor diesem Hintergrund haben trockene, nicht-vorimprägnierte CF-Textilien an Bedeutung gewonnen. Sie werden zu sogenannten Preforms (Vorformlingen) verarbeitet und anschließend in speziellen Injektionsverfahren mit Harz infiltriert. Allerdings ist dieser Herstellprozess noch stark von manuellen Arbeitsschritten dominiert, ähnlich wie in einer Manufaktur, was die Kostenvorteile durch preiswertere Halbzeuge und günstigere Lagerungs- und Prozesskosten relativiert. Daher wird eine umfassende Automatisierung der einzelnen Prozessschritte angestrebt, die auch die wirtschaftliche Herstellung von Kleinserien ermöglicht. Sie wirkt sich auch positiv auf die Qualitätssicherung aus. Im Fokus steht eine intelligente Prozessverkettung, die roboterbasierte Handhabungssysteme einsetzt.
Im Projekt „CFK-Tex“ beschäftigt sich ein interdisziplinäres Konsortium mit der Entwicklung von Roboterwerkzeugen für die Prozessschritte des Absortierens der CF-Textilien vom Schneidtisch und des Einlegens der CF-Textilien in die Formwerkzeuge. Beteiligt sind das IWB Anwenderzentrum Augsburg der TU München und der Lehrstuhl für Softwaretechnik und Programmiersprachen an der Universität Augsburg. Außerdem die Unternehmen Premium Aerotec, Eurocopter, Kuka Roboter, IMA Anton Abele + Partner und TopCut. Das Projekt wird durch den Freistaat Bayern und die Europäische Union gefördert, wobei die VDI/VDE Innovation & Technik GmbH als Projektträger fungiert.
Im Rahmen des Projektes entsteht am IWB Anwenderzentrum in Augsburg ein Versuchsaufbau, der den relevanten, zu automatisierenden Teil der Prozesskette abbildet. Die dafür benötigten Systeme wie Industrieroboter und Schneidtisch haben die beteiligten Anlagenhersteller bereits installiert. Sie werden nun im Laufe des Projektes mit den entwickelten Roboter-Endeffektoren erweitert.
Das bis dato von Werkern manuell durchgeführte Absortieren der CF-Textilien, die auf dem Schneidtisch flächig als Gelege oder Gewebe zugeschnitten bereit liegen, soll künftig ein roboterbasiertes Werkzeug automatisiert übernehmen. Diese Handhabungsaufgabe ist sehr komplex. Dafür sorgen nicht nur die durch Formlabilität, Luftdurchlässigkeit und Anisotropie gekennzeichneten Materialeigenschaften. Vor allem auch die sehr unterschiedlichen, teils großflächigen Geometrien und Materialausprägungen sowie die geforderte Strukturintegrität des Halbzeuges stellen hohe Ansprüche an die Flexibilität des Greifsystems. Im ersten Teil des Projektes wurden daher, basierend auf einer Anforderungsanalyse, verschiedenste Greifprinzipien evaluiert und experimentell untersucht. Neben klassischen Lösungen in Form von unterdruckbasierten Haft- und Bernoullisaugern, Nadelgreifern und mechanischen Greifern wurden auch innovative Prinzipien in Betracht gezogen. Beispiele dafür sind Hydro- und Elektroadhäsion und nanostrukturierte Oberflächen, um die notwendige Haltekräfte definiert zu erzeugen.
Auf Basis reproduzierbarer Untersuchungsmethoden, einer durchgeführten Nutzwertanalyse und einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung konnte das Niederdruckflächensaugen als potenzialträchtigstes Wirkprinzip ermittelt werden. Dieses unterdruckbasierte Prinzip überzeugt vor allem in den Teilbereichen Prozesssicherheit, Leistungsfähigkeit und Greifsicherheit, weil es eine hohe Strukturintegrität des textilen CF-Halbzeuges sicherstellt. Die bei solchen permeablen Materialien stets fragliche Wirtschaftlichkeit lässt sich gewährleisten, wenn mit hohen Volumenströmen bei kleinen Unterdrücken gearbeitet wird. Die aktuellen Arbeiten beschäftigen sich nun damit, die auf Prinzipienebene erzielten Ergebnisse auf ein konzeptioniertes Greifsystem zu extrapolieren.
Das angestrebte Werkzeug hat gleich mehrere Funktionen zu erfüllen. Erstens nimmt es das CF-Textil aus dem Lagerungssystem auf und drapiert es, zweitens, zerstörungsfrei und positionsgenau in das Formwerkzeug. Dann muss das Bindervlies auf der Rückseite des CF-Textils erwärmt werden, um so die einzelnen Lagen im Formwerkzeug unter Anpressdruck aufeinander zu fixieren.
Um diese komplexe Aufgabe zu bewältigen, wurden die Funktionalität des Legewerkzeugs in die Funktionen Greifen, Drapieren und Erwärmen unterteilt und mögliche Legestrategien untersucht. Für jede Teilfunktion hat das Team Lösungsmöglichkeiten gefunden, die experimentell evaluiert und validiert wurden. Untersuchungen zeigten, dass sich das Niederdruckflächensaugen für das Greifen am besten eignet, ebenso wie für das vorherige Absortieren. Die beste Drapiergüte erzielte ein Schaumstoffelement, da es ein Nachrutschen des CF-Textils zulässt und die Faserstruktur nur minimal beeinflusst.
Durch den gebogenen Rahmenaufbau des Legewerkzeugs kann das Textil mit einer abrollenden Bewegung aus dem Lagersystem aufgenommen werden, wobei eine definierte Aktivierung einzelner Saugbereiche gewährleistet sein muss. Ebenso lässt es sich in die Form drapieren. Wichtig ist nun eine definierte lokale Wärmezufuhr. Das auf der Rückseite des CF-Textils angebrachte Bindervlies lässt sich auf unterschiedliche Weise erwärmen, beispielsweise über einen in die Oberfläche des Schaumstoffs eingebrachten Heizdraht, über eine Heizmatte aus Kohlenstofffaser oder über Induktion. Die jeweils beste Möglichkeit hängt von der Integrierbarkeit in das Legewerkzeug ab.
Im weiteren Verlauf des Projektes werden die Ergebnisse anhand jeweils eines Funktionsprototypen für das Handhabungs- und Legewerkzeug validiert. Diese dienen dazu, die Ergebnisse abzusichern und eventuelle Schwachstellen der Werkzeuge sehr früh im Entwicklungsprozess aufzudecken und Fehler bei der realen Umsetzung zu vermeiden. Für eine umfassende Betrachtung der automatisierten Prozesskette werden auch Verbesserungspotenziale im Bereich der innerbetrieblichen Logistik und der Lagersysteme analysiert. Ziel ist es, eine umfassende Lösung für die gesamte Fertigungskette aufzuzeigen.
Claudia Ehinger, Gerhard Straßer, Professor Gunther Reinhart IWB Anwenderzentrum Augsburg

Neue Technologien
Für den Einsatz von Faserverbund-Strukturen interessieren sich immer mehr Branchen, weil das Material unschlagbar leicht, fest und gut zu gestalten ist. Einzig die Kosten bremsen, weil viele Arbeiten bisher noch manuell erledigt werden mussten. Aber das ändert sich. Das IWB erarbeitet zum Beispiel mit Partnern ein Konzept, bei dem Roboter alle manuellen Arbeiten übernehmen. Der Tag rückt näher, an dem sich CFK-Bauteile vollautomatisiert produzieren lassen.
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