Extrem scharf, extrem weit: Forschern der Universität Stuttgart ist es gelungen, Sensoren im 3D-Druck herzustellen, die das Adlerauge auf kleiner Fläche nachbilden. Das leistungsfähige Linsensystem kann mit dem Adlerblick beim autonomen Fahren helfen.
Das sprichwörtliche Adlerauge hätte der Autofahrer auch gern für sein selbstfahrendes Fahrzeug: Nach vorn soll seine Kamera besonders scharf sehen, Hindernisse erkennen und den Abstand zum Vordermann einschätzen. Trotzdem soll aber auch zur Seite hin das Sichtfeld im Blick gehalten werden. Adler sind dank extrem vieler Sehzellen in der zentralen Fovea, einer Einsenkung im Zentrum des Gelben Flecks, dem Bereich des schärfsten Sehens, in der Lage, aus drei Kilometern Höhe eine Maus auf einer Wiese zu erkennen. Eine zweite Fovea am Augenrand sorgt für scharfe Sicht am Seitenrand. Damit können sie feindliche Vögel und andere Tiere, die sich von der Seite nähern, wahrnehmen.
Um dieses Sichtfeld beim autonomen Fahren zu realisieren, war bisher eine ganze Reihe von Kameras und Sensoren rund um das Fahrzeug oder eine rotierende Kamera auf dem Dach nötig. Simon Thiele vom Institut für Technische Optik und seine Kollegen um Harald Giessen vom 4. Physikalischen Institut an der Universität Stuttgart haben jetzt einen Sensor entwickelt, der dieses Adlerauge auf kleiner Fläche nachbildet. Die Forschung war unter dem Dach des Forschungszentrums SCoPE der Universität Stuttgart angesiedelt; realisiert wurde es dank neuester 3D-Druck-Technologie der Karlsruher Firma Nanoscribe.
Vier Linsen erzeugen „foveated imaging“
Dabei druckten die Stuttgarter Forscher direkt auf einen hochauflösenden CMOS-Chip einen ganzen Satz von Mikro-Objektivlinsen, die verschiedene Brennweiten und Sichtfelder haben. Die kleinste Linse hat eine Brennweite, die einem Weitwinkelobjektiv entspricht, dann folgen zwei Linsen mit eher mittlerem Sichtfeld. Die größte Linse hat eine sehr lange Brennweite und ein kleines Sichtfeld, wie ein typisches Teleobjektiv.
Mithilfe der so genannten Zweiphotonen-Polymerisation stellt der 3D-Drucker die Linsen passgenau direkt auf dem CMOS Chip her. Bei diesem Verfahren werden zwei Photonen aus einem roten Femtosekunden-Laserpuls im Fotolack absorbiert und wirken wie ein blaues Photon, das den Vernetzungsprozess im flüssigen Fotolack in Gang setzt. Mithilfe eines Scanners wird so Lage um Lage der Freiform-Linsenstruktur geschrieben. Alle vier Bilder, die die Linsen auf dem Chip erzeugen, werden gleichzeitig elektronisch ausgelesen und verarbeitet. Dabei setzt ein kleines Computerprogramm das Bild so zusammen, dass im Zentrum das hochauflösende Bild des Teleobjektivs dargestellt wird und ganz außen das Bild des Weitwinkelobjektivs. Die Forscher testeten ihre neuartige Kamera an verschiedenen Testobjekten und konnten die Verbesserung der Auflösung im Zentrum dieses so genannten „foveated imaging“-Systems klar nachweisen.
Linsensystem eignet sich für Industrie 4.0
Das gesamte Sensorsystem ist nur wenige Quadratmillimeter groß; die Linsen haben Durchmesser im Bereich von hundert bis wenigen hundert Mikrometern. Neben der Automobilindustrie könnten daher auch neuartige Minidrohnen von der neuen Technik profitieren. Schon jetzt sind die Sensoren mit einem kleinen Minicomputer verbunden, der eine eigene IP-Adresse hat und sich direkt über das Smartphone ansprechen und auslesen lässt. Das System ist somit auch für Anwendungen der Industrie 4.0 geeignet.
Quelle: Universität Stuttgart
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