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Aluminiumsandguss – so leicht wie Wasser

Metallgießerei Chemnitz und Fraunhofer IWU realisieren Leichtbau-Sandguss
Aluminiumsandguss – so leicht wie Wasser

Gewichtseinparung | Masse einsparen durch geschäumte Zonen im Sandguss-Teil, geht das? Die Antwort heißt „ja“: Von zwei in einem F+E-Vorhaben untersuchten Ansätzen mit Schäumtechnologien führte einer zum Erfolg.

Volker Stephan, Michael C. Neubert Metallgießerei Chemnitz GmbH Christian Hannemann, Dr. Jörg Hohlfeld Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU

Der Wunsch, Masse einzusparen, durchdringt alle Fertigungsbereiche. Wichtige Triebfedern sind das Einsparen wertvoller Rohstoffe und das Absenken des Energiebedarfs für Transport und Betrieb.
Der effektivste Ansatz besteht im Stoffleichtbau, also dem Ersatz konventioneller Werkstoffe wie Stahl und Aluminiumlegierungen durch Werkstoffe mit niedriger Dichte. Da neben einer geringen Masse aber auch andere Kriterien bedeutsam sind (wie eine ausreichende Bauteilsteifigkeit und -festigkeit, niedrige Fertigungskosten und das Nutzen bestehender Fertigungsprozesse) müssen Kompromisslösungen erarbeitet werden.
So nutzt man anstelle der optimalen Faser-Kunststoff-Verbunde lieber Lösungen aus Hybridwerkstoffen. Diese Hybride sind häufig Verbunde aus Kunststoffen und Metallen. Nachfolgend wird diese Herangehensweise für den Aluminiumsandguss erläutert, lässt sich aber auch auf andere Bereiche übertragen.
„Der kürzeste Weg vom Rohmaterial zum Fertigprodukt ist das Gießen“, heißt es in den Technischen Richtlinien von GDM und VDG [1]. Die Metallgießerei Chemnitz GmbH beschreitet diesen Weg zum Aluminium-Bauteil mit zweierlei Verfahren, zum einen mit metallischen Dauerformen (Kokillenguss) und zum anderen mit verlorenen Formen auf Natursandbasis (Sandguss). Die Bauteilfertigung im Sandguss ist preiswert und flexibel. Von Vorteil wäre es, wenn sie sich auch noch im Sinne einer Gewichts- und Materialeinsparung optimieren ließe.
Aufgrund gießtechnischer Anforderungen und haptischer Vorgaben werden Masseanhäufungen in den Gussteilen erzeugt, die für die spätere Nutzung nicht erforderlich sind. Diese Anhäufungen bieten Möglichkeiten zur Materialeinsparung. Wie lassen sie sich beim Sandguss realisieren? Dieser Fragestellung wurde in einem FuE-Vorhaben nachgegangen.
Am Vorhaben 100071732 waren die Projektpartner Metallgießerei Chemnitz GmbH und das Fraunhofer-Institut IWU beteiligt. Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und mit Mitteln des Freistaats Sachsen. Im Vorhaben wurden zwei Ansätze aufgegriffen. Zum einen sollte geprüft werden, ob sich Aluminiumteile in einer Sandform schäumen lassen. Alternativ wurde das Eingießen vorgefertigter Aluminiumschaumkerne getestet.
Schäumen von Aluminiumteilen im Aluminiumsandguss
Das Schäumen eines Metalls wie Aluminium ist prinzipiell nach zwei Methoden möglich. So lässt sich Aluminiumschaum erzeugen, indem ein gasabspaltendes Mittel, kurz Treibmittel, in die Schmelze gegeben wird. Das Treibmittel zersetzt sich, das freiwerdende Gas dient der Porenbildung. Bedingung für die Herstellung ist es, die Viskosität der Schmelze soweit anzuheben, dass die Poren in der Schmelze gehalten werden können. Für die Einstellung einer hochviskosen Schmelze und eine gleichmäßige Verteilung der Gasblasen ist es nötig, die Schmelze durch Rühren zu homogenisieren. Das Rühren lässt sich im Sandguss jedoch nicht umsetzen, da zum einen die Zugänglichkeit zur Kavität nicht gegeben ist und zum anderen die Sandform durch Rühren zerstört werden würde.
Der andere Verfahrensweg ist das pulvermetallurgische Schäumen, bei dem Aluminiumpulver mit Treibmittelpulver vermischt wird. Die Mischung wird anschließend hoch verdichtet und lässt sich dann aufschäumen. Zu diesem Zweck wird das verdichtete Aluminium in eine Kavität eingelegt und mit Schmelze übergossen. Die Wärmekapazität der Schmelze muss dabei so hoch sein, dass das schäumbare Aluminium aufgeschmolzen werden kann und dann noch genügend Zeit zum Schäumen zur Verfügung steht. Für eine gute Gießbarkeit muss die Schmelze niedrigviskos sein. Dies führt dazu, dass die Schaumstruktur im erstarrenden Bauteil nur ungenügend stabilisiert werden kann, die entstehende Gasblasen in der Schmelze aufsteigen und sich damit eine inhomogene Porenstruktur einstellt.
Im Sandguss ließ sich die Porenstruktur also mit beiden Methoden nicht kontrolliert einstellen und wurde ungleichmäßig. Als weitere Nachteile bildeten sich eine Drainageschicht am Boden der Probe und eine dünne Gusshaut aus, die eine nachfolgende spanende Bearbeitung zur Bauteilveredelung unmöglich machte. Die untere Grenze der Bauteildichte lag in den Versuchen bei etwa 1,0 g/cm3. Die im Sandguss erreichbare Dichte liegt damit deutlich über den Dichten, die schmelzmetallurgische und pulvermetallurgische Schäume sonst erreichen (0,25 bis 0,5 g/cm3 und 0,4 bis 1,0 g/cm3) [2, 3].
Umgießen von Aluminiumschaumkernen im Sandguss
Somit verbleibt der zweite Lösungsansatz: Die definierte Einstellung einer lokalen Porosität lässt sich mit Hilfe vorgefertigter Schaumkerne realisieren. Diese werden an den vorgesehenen Positionen in der Kavität fixiert. In den Versuchen wurden Schaumkerne mit freigelegter Schaumstruktur verwendet. Es gelang, Gusswanddicken von minimal 3 mm einzustellen.
Die Proben zeigten in der Regel eine gute Anbindung der Schmelze an den Schaum durch Form- und Stoffschluss. Beim Abgießen kann es zum Ausgasen des Schaums kommen. Diese Gase können durch erstarrte Schmelze eingeschlossen werden, so dass Hohlräume entstehen.
An einem Realgussteil (Fotos) wurde der Nachweis geführt, dass sich auch komplexe Schaumkerne eingießen lassen. Damit war die Vergleichbarkeit der Gussteile ohne und mit Schaumkern in den Untersuchungen gegeben. Die Wahl fiel auf ein Aluminiumgussteil mit den begrenzenden Abmessungen 160 mm x 80 mm x 75 mm und einem Gewicht von circa 1,25 kg. Die Gussteile mit Schaumkern wurden wie die Originalteile mit 750 °C heißer AlSi7Mg-Schmelze gegossen.
Im Bild auf der folgenden Seite ist die im Sand (Grünsand) abgeformte Kavität mit fixiertem Aluminiumschaumkern dargestellt. Der aus drei Teilen montierte Aluminiumschaumkern wurde mit Kernstützen und Stiften in der Kavität fixiert. Das äußere Aussehen des abgegossenen Teils entspricht dem eines Originalgussteils.
Der Abguss selbst gestaltet sich schwieriger als für massive Aluminiumgussteile. Die aus dem Schaum entweichende Luft und das schnelle Erstarren der Schmelze auf dem relativ kalten Kern sind der Grund dafür. Auch ist es möglich, dass noch nicht völlig zersetztes Treibmittel (das für das Schäumen des Aluminiumkerns benötigt wurde) im Gießprozess reagiert und zusätzlich Gas freisetzt. Durch Versetzen des Anschnitts und Setzen eines Thermospeisers wurde jedoch ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt.
Der eingesetzte Schaumkern weist ein Volumen von etwa 70 cm3 auf, das entspricht einem Gewicht von etwa 30 g und einer Dichte von etwa 0,4 g/cm3. Die durch den Schaum ersetzte Schmelze kommt einem Gewicht von etwa 190 g gleich. Theoretisch möglich wäre also eine Ersparnis von 160 g, das entspricht etwa 13 % des Bauteilgewichts.
Dieses errechnete Ergebnis wurde in den Versuchen nicht ganz erreicht. Eine Ursache liegt darin, dass beim Gießen Schmelze in die offene Porenstruktur des Schaumkerns eindringt und das Hohlraumvolumen des Kerns verringert. Jedoch birgt das Eindringen der Schmelze in die offene Struktur den Vorteil in sich, dass ein guter Formschluss mit dem Schaumkern erreicht wird.
Rechnet sich die Verwendung von Aluminiumschaumkernen im Aluminiumsandguss? Dies lässt sich kalkulieren: Aluminiumlegierungen werden momentan mit etwa 2,50 Euro/kg gehandelt, das entspricht 6,75 Euro/l. Hinzu kommen noch Kosten für das Schmelzen von etwa 0,70 Euro/kg, also 1,89 Euro/l. Der Preis für einen Liter Aluminiumschmelze beträgt also etwa 8,64 Euro. Demgegenüber liegen die Materialkosten für den Schaumkern momentan bei etwa 4,05 Euro/l.
Ein Einsatz des Aluminiumschaums allein zur Materialkosteneinsparung lohnt sich nur, wenn die Nebenkosten für das Beschaffen und den Zuschnitt des Aluminiumschaums und der Aufwand für das Fixieren der Kerne in der Sandform den Differenzbetrag unterschreiten. Für das abgegossene, kleine Bauteil geht die Kostenrechnung nicht auf, da die eingesparte Menge Aluminium gering ist und der Aufwand für das Anfertigen und Fixieren des Gießkerns die eingesparten Kosten aufbraucht. Mit zunehmender Bauteilgröße sollten jedoch die Kostenvorteile überwiegen.
Eine reine Betrachtung der Materialkosten ist sehr einseitig. Häufig spielt das Bauteilgewicht für die spätere Anwendung eine bedeutende Rolle – ein geringes Bauteilgewicht ist häufig eine grundlegende Forderung des Anwenders. In diesem Fall sind höhere Kosten als für ein konventionelles Gussteil gerechtfertigt. Zudem lassen sich durch die im Gussteil verbleibenden Schaumkerne „Hohlräume“ realisieren, die mit herkömmlichen Methoden (Sandkerne, Kernzüge) nicht darstellbar sind. •

Die Ergebnisse sind belastbar. Versierte Gießereien können diese Technik direkt umsetzen“
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