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Blech macht effizient

Fertigungstechnik: Umformen, Biegen und Laserschweißen statt Spanen aus dem Vollen
Blech macht effizient

Blechkonstruktionen lassen sich mit wenig Materialverlust herstellen und könnten oft eine ressourcenschonende Alternative zu spanend hergestellten Bauteilen sein. Aber es fehlt den Konstrukteuren häufig am Wissen, komplizierte Konstruktionen in Blech umzusetzen. Auf dem Lehrplan der Hochschulen findet sich das Fach „Blechgerechte Konstruktion“ selten. Es sind Firmen wie Trumpf, die das Know-how mit Workshops und Seminaren zu ihren Kunden bringen.

„Man kann heute komplette Maschinengestelle aus Blech machen und dabei sehr wirtschaftlich arbeiten. Wirtschaftlicher als mit Gusskonstruktionen beispielsweise“, sagt Arne Steck, Schulungsreferent beim Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf GmbH & Co. KG in Ditzingen. „Aber daran denken nur die Wenigsten.“ Steck schult und berät im Auftrag des Blechbearbeitungsspezialisten Konstrukteure bei der Auslegung von Bauteilen als Blechkonstruktion und bringt Know-how rund um die Blechtechnik in die Betriebe. Das Thema komme an den Technikerschulen, Hochschulen und sonstigen Ausbildungsinstituten eindeutig zu kurz. Oft hänge Blechteilen noch das Image des Ungenauen an und Normalanwender dächten allenfalls bei Verkleidungen oder Gehäusen an Blechteile. Deshalb würden häufig Bauteile so konstruiert, dass sie spanend hergestellt, gegossen oder aus Halbzeugen gefügt werden.

Dabei bieten moderne Techniken der Blechbearbeitung, angefangen beim Laserschneiden über das automatisierte Biegen bis zum verzugsarmen Laserschweißen, die Möglichkeit, funktionsgleiche Teile leichter und kostengünstiger zu fertigen. Die Stückzahl spielt dabei eine wichtige Rolle: Bei Klein- und Mittelserien sind nach Angaben von Trumpf Blechkonstruktionen günstiger. Stückzahlen über 100 000 lassen sich mit Gusskonstruktionen wirtschaftlicher und schneller produzieren. Für Blechteile sprechen dabei der geringere Materialverbrauch bei günstigeren Materialkosten sowie die bessere Energienutzung und der geringere Werkzeugverbrauch.
Effizient und wirtschaftlich werden die Bauteile allerdings erst, wenn sie tatsächlich blechgerecht konstruiert sind. Das geht nicht ohne Kenntnis der Blechbearbeitungsmaschinen, den Werkzeugen und der Berücksichtigung der gesamten Prozesskette Blech. Dann können mit moderner Technik Blechkonstruktionen aus komplexen, einstückigen Einzelteilen entstehen, die sich mit wenigen Fügeoperationen zu kompletten Baugruppen ergänzen.
Grundsätzlich geht es bei der Frage, ob eine Blechkonstruktion eine herkömmliche Fräs- oder Halbzeugkonstruktion ersetzen kann, zuerst um Fragen der Steifigkeit und Genauigkeit. Es ist die Kunst der Blechkonstruktion aus einem zweidimensionalen Blech ein ausreichend stabiles und präzises dreidimensionales Gebilde entstehen zu lassen. „Es gibt Blechkonstrukteure, die das beherrschen und es durch Erfahrung gelernt haben. Gelehrt wird das nicht“, sagte schon Prof. Peter Diez in einer Aufzeichnung der Vorlesung Konstruktionslehre an der TU Paderborn. Auf dem Weg zu dieser Erfahrung seien Fehlschläge einzukalkulieren und viele Blechkonstrukteure seien sich auch im Alltag nicht zu schade, ihre Konstruktionen in Papier zu falten, um den komplizierten Formgebungsprozessen Herr zu werden.
Beim Aspekt der Genauigkeit liegt ein Problem in den oft aus Gewohnheit zu eng gewählten Toleranzen. Sei eine gute Fräsmaschine im Haus, würden gefräste Bauteilen oft genauer gefertigt als es für die Funktion notwendig sei, berichtet Steck über seine Erfahrung in zahlreichen Workshops. Viele dieser Toleranzen könnten größer sein, wenn es strikt nach der Funktion ginge.
Tatsächlich werden heute bei Blechkonstruktionen Toleranzen im Zehntelmillimeterbereich erreicht. Das ist zwar weniger präzise als bei spanend hergestellten Bauteilen, liegt aber im Bereich der Genauigkeiten von Gussstücken oder aus Halbzeugen geschweißten Bauteilen. Gegenüber diesen Verfahren sind mit Blechkonstruktionen allerdings Einsparungen von bis zu 70 % möglich, wie man in der Trumpf Beratung anhand zahlreicher Referenzbauteile verdeutlicht. Selbst wenn die Blechbearbeitung nur ergänzend zum Fräsen eingesetzt wird, sind deutliche Kostenreduzierungen zu erreichen.
Diese Einsparmöglichkeiten lassen sich heben, indem immer die gesamte Prozesskette der Herstellung analysiert wird. Ansonsten bleiben bei einfachen Konstruktionen die Kostentreiber häufig unentdeckt. Der klassische Halter aus einem Rohr, das an eine Platte geschweißt und am freien Ende noch mit einem Stift versehen ist, lasse sich zwar mit einer Säge und einem Schweißgerät einfach herstellen, erläutert Arne Steck. Berücksichtige man allerdings den für das präzise Schweißen notwendigen Aufwand für das Fixieren und Spannen der Bauteile, erweise sich die Konstruktion schon bei kleinen Serien als zu teuer. Zudem müsse in der Prozesskette auch der Verwaltungsaufwand für die Teilezeichnungen sowie eventuelle Nacharbeiten berücksichtigt werden.
Integrierte Blechkonstruktionen beginnen deshalb schon bei der Idee. Für deren Darstellung werden CAD-Programme mit speziellen Blechmodulen eingesetzt. Diese Module beispielsweise von SPI in Ahrensburg erlauben die Konstruktion in 3D und können teilweise während der Konstruktion prüfen, ob bestimmte Formgebungen fertigungstechnisch mit einem bestimmten Maschinenpark machbar sind. Zudem berechnen die Programme automatisch die Abwicklungen der Bauteile, ermitteln die abgewickelten Längen und bieten Standardfunktionen für typische Blechelemente wie Laschen, Durchzüge und ähnliche Elemente.
Einige dieser CAD-Programme verfügen zudem über ein FEM-Simulationstool, mit dem die Belastbarkeit eines Bauteils abgeschätzt werden kann. „Die Ergebnisse sollten allerdings nicht ungeprüft übernommen werden“, weiß Arne Steck aus Erfahrung. Trotzdem setzt er die Methode gelegentlich in seinen Workshops ein, um einem Handicap für den normalen Konstrukteur bei Blechkonstruktionen zu begegnen: Blechbauteile lassen sich nur schwierig hinsichtlich ihrer Belastbarkeit und Steifigkeit abschätzen. Während für Halbzeuge Kennwerte wie das Widerstandsmoment aus Tabellenwerken herausgelesen werden können und für die Belastbarkeit Formelwerke vorliegen, fehlt für Blechkonstruktionen häufig sowohl das Gefühl als auch die Berechnungsgrundlage. „Ist ein Blech erst vier – oder fünfmal gebogen, weiß man nicht mehr, wie stabil es ist und ob es noch so stabil ist, wie beispielsweise ein L-Profil.“
Um dieses Gefühl für den Werkstoff zu entwickeln, fertigen die Workshop-Teilnehmer bei Trumpf ihre konstruierten Teile an den verschiedenen verfügbaren Maschinen. Damit ergebe sich relativ schnell ein Gefühl für die notwendige Blechdicke und die in der spezifischen Prozesskette erreichbare Genauigkeit. Wechselwirkungen sorgen hier, im Gegensatz zur spanenden Herstellung, während der Bearbeitung für ungewollte Verformungen, Eigenspannungen und Verzüge, die von Blechneulingen aber größer geschätzt werden, als sie es tatsächlich sind. Vorausgesetzt, die Konstruktion berücksichtigt die fertigungstechnischen Eigenheiten der Prozesskette. Die beginnen schon bei der Auswahl des Materials beispielsweise bei der Bestimmung der Oberflächengüte und der zulässigen Dickenschwankungen. Denn schon geringfügige Schwankungen in der Materialdicke können in einem späteren Biegeprozess erhebliche Winkelfehler verursachen. Zudem legt die Materialauswahl beispielsweise auch fest, ob beim Laserschneiden CO2 oder Festkörperlaser eingesetzt werden müssen. Über die Wahl der Maschinentechnik werden zudem die Genauigkeiten und Kosten des Gesamtbauteils vorbestimmt. In der Regel folgt die Prozesskette für ein Bauteil mehr oder weniger den Schritten Trennen, Umformen und Biegen und schließlich Fügen.
Das Trennen ist beim Einsatz des Laserschneidens das genaueste der Verfahren. Die für Laserschneidmaschinen angegebenen Positioniergenauigkeit in der Größenordnung von 0,05 mm sind dabei aber nicht mit der erreichbaren Genauigkeit am Bauteils gleichzusetzen. Als thermisches Verfahren kann das Laserschneiden Verzüge verursachen, welche auch die Genauigkeit in den Folgeprozessen beeinträchtigt. Dieser Effekt tritt beim Wasserstrahlschneiden nicht auf, das dafür mit geringeren Schnittgeschwindigkeiten und größeren Toleranzen in der Schnittfuge arbeitet. Verfahren des Hi-Focus-Plasmaschneidens stoßen mittlerweile in den Genauigkeitsbereich des Lasers vor, bringen aber mehr Wärmeenergie in das Material.
Abhängig vom Bauteil und der geforderten Genauigkeit ist das mechanische Schneiden auf Stanz-Nibbelmaschinen eine Alternative zum Laserschneiden. Weniger genau als das Laserschneiden bieten moderne Stanz-Nibbelmaschinen die Möglichkeit zur Komplettbearbeitung. Mit entsprechenden Werkzeugen können hier auf einer Maschine Bleche geschnitten und umgeformt werden. Vom Anbiegen von Laschen bis zu Durchzügen reicht dabei das Spektrum. Die Genauigkeit ist relativ hoch. Stanz-Laser-Kombimaschinen eröffnen zudem die Möglichkeit, auch freie Konturen zu schneiden.
Deutlich ungenauer als beim Schneiden sind die Ergebnisse beim Biegen. Hier haben zwar Biegewinkelmesssysteme Besserung gebracht, die Biegewinkeltoleranz ist dennoch eine wichtige Größe im Hinblick auf die Gesamtgenauigkeit. Zudem können sich die Toleranzen nacheinander angebrachter Biegungen an einem Bauteil addieren. Anschlagsysteme sind dabei wesentlich für die Genauigkeit. Sind beispielsweise keine eindeutigen Anlagekanten definiert und hat der Bieger einen schlechten Tag, ist ein Teil schnell schräg eingelegt und ungenau.
Dennoch gelten für Arne Steck Biegungen immer noch als die gegenüber Schweißungen bessere Lösung: „Die beste Schweißnaht ist die Biegung.“ Denn Fügeoperationen, insbesondere Schweißverfahren, erfordern einen hohen Aufwand, die Bauteile zueinander auszurichten und für den Schweißvorgang zu spannen, wenn eine hohe Genauigkeit erreicht werden soll. Teilweise vereinfache geschickte Konstruktionen wie Rastlaschen im Blechteil das Fixieren der Bauteile oder können gar Schweißungen komplett ersetzen.
„Man muss damit leben, dass es eine allgemeingültige Aussage zur Genauigkeit von Blechbauteilen nicht gibt“, resümiert Steck. „Genauso wenig lässt sich pauschal sagen, dass mit Blechtechnik ein bisher spanend hergestelltes Bauteil um 70 Prozent billiger wird oder nur um 25 Prozent.“ Es hängt jeweils vom Bauteil ab. Aber es lohne sich in den meisten Fällen, darüber nachzudenken. Gerade handwerkliche Betriebe, die überwiegend mit Halbzeug-Konstruktionen arbeiten, können sich durch automatisierte Blechtechnik einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, weil die Bauteile erstens kostengünstiger sind und zweitens reproduzierbar in Serie hergestellt werden.
Die für den Gestaltungsprozess von Blechbauteilen notwendigen Gestaltungsrichtlinien leiten sich aus der Funktionsfähigkeit, der technischen Zuverlässigkeit und der Sicherheit der Bauteile ab. Alleine theoretisch ohne Bezug zu den Maschinen lassen sie sich auch von erfahrenen Konstrukteuren nicht erlernen. Der Praxisbezug gehört dazu, um Blechteile vor allem durch das Einsparen von Arbeitsschritten kostengünstig zu gestalten.
Umso erstaunlicher ist es, dass unter den Herstellern von Blechbearbeitungsmaschinen überwiegend Trumpf das Thema Blechtechnik über Maschinenschulungen hinaus in den Markt trägt. Workshops sowie Beratungen rund um Blechkonstruktionen, die Prozesskette Blech oder das Laserschneiden vermitteln Anwendern Wissen und schärfen den Blick für Kostentreiber in der herkömmlichen Fertigung. Die Mitarbeiter der Konstrukteursberatung unterstützen dabei sowohl Anwender bei der Suche nach optimalen Blechkonstruktionen als auch Hochschulen, Technikerschulen und sonstige Institute in der Ausbildung. Hier folgt man einem einfachen Ansatz, sagt Arne Steck: „Was ein Konstrukteur nicht kennt, da ist er vorsichtig.“ Deswegen sollte er die Technik frühzeitig kennenlernen.
Volker Albrecht Freier Journalist in Bamberg
Industrieanzeiger
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