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„China ist eine gute Story – wir müssen nur sehen, dass es sie öfters gibt“

Bosch-Rexroth-Vorstandschef Dr. Karl Tragl zum Engagement in Schwellenmärkten
„China ist eine gute Story – wir müssen nur sehen, dass es sie öfters gibt“

Die wachsende Abhängigkeit vom Boom-Land China macht Dr. Karl Tragl keine Angst. Für den Vorstandsvorsitzenden der Bosch Rexroth AG ist dieser Markt nicht einfacher oder schwieriger als andere. Gleichwohl rät er, auf der Hut zu sein.

Deutschlands Maschinenbauer müssen laut VDMA in diesem Jahr mit Stagnation rechnen. Wie bewerten Sie diese Prognose für Bosch Rexroth?

Weltweit hält der VDMA für den Maschinenbau in diesem Jahr einen Zuwachs um nochmals fünf Prozent für realistisch. Das wäre eine Halbierung gegenüber Vorjahr. Auch Bosch Rexroth wird schwächer wachsen als 2011. Wir sind im ersten Quartal verhalten gestartet, was mit den Lägern innerhalb der schwankenden Versorgungskette zu tun hat. Bei Knappheit füllen alle ihre Läger auf, entsprechend langsamer erfolgt der Abbau. Trotzdem gehe ich fest davon aus, dass Bosch Rexroth im Gesamtjahr 2012 wachsen wird.
Kommt das starke Wachstum Ihrer chinesischen Tochtergesellschaft dem hiesigen Standort zugute?
Unsere Wertschöpfung ist stark vernetzt, weshalb wir immens auch in den Aufbau lokaler Entwicklungen investieren. Durch diese Vernetzung in Verbindung mit dem starken Wachstum einer Auslandstochter profitieren wiederum Teile unseres Unternehmens in Deutschland. Wer wie wir Plattformentwicklung betreibt und daraus eine lokale Produktentwicklung ableitet, nutzt dafür die in Deutschland angesiedelten Kompetenzen.
Welche sind das konkret?
Etwa zugelieferte Komponenten, die wir aus Know-how-Gründen oder aufgrund gewisser Mengen nur in Deutschland fertigen. Zudem unterstützen wir von hier aus unsere Auslandstöchter in der strategischen Marktentwicklung. Expandieren diese, wachsen gleichermaßen Funktionen wie strategisches Branchenmanagement und grundlegende Plattformentwicklung mit. Viele Funktionen partizipieren damit vom Wachstum in China, was auch in Deutschland das Wachstum treibt.
Was ist vom letztjährigen Umsatzplus von 310 Mio. Euro in Deutschland Neugeschäft, was entfällt auf Ersatzinvestitionen?
Das ist nur unseren Kunden bekannt. Natürlich merken wir, dass auch ihr Wachstum erheblich von Asien abhängt. Einige sind in automobile Großprojekte involviert. Es ist durchgängig, dass Asien der starke Wachstumsmotor ist. Da sich auch bei unseren Kunden die Wertschöpfung verändert und neu verteilt, haben wir ein Projekt gestartet, das wir Kundentransfer-Management nennen. Darin unterstützen wir Kunden, die beispielsweise von Amerika nach Asien gehen, mit unserem globalen Know-how. Denn hierfür muss immer ein gewisses Maß an Wissen über den Kunden übergeben werden. Dass das Wissen, die kundenspezifische Preisgestaltung, Garantiebedingung oder seine Besonderheiten im neuen Markt ankommt, dafür sorgt unser Kundentransfer-Management.
Ist für Sie die wachsende Abhängigkeit vom Boomland China kein Problem?
Die Abhängigkeit macht mir keine Angst. China ist in dem Sinne ein ganz normaler Markt, der davon getrieben ist, dass eine Region mit einer Milliarde Menschen nach Fortentwicklung und Wohlstand strebt. Dieser Markt wird in sich selber funktionieren. Aber wir dürfen dabei nie vergessen, dass es nicht nur China gibt. Auch Indien bietet tolle Wachstumschancen, ebenso die Asean-Länder. Es gibt aber auch noch Südamerika. Und wir dürfen bei Allem Osteuropa nicht vergessen. Ich sage immer: China ist eine gute Story. Aber wir müssen sehen, dass es diese Story öfters gibt, damit wir auch in anderen Ländern mit derselben Logik und Vorgehensweise herangehen. Wir versuchen, viele regionale Wachstumschancen wahrzunehmen.
Wann wird Ihr Marktanteil in China den deutschen erreichen?
Auf den Marktanteil bezogen ist China in vielen Branchen für uns der größte Abnehmermarkt: für Baumaschinen etwa oder Werkzeugmaschinen. Gemessen am Umsatz ist China derzeit hinter Deutschland unser zweitgrößter Markt. Bei den Wachstumsraten lässt sich theoretisch ausrechnen, wann der chinesische Markt den deutschen überholt. Unser Kollege in Deutschland hat mir aber versprochen, dass er dies nicht geschehen lassen wird und unser Heimgeschäft genauso schnell wachsen wird wie das chinesische (lacht). Das Gute an dieser Diskussion ist, dass damit alle Kollegen angespornt sind, ihren Markt noch besser auszuschöpfen. Das ist dann in Deutschland nicht unbedingt nur Neugeschäft, sondern es sind Dienstleistungen, After Sales Services oder Verbrauchsgüter wie etwa Filter. Die Kollegen entwickeln immer wieder tolle neue Ideen, wie man einen etablierten Mark noch besser ausschöpfen kann. Das finde ich bewundernswert.
Liegt der Fokus in der Volksrepublik eher auf dem klassischen Produktionssektor oder verstärkt auf erneuerbaren Energien?
China ist stark vom Infrastrukturausbau getrieben. Dies zieht viele unserer Wachstumschancen mit sich. Deshalb boomt das Geschäft mit Baumaschinen. Mit unseren drei Business Units sind wir aber sehr breit aufgestellt, da wir eben von Baumaschinen bis zur Fabrikautomation alles abdecken. Wir partizipieren dann an vielen Stellen von der Erweiterung der Infrastruktur. Was das Geschäft mit erneuerbaren Energien betrifft, sind wir im Bereich der Windkraft mit einer eigenen Fertigung in Peking präsent und beliefern von dort die Transplans europäischer und amerikanischer Hersteller in China. In den chinesischen Markt selbst werden wir schrittweise einsteigen.
Wie schwer ist es, dort hineinzukommen?
Dass es ein schwieriges Thema ist, liegt an anders gearteten Preis-Leistungs-Verhältnissen. Zudem gibt es andere Anforderungen an Garantien, Unterstützungsleistungen oder Anforderungen an die Geschwindigkeit. Prototypen müssen innerhalb weniger Monate geliefert werden, für die man üblicherweise mehr Zeit einkalkuliert. Dennoch: Bei allen Schwierigkeiten handelt es sich um normale Markteintrittsthemen…
… die in kaum einem anderen Land so schwierig sind.
Persönlich halte ich den chinesischen Markt für genauso einfach oder schwierig wie viele andere; der amerikanische Markt ist auch nicht einfacher. Brasilien hat seine Besonderheiten, von Zöllen bis zur Industriepolitik. Gleiches gilt für Russland. China ist eben ein sehr großer Markt, mit Besonderheiten wie alle anderen auch.
Der globale Kostendruck verlagert sich in das mittlere Technologiesegment. Streben Sie die Akquisition von lokalen Wettbewerbern in den BRIC-Ländern samt deren Kompetenzen in diesem Bereich an?
Vor einigen Jahren haben wir in China einen Hersteller von Frequenzumrichtern übernommen. Dies aber weniger wegen des Kostendrucks, sondern weil wir diese Art von Produkten damals nicht hatten und wir durch den Kauf schneller geworden sind. Dies hat sich sehr gut entwickelt. Ein Kauf, um Produktlücken zu schließen und in bestimmten Branchen eine Basis zu schaffen, ist in China genauso richtig wie in anderen Staaten.
Passt eine in und für China entwickelte Good-enough-Technik auch für andere Schwellenmärkte? Lässt sich Brasilien mit dem gleichen „Gut-genug-Produkt“ bedienen wie Russland?
Die Philosophie, Funktionalität zu reduzieren und sich nur darauf zu konzentrieren, was die Maschine braucht, gilt für alle BRIC-Staaten. So entwickeln sich ja auch chinesische Lieferanten, indem sie zuerst China bedienen, dann nach Indien gehen, später nach Asean und Südamerika. Das ist der Trend, auch auf landesspezifische Bedienphilosophien genau zu achten. Ein Baggerfahrer in China beispielsweise lenkt sein Arbeitsgerät mit einem filigraneren Joystick, da er kleinere Hände als etwa ein Europäer hat. Diese Good-enough-Philosophie ist sicher übertrag-bar auf andere Emerging Markets.
Lieferanten in Asien holen in Qualität und Prozessfähigkeit rapide auf. Was bedeutet das für den weltweiten Wettbewerb?
Jeder schnell wachsende Markt erzeugt automatisch mehr Wettbewerb, denn er zieht Firmen an, egal ob von innen oder von außen. Die chinesischen Unternehmen aber sind schnell und sie entwickeln sich rasch. Durch ihre große Stückzahlbasis entsteht angesichts der Größe des chinesischen Marktes manchmal in kürzester Zeit völlig neuer Wettbewerb. So hat sich etwa die Windbranche innerhalb von zwei oder drei Jahren sowohl auf der Anlagen- als auch der Zulieferseite komplett umgekrempelt. Scheinbar aus dem Nichts sind chinesische Lieferanten entstanden, die aber seit langem bekannt sind und ihren Heimatmarkt genutzt haben: Größe, Stückzahl, Kosten, danach folgt die nächste Region – nach diesem Schema entwickeln sie sich. Der große attraktive chinesische Wachstumsmarkt zieht Wettbewerb an, natürlich auch viele chinesische Firmen. Und diese entwickeln sich schnell. Was gut ist für die Kunden, aber manchmal einen schwierigen Wettbewerb ergibt. Da muss man sehr auf der Hut sein.
Industrieanzeiger
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