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„Das System rechnet sich auf jeden Fall“

Entwicklung
„Das System rechnet sich auf jeden Fall“

Netzrückspeisung | Mit einer neuartigen Energierückspeise-Einheit von Lenze lässt sich die Bremsenergie in Maschinen und Anlagen effektiver nutzen. Hochschulprofessor und Lenze-Innovationsleiter Holger Borcherding erläutert die Vorteile des neuen Konzepts, das Stromkosten deutlich reduzieren kann. §

Autor: Dietmar Kieser

Auf der letztjährigen SPS IPC Drives 2014 in Nürnberg und der Hannover Messe 2015 zeigte Lenze eine neuartige Energie-Rückspeiseeinheit als Prototyp. Was erwarten Sie sich davon, wenn Sie dort eine Konzeptstudie zeigen?

Es war nicht das erste Mal, dass Lenze neue Technologien in diesem Stadium auf Messen vorstellt. In diesem speziellen Fall haben wir die Konzeptstudie sogar auf dem Hauptstand präsentiert. Einerseits wollten wir das nicht ganz neue Thema Rückspeisung wieder aufleben lassen. Umso wichtiger war es andererseits, relativ früh aus einem laufenden Forschungsprojekt heraus diesen Demonstrator zu zeigen und die Resonanz zu testen.
Wie groß war der Zuspruch?
Recht hoch. Auf der SPS IPC Drives, wo die Netzrückspeisung für kleine Leistungen im Vordergrund stand, führte ich an einem Tag über 20 Gespräche.
Was macht diese Erfindung so interessant?
Dass sich das Konzept einfach integrieren lässt. Sichtbar wird der Effekt bereits am Gerät, das lediglich aus einem Gehäuse und den Anschlussleitungen besteht. Das bereits zeigt die Einfachheit. Die Rückspeiseeinheit lässt sich quasi, plug and play‘ mit einem Standard-Frequenzumrichter verbinden – und schon ist das Thema Energierückspeisung gelöst.
Was ist originär neu daran?
Der Frequenzumrichter bleibt unangetastet, ebenso sein Eingangskreis. Darin unterscheidet sich die Lösung komplett von konventionellen Systemen am Markt, bei denen ein rückspeisefähiges Versorgungsmodul den ungesteuerten Gleichrichter im Umrichter durch einen gesteuerten ersetzt. Mit unserem Gerät bleibt der Energiefluss vom Motor zum Netz ebenso unverändert wie der Wirkungsgrad. Erst wenn die generatorische Energie tatsächlich genutzt werden soll, wird durch die Netzrückspeisung die überflüssige Energie im Zwischenkreis abgegriffen und ins Netz gespeist. Da der Einspeisepfad vom Rückspeisepfad getrennt ist, braucht es nur eine so große Netzrückspeisung, wie der Prozess gerade benötigt.
Das wurde bislang technisch so nicht umgesetzt?
Nicht in der Art und Weise, in der Kompaktheit und mit dem erreichten Kostenziel. Ich selber befasse mich schon lange mit diesem Thema. Vor über 20 Jahren habe ich auf dem Gebiet der rückspeisenden Stromrichter promoviert. In etwa so lange ist diese Technik marktreif und in dieser Form immer noch in allen Geräten präsent, mit allen Nachteilen – also sehr große Geräte, mit hohem EMV-Aufwand und problematisch beim Kombinieren mit Standardumrichtern. All dies vermeiden wir. Unsere Lösung lässt sich wie ein Bremswiderstand sehr schnell integrieren. Wer einen Bremswiderstand auslegen kann, kann ebenso die Netzrückspeisung projektieren.
Das klingt, als hätten Sie einen deutlichen Entwicklungsvorsprung?
Ich denke schon. Unser Vorsprung liegt darin, wie diese Technik zu gestalten ist und was dafür benötigt wird.
Wodurch unterscheidet sich das System noch von marktgängigen Rückspeiseeinheiten?
Ein besonderer Aspekt ist die Modularität. Wer über die Antriebsauslegung – und da sind wir bei Lenze relativ weit – genau weiß, wie viel Rückspeiseenergie auftreten kann, braucht nur das Gerät entsprechend zu dimensionieren. Überdies können wir mehrere Einheiten parallel schalten. Dazu ein Beispiel: Bei relativ großen Sprüngen in der Produktpalette ließe sich ein kleineres Gerät parallel dazuschalten. Das würde die fehlende Baugröße ersetzen, falls nur wenige Prozentpunkte mehr benötigt werden. Dies ist gerade in den Active Frontends bei Wettbewerbsgeräten überhaupt nicht möglich. Dort darf genau eine zentrale Ein-/Rückspeisung verwendet werden, es muss also die nächstgrößere verfügbare Baugröße eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass wir keinen separaten EMV-Filter benötigen, da alles im Gerät integriert ist.
Sie sagten, dass es eine Netzrückspeisung auch für kleine Leistungen sei. Liegt darauf Ihr Hauptfokus?
Nicht nur, grundsätzlich geht es um Energiesparen in allen Leistungsbereichen, in denen dieses sinnvoll ist. Hierbei soll möglichst über die eingesparten Energiekosten die Mehrinvestition realisiert werden. Deshalb werden wir zuerst über größere Leistungen den Markt betreten und uns dann zu den kleinen vorarbeiten. Mit den kleinen Leistungen wollen wir zeigen, was technisch machbar ist und welche Zusatznutzen sich ergeben, z.B. geringe Abwärme im Schaltschrank. Ich bin mir sicher, dass sich der Leistungsbereich um ein Kilowatt, der bisher für die Rückspeisung nicht betrachtet wurde, jetzt wirtschaftlich lösen lässt. Ansonsten finden sich Rückspeiselösungen eher im Bereich oberhalb zehn oder 15 Kilowatt. Jetzt können wir einen deutlichen Leistungssprung nach unten erreichen.
Das beantwortet die Frage, ab welcher Energiemenge sich eine Rückspeiseeinheit lohnt.
Viele kleinere Firmen in Deutschland bezahlen mit 15 bis 20 Cent pro Kilowattstunde marktüblich hohe Preise, die großen Energieverbraucher aber nur um fünf Cent. Somit rechnet sich das System für eine kleinere Firma auf jeden Fall, da wir eine günstige und modulare Lösung anbieten können.
In welchem Zeitraum amortisiert sich eine solche Einheit?
Für eher größere Hubanwendungen wie in Regalbediengeräten schätzen wir ein bis zwei Jahre. Bei kleineren Leistungen wird es länger dauern. Auf der Hannover Messe haben wir den Demonstrator eines kleinen Hubwerkes gezeigt. Dessen Energieverbrauch hat sich durch die Rückspeisung um 20 Prozent reduziert.
Was fehlt dem Prototyp bis zum fertigen Produkt?
Wir sind dabei, bestimmte Baugrößen zu entwickeln. Auf den nächsten Messen werden sicherlich Seriengeräte zu sehen sein.
Was kann ein Maschinenbauer derzeit damit anfangen? (Kann in Printversion entfallen)
Er wird die Netzrückspeisung bald beziehen können und vielleicht schon mit uns Einsatzfälle besprechen wollen.
Wann ist das Forschungsprojekt gestartet?
In den Ansätzen und in den Ideen begann alles vor sechs Jahren. Im Rahmen zweier gestaffelter Forschungsprojekte haben wir versucht, diese Idee, die damals sehr risikobehaftet erschien, mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung voranzubringen. Lenze war einer der Technologiepartner auf der Unternehmensseite, mein Labor für Leistungselektronik und elektrische Antriebe der Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat das Projekt maßgeblich bearbeitet.
Auf welcher Wegstrecke befinden Sie sich derzeit?
Kurz vor dem Abschluss. Die grundsätzlichen Probleme sind gelöst, die Systemeigenschaften bekannt. Jetzt geht es darum, die Entwicklung umzusetzen und erste Kunden zu beliefern, damit wir ihre Erfahrung aufnehmen und für die Weiterentwicklung nutzen können.

Anschließen und loslegen
Das Konzept einer neuartigen Lösung für die Rückspeisung von Energie ins Netz lässt sich einfach anwenden, ist kompakt und besonders effizient. Da Einspeise- und Rückspeisepfad getrennt sind, können beide Zweige separat ausgelegt werden. Eine Anlage lässt sich so je nach Bedarf exakt dimensionieren. Ihr Herzstück bilden schnell schaltende Halbleiter aus Siliciumcarbid, wodurch die Rückspeiseeinheit extrem kompakt und leicht ist und einen hohen Wirkungsgrad erreicht. Dadurch sollen sich die Geräte bereits in kurzer Zeit rechnen, betont Anbieter Lenze. Die Einheit ist skalierbar von 2 bis 48 kW und lässt sich einfach, selbst nachträglich, in Plug&Play-Manier in bestehende Installationen integrieren. Auch Anwendungen, in denen sich eine Netzrückspeisung bisher nicht lohnte, profitieren von der Innovation. •
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