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Der Laser macht spröde Materialien munter

Lasertechnik unterstützt mechanische Umformverfahren
Der Laser macht spröde Materialien munter

Herkömmliche mechanische Verfahren wie Biegen, Stanzen oder Umformen kommen bei Leichtbauwerkstoffen an ihre Grenzen. Der unterstützende Einsatz des Laserstrahls erweitert die Verfahrensgrenzen. Eine liniengenaue Er- wärmung entfestigt die spröden Werkstoffe genau dort, wo die Umformung stattfindet.

Wenn spröde Magnesiumlegierungen sich problemlos biegen lassen oder Titanlegierungen in der CNC-Stanze mit Feinschnittqualität geschnitten werden, dann ist der Laserstrahl im Spiel – jedenfalls in den Laboren der Forschungsinstitute und Hochschulen. Das muss nicht so bleiben, denn während die bisherigen Untersuchungen zur Laserunterstützung von mechanischen Bearbeitungsverfahren wie dem Biegen, Drücken, Scherschneiden oder Drahtziehen mehr als Machbarkeitsuntersuchung liefen, wurden im letzten halben Jahr zwei industrienahe Lösungsansätze für das Gesenkbiegen und das Stanzen präsentiert.

„Prinzipiell kann man jedes Verfahren mit dem Laserstrahl unterstützen“, sagt Friedrich Killian, Technikvorstand der Trumpf GmbH & Co. KG in Ditzingen, während der Vorstellung des laserunterstützten Gesenkbiegens (LUGB) bei Trumpf Austria in Linz. Die Wirkmechanismen, wie in der Umform- oder Schneidzone durch Erwärmung mit dem Laser die Fließspannung herabgesetzt wird, sind bekannt. Es komme aber darauf an, die Komponenten und Systeme brauchbar für den industriellen Einsatz zu machen. Der Weg dahin kann lang sein, wie die zehn Jahre von der Erfindung bis zur brauchbaren Lösung zeigen. In vielen Entwicklungsschritten am Institut für Umformtechnik und Hochleistungslasertechnik (IFLT) der TU Wien – zusammen mit Trumpf – hat erst der Diodenlaser zu einem Lasermodul geführt, das in einem für herkömmliche Gesenkbiegemaschinen passenden Gesenk unterzubringen ist. In einem solchen Modul sind acht 200-W-Diodenlaserbarren auf Mikrokanalkühlern in einem 100 mm hohen und 100 mm langen Untergesenk mit 16 mm Gesenkweite untergebracht. Die Diodenlaser erzeugen einen gestreuten Laserstrahl, der durch die Matrize hindurch das Werkstück an der Blechunterseite exakt an der Biegelinie erwärmt. Für größere Werkstücke können mehrere dieser Gesenke aneinander gereiht werden. Ein Schuber schließt das Gesenk neben dem Werkstück ab. Der Effekt ist erstaunlich. Spröde Leichtbauwerkstoffe wie die Magnesiumlegierungen des Demonstrationswerkstücks, die ohne den Laserstrahl noch im Gesenk brechen, lassen sich mit Lasereinsatz geschmeidig umformen. Den Effekt erläutert Prof. Dieter Schuöcker vom IFLT am Beispiel des WS 1200. Bei diesem Werkstoff reduzieren sich bei Temperaturen zwischen 150 und 300 °C die Fließspannungen auf 50 % des Ursprungswerts. Dabei reicht es aus, diese Biegelinie selektiv zu erwärmen. Die Maßnahmen beim Handling beschränken sich so auf Schutzhandschuhe und Laserbrille, die Erwärmung erfolgt zudem schneller und effizienter als bei einem Induktionsprozess. Schuöcker betont, dass es sich beim LUGB um ein unterstützendes Verfahren für das Gesenkbiegen handelt, das nicht mit dem Laserstrahlbiegen oder Laserstrahlumformen zu verwechseln ist. Beim laserunterstützen Gesenkbiegen gelten die Gesetzmäßigkeiten des Gesenkbiegens und es kann auf herkömmlichen Gesenkbiegepressen ausgeführt werden. Lediglich bei der Temperaturführung müssen Erfahrungen gesammelt werden. Im Prinzip beginnt der Prozess mit einer kleinen Kaltkantung, zur Versteifung des Blechs, anschließend erfolgt die Erwärmung durch den im Unterwerkzeug eingebauten Laser. Sobald an einem im Oberwerkzeug integrierten Thermoelement das passende Temperaturniveau herrscht, wird der mechanische Biegevorgang fortgesetzt. Testanwender des Verfahrens wie die Amag Rolling, Ranshofen, oder die Salzgitter Magnesium-Technologie GmbH, Salzgitter, die industriell Bauteile aus Aluminium- oder Magnesiumlegierungen herstellen, sehen grundsätzlichen Bedarf für das Verfahren. Die Prognosen für den zunehmenden Einsatz von Leichtbaumaterialien sprechen dafür.
Dieser Hintergrund motiviert auch die Institute, die im Rahmen des Forschungsprojekts Hybrid Punch Verfahren zum laserunterstützten Stanzen und Umformen von hochfesten Blechwerkstoffen in einer Aufspannung untersuchen. Ziel des Projektes ist ein sofort nach Projektende von jedem blechbearbeitenden Unternehmen auf herkömmlichen Maschinen einsetzbares Lasermodul. Erster Erfolg auf diesem Weg ist ein von Michael Emonts und Prof. Christian Brecher vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen vorgestelltes Verfahren zum laserunterstützten Scherschneiden. Mit einem Diodenlaser-Modul wird der Werkstoff innerhalb weniger Zehntelsekunden im Bereich der Scherzone, erwärmt, kurz bevor der Schneidstempel auf der Blechoberseite auftrifft. Die erhöhte Temperatur unterhalb der Rekristallisationstemperatur entfestigt den Werkstoff und erhöht das Fließvermögen in der Scherzone. Die beim Kaltstanzen übliche Bruchphase reduziert sich und der Glattschnittanteil steigt, während die Schneidkräfte sinken. Mit dem Verfahren lassen sich nach Michael Emonts auch hochfeste Blechwerkstoffe auf konventionellen Stanz-Nibbel-Maschinen bearbeiten. Trennkanten mit 100%igen Glattschnittanteilen sind im Normalschneidverfahren zu erreichen und beim Stanzen von beispielsweise Edelstahlblechen reduzieren sich die Schneidkräfte um mehr als 70 %. Beim Lochen von 3 mm dicken V2A-Blechen steigt der Glattschnittanteil von 30 % der Blechdicke auf 90 %, gleichzeitig nimmt der Kanteneinzug um mehr als 60 % ab. Das Projekt tritt jetzt in die zweite Phase, in der das Modul optimiert wird. Schon in den Erstversuchen konnte das Diodenlasermodul ohne großen Aufwand in eine herkömmliche Stanz-Nibbel-Maschine der Lörracher Boschert GmbH & Co. KG eingebaut werden konnte. Nur wenige Baugruppen mussten angepasst werden, um die Laserbearbeitungsoptiken und eine Schutzeinrichtung zu integrieren.
Der Einsatz des Lasers zur Unterstützung mechanischer Bearbeitungsverfahren in der Umformtechnik ist nicht ganz neu. Spätestens seit Mitte der 1990iger Jahre wurde in zahlreichen Forschungsprojekten die Machbarkeit auf vielen Gebieten nachgewiesen, ohne dass die Verfahren bisher ihren Weg in die Industrie gefunden hätten. So gilt beispielsweise das Laserstrahlumformen, bei dem mit dem Laserstrahl partielle Erwärmung und damit Spannungen erzeugt werden, die zu berechenbaren Umformungen führen, als weitgehend erforscht. Im Labor konnte das Verfahren zum Biegen, zum Richten und sogar zur Erzeugung dreidimensionaler Strukturen eingesetzt werden. Ein nennenswerter industrieller Einsatz ist nicht bekannt.
Am IPT in Aachen wurde 2003 ein Verfahren zum laserunterstützten Metalldrücken vorgestellt, mit dem Titanlegierungen Ti2 und TiAl6V4 in die Form eines Felgenrings respektive eines Katalysatortrichters gedrückt wurden. Ein Diodenlaser diente zur Erwärmung der Umformzone. Relativ früh wurde auch der Einsatz des Lasers im Rahmen des Tiefziehens an verschiedenen Instituten untersucht. Erwähnenswert sind die am Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen ermittelten Ergebnisse für die Herstellung von Mikroteilen und Kleinstteilen. Eingebracht wird hier der Laserstrahl durch transparente Werkzeugeinsätze aus Saphir über fasergeführte Laser. Mit den Versuchswerkzeugen konnten laserunterstützt Zahnräder aus einer Magnesiumlegierung AZ31 mit 36 Zähnen bei einem Durchmesser von 5 mm und einer Blechdicke von 0,5 mm gestanzt werden.
Eine ganze Reihe von Projekten zur Laserunterstützung mechanischer Umformverfahren führt das Institut für Umformtechnik und Hochleistungslasertechnik an der TU Wien durch. Neben dem laserunterstützten Biegen sind der Lasereinsatz beim Profilwalzen, Tiefziehen und Innenhochdruckumformen sowie beim ziehsteinlosen Drahtziehen Gegenstand von Forschungsvorhaben.
Auf dem Weg aus der Krise, setzen Experten auf Innovationen in der Fertigungstechnik. Besonders im Automobilbau ist der zunehmende Einsatz von Leichtbaumetallen wahrscheinlich und damit wächst der Bedarf an entsprechender Umformtechnik. Nach den Untersuchungsergebnissen und den industrienahen Lösungsansätzen haben die Laserunterstützen Verfahren das Potenzial ein Teil dieser neuen Leichtbau-Umformtechik zu werden. Verfrühten Hoffnungen baut Armin Rau, technischer Geschäftsführer bei Trumpf Austria zumindest für das LUGB vor: „Es handelt sich um Basisentwicklungen, die noch nicht zum Verkauf stehen. Anfragen werden individuell behandelt.“
Volker Albrecht freier Journalist in Bamberg
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