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„Der Werkzeug- und Formenbau muss sich seine eigenen Kunden schaffen“

Prof. Thomas Garbrecht testet virtuellen Arbeitsraum für den schnellen Austausch
„Der Werkzeug- und Formenbau muss sich seine eigenen Kunden schaffen“

Für einen großen virtuellen Werkzeug- und Formenbau macht sich Prof. Dr.-Ing. Thomas Garbrecht stark. Die Drehscheibe dafür ist für den Esslinger Hochschulprofessor und Forschungsbeauftragten des VDWF ein Online-System.

Hat die Wirtschaftskrise das Thema Nachhaltigkeit nicht nur befördert, sondern sogar ins Kerngeschäft gerückt?

Die Krise hat die Trends, die zuvor schon eine gewisse Bedeutung hatten, sicherlich beschleunigt. Durch die Krise selbst ist kein wirklich neuer Trend entstanden, wohl aber haben alle Trends – also unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeiten in den Regionen, energieeffiziente Lösungen und Nachhaltigkeit – Gewicht und Beschleunigung durch die Krise bekommen.
Wird nachhaltiges Wirtschaften aber jetzt nicht mehr denn je fokussiert?
Natürlich hat es durch die Krise an Bedeutung gewonnen, wobei es auch früher schon bedeutend war. Für Bosch Rexroth wie für gesamte Bosch-Gruppe hatten Themen wie CO2-Footprint und C02-Reduktion bereits vor der Krise eine hohe Bedeutung und wir haben im Laufe der Zeit noch mehr Energie darauf gelegt, noch mehr im Fokus.
Gibt es überhaupt noch ein Segment in Ihrem Portfolio, das nicht schon „grün“ ist?
In puncto Nachhaltigkeit fahren wir eine Doppelstrategie. So verfolgen wir in unseren Werken das Ziel, den C02 -Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Was wir hierbei lernen und all die dabei angewandten Methoden werden wir auch im Markt anbieten – auf der Hannover Messe etwa in Form unserer neuen Energieberatung, die sich über sämtliche Funktionen einer Fabrik spannt, von der Analyse bis zur operativen Umsetzung. Damit berührt das Thema auch unser gesamtes Portfolio.
Rexroth-Kunden können also bis in zehn Jahren mit einem Fünftel weniger C02 -Ausstoß rechnen?
Durchaus, in einem internen Projekt haben wir den Nachweis erbracht, dass sich die Investition bereits mit vorhandener Technologie innerhalb von ein oder zwei Jahren amortisiert und dass sich mit diesen Technologien 15 Prozent Kohlendioxid reduzieren lassen. Solche Konzepte, die zudem Energie sparen, fließen natürlich ein in unsere Produkt- und Technologieentwicklungen, aber auch in Dienstleistungen wie die Energieberatung.
Wie sehr haben sich die Rahmenbedingungen für Innovationen durch die Krise verändert?
Zu den durch die Krise beschleunigten Trends zähle ich auch die Welt der zwei Wachstumsgeschwindigkeiten und die stärkere Globalisierung, die für Kunden abzubilden sind. Unsere Kunden verlangen, dass wir sie in den Wertschöpfungsketten und im Service lokal mit zugeschnittenen Produktkonzepten unterstützen, aber das ganze immer international und damit global koordiniert. Auch Trends wie TCO, also Kosten-Nutzen-Relationen, haben sich sehr stark beschleunigt im Sinne von einfacher Parametrierung, einfachem Einbinden in Automationskonzepte, Sicherheitstechnik oder vorzertifizierten Sicherheitsfunktionen. Große Bedeutung erlangt auch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine, das eine einfache Bedienung und Wartung einschließt.
Wird es künftig noch einfacher werden, etwa im Hinblick auf Märkte wie Indien?
Genau so wie sich die unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten in verschiedenen Ländern erheblich unterscheiden, werden sich zukünftig auch Produkt- und Systemkonzepte zukünftig stärker differenzieren. Den hochflexiblen Fertigungen mit kurzen Umrüstzeiten in den Industriestaaten stehen asiatische Länder, speziell China und Indien, mit hochproduktiven Massenfertigungen gegenüber. Dort werden sogenannte Just-enough-Konzepte zum Zuge kommen, die eine volle Produktivität gewährleisten, verbunden mit sehr einfacher Bedienung und Wartung des ganzen.
Könnte just enough nicht auch für Europa interessant werden?
Ich glaube, dass sich insgesamt die mittleren, zwischen dem Highend und dem Lowend angesiedelten Produktsegmente auch in den anderen Ländern etablieren werden. Aber der Fokus der Industrie ist eben ein anderer. Währen die Asiaten sehr hohe Stückzahlen produzieren, legen die Europäer den Fokus auf hohe Komplexität. Darauf zugeschnitten entstehen völlig andere Anforderungen.
Werden chinesische Märkte in der Breite schon bald eine höhere Komplexität fordern?
In einem Land wie China, wie überhaupt in Asien, wird sich die ganze Technologiebreite abspielen. Es wird auch Anwendungen geben, in denen hochkomplexe, hochperformante Maschinen eingesetzt werden, dort auch entwickelt und gebaut. Aber das Segment wird klein bleiben. Grundsätzlich werden chinesische Hersteller aber technologisch einen Schritt nach vorn machen. Damit trifft sich künftig die ganze Welt in diesem mittleren Segment. Genau darauf zielt auch die Indramotion MTX micro ab, eine kompakte CNC-Systemlösung für Werkzeugmaschinen in hoher Stückzahl mit der vollen Leistungsfähigkeit einer CNC, aber eingeschränkter Komplexität.
Benötigen Sie künftig in China mehr Entwicklungsingenieure als in Deutschland?
Sicherlich führt das Wachstum in Märkten wie in China dort zu einem sehr starken Aufbau von Entwicklungskapazität, um die lokal angepassten Konzepte zu entwickeln. Das ganze führt dann zu einem gewissen Wachstum in Deutschland, vor allem aber zu einem anderen Qualifikationsprofil, denn in dieser Vorstellung des weltweiten Entwicklungsverbundes ist es so, dass die Plattformentwicklungen – die Konzepte und die Architekturen in Deutschland – entstehen, und auf dieser Basis lokale Adaptionen gemacht werden. Deshalb sind in Deutschland höhere Qualifikationen gefragt und vor Ort eher Entwickler für die Applikationen. Deshalb kommt auch die Grundlagenentwicklung für die MTX micro aus Deutschland und alles, was stärker anwendungsspezifisch ist, also Bedienoberflächen oder das Panel, aus China. Dieses neue Produktsegment führt zu einem starken Thema in China, aber hat den Kern und die Heimat in Deutschland.
Schwellenländer und etablierte Märkte wachsen unterschiedlich schnell. Wie gehen Sie mit diesen beiden Geschwindigkeiten um?
Wir sind ja in all diesen Ländern mit eigenen Gesellschaften vertreten und wir entwickeln Geschäftsmodelle speziell für diese Länder. Jede Gesellschaft ist verantwortlich für die Marktausschöpfung in diesem Land und hat die marktnahen Funktionen in einer sehr hohen Eigenständigkeit. Je stärker es dann in Produktion oder Entwicklung geht, desto stärker arbeiten wir in einem weltweiten Verbund von Produktionsnetzwerken oder auch von Entwicklungsnetzwerken.
Erhielte China im Fall einer lokal sehr weit fortgeschrittenen Produktion dennoch in Deutschland gefertigte Produkte?
Aus Gründen der Marktnähe sowie der Geschwindigkeit und Flexibilität der Märkte bedienen wir diese aus den Märkten heraus und fertigen dort. Nicht immer ist das bei allen Stückzahlen möglich. Zudem gibt es auch bestimmte Kernkomponenten, die wir aus dem Plattformgedanken heraus in Deutschland entwickeln und in der Anfangsphase hier auch fertigen. Das ist immer ein Abwägen von Stückzahl, Knowhow, Flexibilität und Geschwindigkeit.
Welche Folgen hat die regionale Verschiebung für Deutschland und Europa?
In unserem Umsatzportfolio haben sich damit natürlich die Anteile verschoben, und in den Wachstumsmärkten sind wir dabei, unsere Wertschöpfung auszubauen, also Fertigung wie auch Entwicklung. Auf der anderen Seite unterstützt das natürlich immer auch die Arbeitsplätze in Deutschland, weil wir von dort aus bestimmte Kernkomponenten liefern und die Plattformentwicklungen in Deutschland sitzen und wir in den Märkten auf Basis dieser Plattformentwicklungen dann lokal angepasste Konzepte für die Länder entwickeln. Damit zieht das Wachstum in den Ländern sehr stark die Wertschöpfung in den Ländern mit und im zweiten Schritt, dann etwas abgeschwächt, auch Arbeitsplätze in Deutschland.
Die Regionenveränderung hat in China beispielsweise die Windkraft zum Erstarken gebracht. Sehen Sie weitere Industrien, die sich ähnlich entwickeln und von denen Rexroth profitieren wird?
Hier ist ein Markt, der zuerst primär von Europa und Nordamerika dominiert war, innerhalb kürzester Zeit mit einem sehr starken China-Anteil gewachsen. Im Jahr 2010 hat etwa 50 Prozent der jährlichen Aufstellleistung des Weltmarktes in China stattgefunden. Das wird langfristig sicherlich bei 30 Prozent bleiben. Das hat dort Kunden, chinesische Windanlagenbauer hochgezogen, hat aber auch dazu geführt, dass europäische Windanlagenbauer Fertigungen in China hochgezogen haben und auch wir als Rexroth, die ja lokal bedienen wollen, haben in China in ein Werk für Windkraftgetriebe investiert. Das starke Wachstum hat dann dazu geführt, dass wir dort auch Infrastrukturunterstützung aufbauen können. Eigentlich ist das ein positiveres Thema, dass ein Land wie China, auch mit Macht einen Markt vorantreibt und führt dazu, dass viele Kunden dort hingehen und dann natürlich in den Heimatmärkten mitwachsen. Und es gibt eine ganze Reihe von Märkten, die in China sehr stark wachsen, ob das Werkzeugmaschinen sind, ob Baumaschinen, die primär zuerst für den Eigenbedarf sind, aber im zweiten Schritt auch für den Export genutzt werden können, und dort gehen auch deutsche oder amerikanische Kunden mit eigener Wertschöpfung nach China, damit wächst der Markt insgesamt weiter.
Wie groß ist die lokale Wertschöpfung in China?
Das ist schwierig zu beantworten, da wir uns in einem Fertigungsverbund bewegen. Und wir haben Flüsse aus verschiedensten Ländern, aber auch aus China heraus. Aber wir werden in die Wertschöpfung und in die Entwicklung in China weiter investieren. Aber China ist nur ein Beispiel. Es gibt eine Reihe von Ländern, die mit einer ähnlichen Logik wachsen. Indien, Brasilien, Russland. Diese Schwellenländer sind derzeit ein großer Motor der Weltwirtschaft.
Können Sie sich vorstellen, dass Rexroth bis 2015 mehr in China als in Europa fertigt?
Gewiss wächst der prozentuale Anteil unseres Geschäfts in China sehr stark. Aber die Produktion in China wird die in Deutschland nie überholen – allein schon aufgrund der Zahl der Produktionswerke, von denen 16 in Deutschland und drei in China stehen. Eher müsste man Asien im Vergleich zu Europa betrachten. Bis dato wird die Marktgröße in Asien größer sein als in Europa. Da wir aber aus Europa kommen, wird unser Umsatzanteil immer stärker sein als in Asien und da dort auch die Produktionswerke sind, wir das Gleichgewicht nicht kippen können. Aber es gibt eine graduelle Verschiebung in den Themen Marktgröße, Umsatzgröße und Wertschöpfung. Aber kippen wird es in diesem Zeitraum nicht?
Sind in Deutschland neue Fabriken denkbar?
Wir investieren kontinuierlich in unsere Produktionsstätten, um die Produktivität zu erhöhen und die Qualität abzusichern und sie zu erhöhen. Wie gesagt, zieht das starke Wachstum in den Schwellenländern auch ein Wachstum in deutschen Produktionsstätten und zugehörigen Entwicklungsabteilungen nach sich. Ob das mal wieder zu einer Fabrik führt oder nicht, kann ich jetzt nicht beurteilen.
Wird der drohende Arbeitskräftemangel das Wachstum hierzulande bremsen?
Mir macht derzeit weniger das Thema Arbeitskräftemangel Sorgen, da wir über die Krise und die Jahre hinweg an Produktivität zugelegt haben und insgesamt mit unseren Mitarbeiterprogrammen bisher gut gefahren sind. Kritischer sehe ich das Thema Zulieferindustrie, nämlich dahingehend, ob wir ausreichend Zulieferteile erhalten, etwa elektronische Bauelemente, Kupfer oder Stahl. Dies könnte eher eine Begrenzung darstellen.
Und die steigenden Rohstoffpreise?
Das ist eine unschöne Geschichte fürs Ergebnis, behindert aber nicht unbedingt die Menge des Ausstoßes der Fabriken.
Welche Neuheiten wird Bosch Rexroth auf der Hannover Messe präsentieren?
Wir wollen besonders drei Themen hervorheben: Wir haben einerseits das Thema Easy Handling, also einfache Bedienbarkeit, TCO. Andererseits sind wir dort mit Automatisierungssystemen mit gemischten Technologien, also unsere MRC Intramotion für Hydraulik- und für elektrische Antriebe. Dort haben wir hydraulische Funktionalitäten in der Steuerung integriert. Damit ist die auch sehr einfach in Betrieb zu nehmen und auch einfach in übergeordnete Architekturen einbindbar, also in übergeordnete Automatisierungsstrukturen. Und damit können wir, egal ob elektrische, pneumatische oder hydraulische Antriebstechnik, sehr einfach in ein gesamtes System integrieren. Der dritte Schwerpunkt ist am Beispiel einer Solarzellenfertigung, dass wir eben durch die Kombinatorik unserer Technologien zur Automatisierung einer ganzen Zellenfertigung beitragen können, von ganz am Anfang vom Silizium bis zum fertigen Modul, und das eben spezifisch für diese Branchen.
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