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Faserverbund-Kunststoffe – mehr als nur Carbon…

Der „beste“ Werkstoff ist immer derjenige, der zur speziellen Anwendung optimal passt
Faserverbund-Kunststoffe – mehr als nur Carbon…

Faserverstärkte Kunststoffe oder neudeutsch „Composites“ sind in aller Munde und unter ihnen besonders der „schwarze Werkstoff“ CFK. Was aber sind Composites und CFK genau? Und was ist ihr Potenzial? Eine nüchterne Einschätzung.

Im Zentrum der Diskussion um leichtere Flug- und Fahrzeuge, die künftige Mobilität und reduzierten Spritverbrauch steht immer wieder ein Werkstoff: CFK – genauer Kohlenstofffaser- oder Carbonfaserverstärkter Kunststoff. CFK, fachlich nicht ganz richtig oftmals auch „Carbon“ genannt, ist „in“. Getrieben nicht zuletzt durch die enorme Marketingoffensive einzelner Hersteller mit „dem schwarzen Werkstoff“. Diskutiert werden Fragen der Serienfertigung, Verfügbarkeiten und potenziellen Marktanteile.

  • Was aber sind Composites und CFK eigentlich genau?
  • Wie sind die tatsächlichen Potenziale und wie sieht eine mögliche Entwicklung in verschiedenen Anwendungsbereichen aus?
  • Wie stellt sich die Nutzung heute dar?
Abseits der üblichen Diskussionen will dieser Artikel einige Antworten geben und ein realistisches Bild der Möglichkeiten zeichnen.
Was sind Faserverbundkunststoffe?
Hinter dem Kürzel CFK verbirgt sich ein hochspezialisierter Werkstoff, stellvertretend für eine ganze Werkstoffgruppe. Diese Materialien setzen sich zusammen aus den (schwarzen) hochfesten Carbonfasern und einem sie umgebenden Kunststoff, dem Harz. Sie gehören damit zur Gruppe der Faserverbundkunststoffe (FVK). Diese reihen sich ein in die deutlich größere Gruppe der Verbundwerkstoffe (engl. Composites), die aus mehreren Komponenten bestehen und zu denen etwa auch Stahlbeton oder beschichtetes Papier gehören. Das Diagramm auf Seite 44 zeigt die möglichen Kombinationen dieser Komponenten.
Für FVK kennzeichnend ist dabei die Nutzung einer Kunststoff-Matrix. Die typischerweise eingesetzten Komponenten sind rot hervorgehoben. Über Verstärkungsfaser, Fasergehalt, Matrix und Faserorientierung nimmt der Entwickler enormen Einfluss auf das Bauteil.
Zu den Grundkombinationen der Hauptkomponenten lassen sich weitere Elemente hinzufügen: Füllstoffe, die das Gewicht bei vorgegebener Bauteildimension weiter reduzieren. Oder chemische Additive, die zum Beispiel die Brennbarkeit der Werkstoffe herabsetzen.
Je nach Wahl von Verstärkungsfasern, Harz, Faserform, Faser- und Füllstoffanteil entsteht ein individuell konzipierter Werkstoff, der sich an die jeweiligen Anforderungen sehr gut anpassen lässt. Im Bereich FVK lautet die Frage also nicht: Was kann der Werkstoff und wie lässt sich dieser einsetzen? Vielmehr: Welche Art von Anwendung habe ich und wie muss der Werkstoff dafür gestaltet sein?
Nicht zuletzt wegen dieser enormen Flexibilität sind FVK in den letzten Jahren zu einem sehr erfolgreichen Werkstoff geworden, der sich in vielen Anwendungen am Markt durchgesetzt hat und Verwendung in unterschiedlichsten Einsatzgebieten findet.
Einsatzgebiete von FVK heute
Aufgrund ihrer geringen Dichte sind FVK relativ leicht. Daneben verfügen sie aber über eine Reihe weiterer, wertvoller Eigenschaften: Beispielsweise sind sie sehr medienbeständig, enorm langlebig und korrosionsbeständig. Die Möglichkeit, spezifische mechanische und andere physikalische Eigenschaften einzustellen, wird durch eine hohe Designfreiheit ergänzt. So lässt sich etwa eine sehr gute Hitzeresistenz erreichen.
Diese beispielhaften, positiven Eigenschaften haben dazu beigetragen, dass FVK bereits seit vielen Jahren in vielen Märkten Einzug gehalten haben, unter anderem im Automobil-, Bau-, Elektronik- Sport- und Freizeitsektor. Die Entwicklung und der Einsatz von FVK in der Industrie sind also nicht neu, wie in jüngster Zeit oft suggeriert, sondern es geht um etablierte Werkstoffe.
CFK zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Eingangs wurde schon angedeutet, dass die aktuelle Diskussion die tatsächlichen Realitäten nicht immer richtig abbildet. Im Folgenden sind nun einige Fakten über den heutigen Markt für Faserverbundkunststoffe zusammengetragen:
  • Die typischsten und gängigsten Verstärkungsfasern bei den FVK sind Glasfasern (Kurz- und Langfasern, Rovings, Gelege…) und nicht wie oft fälschlich angenommen Carbonfasern. Nicht jede Faser oder jeder Werkstoff ist für alle Anwendungen gleichermaßen geeignet. CFK verfügt über enorme mechanische Eigenschaften. Die Carbonfaser ist aber verhältnismäßig teuer und somit nicht für alle Endprodukte geeignet.
  • Die so genannten GFK (Glasfaserverstärkte Kunststoffe) machen auch heute einen Anteil von weit über 90 % aus, gemessen an der Verarbeitungsmenge von Faserverbundkunststoffen. 2011 lag der geschätzte weltweite Bedarf an Carbonfasern bei etwa 35 000 bis 37 000 t. Im selben Jahr wurden alleine in Europa etwa 2 000 000 t GFK verarbeitet.
  • Eines der zentralen Themen in jüngster Zeit sind die Möglichkeiten zur „Serienfertigung“ von Faserverbundkunststoffen. Abgesehen von dem enorm schwammigen Begriff existiert diese Serienfertigung bereits! Wer würde angesichts der Fertigung von Pkw-Heckdeckeln, Treppenprofilen, Rohrleitungen, Gitterrosten, Scheinwerfergläsern, Rotorblättern für Windkraftanlagen und Nutzfahrzeugaufbauten nicht von „Serienfertigung“ sprechen?
  • Der Anteil an Kohlenstoff- (und auch Natur-)fasern heute und voraussichtlich in der näheren Zukunft resultiert vor allem aus speziellen Anwendungen im Rennsport, der Luftfahrt oder im Automobilinnenraum.
Den besseren Werkstoff gibt es nicht!
Dennoch gilt: Die derzeitigen Aktivitäten sind aus Sicht der Composites-Industrie uneingeschränkt positiv zu bewerten. Die intensive Auseinandersetzung mit CFK trägt dazu bei, die gesamte Werkstoffgruppe mit ihren vielen positiven Eigenschaften weiter bekannt zu machen und zu verbreiten. Immer mehr Ingenieure, Werkstoffwissenschaftler und Produktdesigner setzen sich mit dem ihnen eher unbekannten Material auseinander.
Alle Diskussionen hingegen, die den „besten Werkstoff“ in den Mittelpunkt rücken, entbehren jeglicher Grundlage. Einen „besseren“ oder „schlechteren“ Werkstoff gibt es nicht. In Zeiten knapper Ressourcen muss die Frage hingegen lauten: Welcher Werkstoff ist für die spezifische Anwendung und zum Erreichen der gesetzten Ziele am besten geeignet? Hier dürfen keine Gedankenspiele ausgeklammert werden. Auf einseitige Betrachtungen sollte verzichtet werden.
In bestimmten Anwendungen macht es also Sinn, sich für oder gegen ein Material zu entscheiden. Einige der zu beachtenden Kriterien sind der Preis, die Verfügbarkeit, die Verarbeitungsmöglichkeiten und die mindestens geforderten Materialeigenschaften, aber auch Designaspekte. Vor diesem Hintergrund werden sich wahrscheinlich Hybridprodukte und für die jeweilige Anwendung maßgeschneiderte Werkstoffe durchsetzen.
Ein in dieser Hinsicht vorbildliches Produkt sind Windkraftflügel: In ihnen finden sowohl CFK als auch GFK Verwendung, aber auch Stähle, Beton und andere Werkstoffe – das Rennen macht eben immer der für die jeweilige Herausforderung beste Werkstoff!
Volker Mathes AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V., Frankfurt
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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