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Frühaufsteher mit Leichtbau-Kompetenz

Sachsen-Anhalt: geringste Lohnstückkosten im Bundesvergleich
Frühaufsteher mit Leichtbau-Kompetenz

Frühaufsteher mit Leichtbau-Kompetenz
Auf die Bearbeitung von Großbauteilen konzentrieren sich viele Maschinenbauunternehmen in Sachsen-Anhalt Bilder: IMG Sachsen-Anhalt/Liebl
Sachsen-Anhalt sieht sich für die Krise gewappnet: Der Maschinenbau profitiert vom Strukturwandel zur Herstellung von Anlagen alternativer Energiegewinnung. Und die Automobilzulieferer setzen auf ihre Leichtbau-Kompetenzen.

„Wir stehen früher auf.“ Mit diesem Slogan seiner Standortkampagne möbelt Sachsen-Anhalt sein negatives Image in Deutschland auf. Nicht zuletzt potenzielle Investoren machen die Verantwortlichen mit dieser Kampagne auf das Bundesland aufmerksam, das knapp 20 Jahre nach dem Mauerfall noch immer durch seine rechtsradikale Szene sowie durch eine hohen Arbeitslosenquote in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregt. Von Arbeitslosenquoten von 20 % und mehr wie im Jahr 2006 ist man zwar weit entfernt. Doch im Januar 2009 waren 14,6 % der Bevölkerung arbeitslos gemeldet, nur Mecklenburg-Vorpommern liegt noch dahinter.

Dennoch hat die Frühaufsteher-Kampagne durchaus ihre Berechtigung: Nicht nur stehen die Sachsen-Anhalter um 6.29 Uhr auf – und damit neun Minuten früher als der durchschnittliche Bundesbürger, wenn man Erhebungen des Meinungsforschungsinstituts Forsa Glauben schenken kann. Das Bundesland ist nach Erhebungen des Instituts für Wirtschaftsforschung IWH in Halle auch das produktivste Bundesland – bezogen auf die gewerbliche Wirtschaft: Die Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe lagen 2007 mit 53 % weit unter dem des Landesdurchschnitts mit 69 %.
Dies ist ein wesentlicher Punkt, warum Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff relativ optimistisch in die Zukunft blickt: „Unsere Wirtschaft geht gestärkt in die Krise.“ Dies gilt vor allem für den Maschinenbau, der in dem Bundesland einen Strukturwandel vollzogen hat: Einst Gründungsort des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und lange Zeit Standort des Schwermaschinenbaus, setzt er heute andere Schwerpunkte. Vor allem die Herstellung von Anlagen alternativer Energiegewinnung steht im Fokus vieler der rund 180 Unternehmen, die mit ihren zirka 13 000 Beschäftigten 2007 1,9 Mrd. Euro Umsatz erlöst haben. Der Maschinenbau wurde damit 2008 zum Beschäftigungsmotor.
Zwei Schwerpunktzentren besetzt die Branche: In und rund um Magdeburg konzentrieren sich Unternehmen des Präzisions- und Werkzeugmaschinenbaus sowie der Montage- und Fügetechnik.
Dazu gehören etwa die Sket Maschinen- und Anlagenbau GmbH, die ein Großteil ihrer Aufträge von der Muttergesellschaft Enercon erhält: Rotoren für deren Windkraftanlagen mit bis zu 124 m Flügeldurchmesser werden hier bearbeitet und komplett montiert. „Die Windkraftanlagen werden immer größer, entsprechen ausgelegt müssen unsere Kapazitäten sein“, erklärt Jürgen Müller, Leiter des Vertriebs bei Sket.
Diesen Trend bestätigt auch Erich Brinkmann, Geschäftsführender Gesellschafter der G.M.W. Präzisions GmbH & Co. KG, Burg, der sich wie Sket auf das hochpräzise Drehen und Fräsen von Großbauteilen konzentriert: „Dank des Energiesektors verspüren wir keine Krise.“ Im Gegenteil: In einer neuen Halle mit drei großen Bearbeitungszentren will er ab Februar 2010 Dieselmotoren so bearbeiten, dass sie einbaufertig zum Kunden gehen können. Maschinenteile des Unternehmens waren auch schon mit der europäischen Trägerrakete Ariane 5 im Weltall, außerdem fertigt man gemeinsam mit anderen Unternehmen Formen für das Höhenleitwerk des A380. Dazu wurde im Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automation eine neue Verfahrenstechnik entwickelt.
In direkter Nachbarschaft zu G.M.W. konzentriert sich auch Pro-beam AG & Co.KGaA auf große Bauteile. Sie werden hier in der K-6000, der größten Vakuum-Schweißkammer Europas, elektronenstrahlgeschweißt. Das Verfahren ermöglicht selbst bei komplizierter Geometrie von Bauteilen qualitativ hochwertige Schweißnähte bei großvolumigen, masseintensiven Teilen. So arbeitet das Unternehmen derzeit mit der Weser Wind GmbH und anderen Partnern an einem Forschungsauftrag, der die Sicherheit von Fundamenten für Riesen-Windkraftanlagen im küstennahen Bereich garantieren soll. Und auch Pro-beam erweitert am Standort Burg: Im Sommer 2010 will es die zweite K-6000-Anlage in Betrieb nehmen.
Von Berlin in den Magdeburger SKL-Industriepark hat die MAP Werkzeugmaschinen GmbH vor zwei Jahren die Produktion ihrer Hochgeschwindigkeits-Drehmaschinen verlegt. Hier fertigt sie 5-Achs-Bearbeitungszentren mit Linearmotoren. Dabei setzt es auf kundenspezifische Lösungen und geht auch neue Wege, indem es Leichtmetalllegierungen einsetzt, um so energieeffizientere Maschinen zu realisieren. Dabei wurden Schwingungsresonanzen durch konstruktive Ideen aus dem Weg geräumt. „Dies erfordert ein grundsätzlich neues Herangehen an die Entwicklung von Bearbeitungszentren“, erklärt MAP-Geschäftsführer Kostas Andreu.
Leichtmetall ist auch das Steckenpferd des Maschinenbaus in der Harzregion, genauer gesagt ist hier ein zentraler Standort für innovativen Leichtmetallguss entstanden. „Eine besondere Chance der Automobilzulieferer liegt in der Entwicklung solcher multifunktionaler Werkstoffe. Sie sind wichtig für Leichtbaulösungen für ressourceneffiziente Fahrzeug- und Antriebskonzepte“, erklärt Wirtschaftsminister Haseloff. Drei Jahre lang arbeitete der Wachstumskern Al-Cast in Harzgerode, hervorgegangen aus Sachsen-Anhalts Automotive-Netzwerk Mahreg, an der Entwicklung von Alulegierungen und innovativen Gießverfahren – etwa mit einem eigenen Labor. Dr. Jürgen Ude, Geschäftsführer des Creativitäts- und Competenz-Centrums Alu-Druckguss: „Wir bearbeiten die gesamte Entwicklungskette von der Simulation über den Prototypen- und Werkzeugbau bis hin zur werkstoffbezogenen zerstörungsfreien Prüfung.“ Entstanden ist dort zum Beispiel die Legierung für einen neuen Kia-Motor, der seit kurzem eben in Harzgerode von der Trimet Aluminium AG produziert wird.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Rettende Engel aus China

Wenn chinesische Unternehmen deutsche Wettbewerber übernehmen, ist nach wie vor die Befürchtung groß, dass die Chinesen Know-how abziehen und anschließend den Laden dicht machen. „Auch wir waren anfangs skeptisch“, gesteht Detlef Wolf, Vertriebsdirektor des Werkzeugmaschinenherstellers Schiess GmbH in Aschersleben. Doch sei Shenyang Machine Tool Co. (SMTCL) nach der Insolvenz 2004 als „rettender Engel am Horizont“ aufgetaucht. „Ihre Produkte sind zu den unsrigen vollkommen komplementär. Das gibt uns zumindest für die nächsten Jahre Sicherheit“, so Wolf. Während SMTCL traditionelle Bearbeitungszentren baut, konzentriert sich das mehr als 150 Jahre alte Unternehmen aus Sachsen-Anhalt auf Großwerkzeugmaschinen. Der Trend zu Riesenzentren ist ungebrochen, so dass in Aschersleben bis Mitte des Jahres eine neue Halle entsteht, in der Anlagen von bis zu 20 m Länge gebaut werden sollen. Heute empfindet Wolf die Zusammenarbeit mit den Chinesen sogar als Glücksfall: „Sie lassen uns in Ruhe und geben uns Zugang zum chinesischen Markt.“ Ein „Schmäckerle“ haben sie SMTCL aber doch gewährt: „Seit ein paar Monaten konstruieren sie Teile ihrer Maschinen hier bei uns – und wir helfen Ihnen dabei.“
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