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Für noch mehr Schwung in Werkzeugmaschinen

CFK-Hybridbaugruppen bewähren sich als Leichtbau-Maschinenschlitten
Für noch mehr Schwung in Werkzeugmaschinen

Doppelte Steifigkeit, halbierte Masse – solche Ergebnisse erzielt das Fraunhofer IWU mit bewegten CFK-Baugruppen in Werkzeugmaschinen. Der Werkstoff bietet die Chance, die Produktivität weiter deutlich zu steigern.

Bei Werkzeugmaschinen steht mehr denn je die Steigerung der Produktivität, Bauteilqualität und Reproduzierbarkeit im Fokus – bei möglichst hoher Wirtschaftlichkeit. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist es, das dynamische Verhalten wesentlich zu verbessern. Widersprechende Anforderungen machen jedoch Kompromisslösungen notwendig: Einerseits lässt sich die Bewegungsdynamik bei gleichbleibender Antriebsenergie nur durch bewegte Bauteile mit reduzierten Massen erhöhen. Auf der anderen Seite muss die Struktur so steif sein, dass die geforderte Bahngenauigkeit und damit die Bearbeitungsqualität eingehalten werden.

Während die Maschinenhersteller über ein umfangreiches Wissen zu den Methoden des Systemleichtbaus (Kinematikkonzepte) und des Strukturleichtbaus (Topologieoptimierung) verfügen, besteht noch Forschungsbedarf zum Einsatz von Alternativwerkstoffen für Stahl und Guss unter den speziellen Randbedingungen und Anforderungen in Werkzeugmaschinen.
Verbunde aus Kohlenstoff- und Glasfaser-verstärkten Kunststoffen (CFK, GFK) sind hier von besonderem Interesse. Der Grund sind ihre geringe Dichte und die hohen spezifischen Steifigkeiten und Festigkeiten, die sie ermöglichen. Darüber hinaus sind diese Materialien in Bezug auf Dauerfestigkeit, Dämpfung und Wärmeausdehnung (CFK) konventionellen Stahlwerkstoffen überlegen.
Beim Einsatz von Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV) muss das Ausgangsmaterial gezielt gewählt und konstruktiv ausgelegt werden. Bei einer unsachgemäßen Werkstoffwahl oder nicht werkstoffgerechten Konstruktion, etwa einem nicht belastungsgerechten Lagenaufbau, können hohe Bauteilkosten entstehen, die alle Vorteile zunichte machen. FKV besitzen richtungsabhängige Eigenschaften. Dieser Aspekt muss bei der Konstruktion und Simulation zwingend berücksichtigt werden. Die genaue Kenntnis der Hauptspannungsrichtungen für jeden Lastfall ist unabdingbar. Insbesondere die Schnittstellen zu metallischen Krafteinleitungen sind gezielt zu dimensionieren. Nur so können optimale Eigenschaften eingestellt und die notwendige Festigkeit im Betrieb gewährleistet werden.
Für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist auch das Herstellungsverfahren relevant. Seine Wahl hängt eng von der gewählten Bauweise ab, die dem jeweiligen Bauteil und der gewünschten Stückzahl entsprechen muss. Größere Komponenten wie Schlitten und Querbalken lassen sich kostengünstig aus geeigneten CFK-Halbzeugen aufbauen (Differenzialbauweise). In diesem Fall kann häufig auf den Bau kostspieliger Formen verzichtet werden. Allerdings bedarf es bei der Differenzialbauweise einer umfangreichen Betrachtung der Fügestellen, die nicht zur Schwachstelle werden dürfen. Dagegen können komplexere Bauteile, wie Spindeln und Spannsysteme, durchaus vorteilhafter in Integralbauweise ausgeführt werden, da die Einsparpotenziale beim Gewicht die höheren Fertigungskosten rechtfertigen. Die Tabelle verdeutlicht die Vor- und Nachteile.
Je nach Einsatzzweck und Bauteilstruktur liefert die eine oder andere Bauweise mehr Vorteile. Gegenüber der Ausgangskonstruktion ergibt sich in beiden Fällen eine deutliche Masseneinsparung bei gleicher Steifigkeit oder eine erhöhte Bauteilsteifigkeit bei gleicher Masse. Die Kombination von Steifigkeitserhöhung und Massenreduktion verbessert das dynamische Verhalten wesentlich.
Erste Prototypen und Serienanwendungen belegen das hohe Potenzial der Faser-Kunststoff-Verbunde. Sie zeigen, dass die Akzeptanz für CFK in der Industrie steigt und dass mit einer intensiven Nutzung dieser Materialien im Maschinenbau zu rechnen ist. Das verdeutlichen die nachfolgenden, auch unter wirtschaftlichen Aspekten erfolgreichen Anwendungsbeispiele:
Bei einer Laserschneidanlage der Trumpf Sachsen GmbH sollte das Beschleunigungsvermögen des etwa 3,5 m langen Querbalkens von 2,0 g auf 2,5 g erhöht und möglichst auch noch die Verformung verringert werden. Die gewünschte Dynamikerhöhung war mit metallischen Werkstoffen allein nicht machbar. Die höheren Kräfte hätten zu einer Positionsabweichung am Laserkopf geführt, was mit der geforderten Schnittqualität unvereinbar gewesen wäre.
Mit dem Fraunhofer IWU wurde nun ein neuer Querbalken in CFK-Differentialbauweise entwickelt, mit dem sich nicht nur die Masse halbieren sondern gleichzeitig die Bauteilsteifigkeit verdoppeln ließ. Zum Einsatz kommen dabei einfach herstellbare und damit verhältnismäßig kostengünstige CFK-Halbzeuge (Sandwiches, Profile), die durch Kleben miteinander gefügt werden. Um erforderliche Metallkomponenten wie Führungsschienen belastungsgerecht anbinden zu können, musste vor allem die Wärmeausdehnung der unterschiedlichen Materialien beachtet werden. Durch eine speziell abgestimmte Verbindungstechnologie konnte eine Lösung entwickelt werden, die allen Anforderungsbedingungen und Umgebungseinflüssen gerecht wird. Wichtig ist, dass die etwa 3 m langen Führungsschienen derart an die Struktur angeschraubt werden, dass die Fügepartner mit ihren unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten bei thermischen Veränderungen keine gegenseitige Verspannung und damit Verformung aufbauen.
Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die CFK-Variante für den Anwender der Anlage bereits nach dreieinhalb Monaten bezahlt macht. In die Kalkulation flossen nicht nur die automatisierbare Herstellung der CFK-Komponente ein, sondern auch die Kosteneinsparpotenziale bei der dafür vorgesehenen, speziellen Anwendung: Die Gesamtkosten des Querbalkens liegen bei etwa 400 % der optimierten Stahlkonstruktion. Durch die erhöhte Dynamik der Laserschneidanlage kann der Anwender die Produktivität aber in dem Maße steigern, dass sich der höhere Preis bereits in dieser kurzen Zeit wieder amortisiert.
Im Endeffekt entsteht damit ein Produkt mit Alleinstellungsmerkmal für den Hersteller. Das Beispiel des Querbalkens liefert somit den Nachweis, dass sich der Einsatz von FKV-Bauteilen im Maschinen- und Anlagenbau sowohl technisch als auch betriebswirtschaftlich lohnt. Trumpf Sachsen bietet die CFK-Variante des Querbalkens übrigens weiterhin als eine Option innerhalb der Serienanlage an.
Ein weiteres Beispiel stellt der im Rahmen eines internen Projektes am Fraunhofer IWU entwickelte Z-Schieber in differenzieller Verbundbauweise dar. Der Fokus lag primär auf einer Erhöhung der Baugruppensteifigkeit, die einen wesentlichen Einfluss auf die Bearbeitungsqualität bei dynamischen Prozessen hat. Als Sekundäreffekt wurde eine signifikante Massereduktion angestrebt. Im Resultat konnte die Steifigkeit um 150 % gegenüber einer vergleichbaren Stahlkonstruktion erhöht werden. Die Masse reduzierte sich um 25 %. Mit metallischen Werkstoffen sind derartig umfangreiche Verbesserungen nicht mehr zu erzielen.
Gegenwärtig werden Messungen durchgeführt, um die simulationstechnisch vorhergesagten Eigenschaften zu verifizieren. Auch die Auswirkung diverser Umgebungseinflüsse wird betrachtet. Folgeprojekte mit zwei Unternehmen beschäftigen sich damit, die Ergebnisse seriennah umzusetzen.
Carsten Lies, Robert Meltke, Dr. Welf-Guntram Drossel Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), Chemnitz
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