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Planeten- und Sondergetriebe

Die Geschäftsführer der Neugart GmbH im Interview
Getriebe müssen präzise und wirtschaftlich arbeiten

Getriebe müssen präzise und wirtschaftlich arbeiten
Bernd Neugart (Mitte) und Thomas Herr (rechts), Geschäftsführer der Neugart GmbH, im Gespräch mit der Redaktion. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 700 Mitarbeiter, um Planetengetriebe und kundenspezifische Lösungen zu entwickeln und anzubieten.Bild: Wilhelm Media/Konradin Mediengruppe
Im Interview erläutern Bernd Neugart und Thomas Herr, Geschäftsführer der Neugart GmbH, wie sich Getriebetechnik vom Wettbewerb abheben kann.

❧ Nico Schröder

Über welches antriebstechnische Know-how verfügt Neugart ?

Herr: Gemeinsam mit Kunden entwickeln wir spezifische Getriebe als Planeten-, Stirnrad- oder Kegelradgetriebe. Je nach Applikationsanforderung kombinieren wir verschiedene Getriebe- und Verzahnungsarten, um genau das passende Produkt zur Verfügung stellen zu können. Die Auswahl spezieller Materialien und der direkt an die Entwicklung angeschlossene Prototypenbau erweitern die Engineering-Möglichkeiten.

Wie lautet Ihr Qualitätsanspruch über Märkte und Branchen hinweg?

Neugart: Der Qualitätsanspruch lautet maximale Zuverlässigkeit. Kunden erwarten, dass das Getriebe nach dem Einbau problemlos arbeitet – baue es ein und vergiss es. Auf unseren Performance- und Qualitätsanspruch wirkt sich vor allem aus, dass wir mit sehr kleinen Losgrößen arbeiten, also Losgrößen von ein, zwei oder drei Getrieben. Bei derartig kleinen Stückzahlen – mit One-Piece-Flow – ist die Prozess- und Qualitätsoptimierung besonders anspruchsvoll. Und das beherrschen wir in der Entwicklung und Fertigung.

Welche Alleinstellungsmerkmale sehen Sie, um sich vom Markt abzuheben?

Herr: Ein Grundsatz von Neugart ist es, sowohl Schräg- als auch Geradverzahnung anzubieten. Der Kunde kann je nach Anwendung auswählen, welcher Getriebetyp eingesetzt wird. Damit nehmen wir eine besondere Rolle im Markt ein, da die meisten Getriebehersteller sich auf eine Verzahnungsart festgelegt haben. Beide Verzahnungsarten haben jedoch ihre spezifischen Eigenschaften, die in der einen Applikation vernachlässigbar sind und in einer anderen Anwendung den entscheidenden Vorteil bringen: Mit Schrägverzahnung hat das Getriebe eine präzisere Laufruhe aufgrund der Eingriffsverhältnisse, aber mit zunehmendem Drehmoment kommen hohe Radialkräfte auf die Lagerung. Also wenn Gleichlauf oberste Priorität hat und nicht das Drehmoment, ist die Schrägverzahnung zu favorisieren. In Fällen mit begrenztem Einbauraum, bei denen möglichst kleine Getriebe großes Drehmoment bei langer Lebensdauer übertragen müssen, ist nach wie vor die Geradverzahnung prädestiniert, weil die Lagerbelastung bei entsprechend gleichem Drehmoment, speziell für die Planetenradlagerung, geringer ist.

Wo setzten Sie aktuell Schwerpunkte in der Entwicklung Ihrer Planetengetriebe sowie bei kundenspezifischen Sondergetrieben?

Neugart: Im Bereich der Planetengetriebe stärken wir sowohl die Vielfalt im Hochpräzisionsbereich als auch bei wirtschaftlich attraktiven Economy-Getrieben. Diversifizierung werden wir in diesen Bereichen über spezifische Baureihen vorantreiben. Ein aktuelles Beispiel ist unser NGV als Planetengetriebe speziell für industrielle Flurförderfahrzeuge.

Herr: Wir entwickeln unser Getriebeprogramm stetig als Baukastensystem weiter. Wir sind der Ansicht, dass wir vom Programm und von der Differenzierung her mehr Möglichkeiten gegenüber unserem Wettbewerb haben. Die Konstruktion ist so gestaltet, dass Getriebe über die Teilevielzahl in unterschiedlichen Dimensionen realisierbar sind. Der Anteil kundenspezifischer Lösungen reduziert sich dadurch. Natürlich entwickeln wir kundenspezifische Getriebe für neue Applikationen. Wir entwickeln eben sowohl Standardgetriebe als auch kundenspezifische Getriebelösungen. Zudem haben wir Spielraum in entsprechenden Leistungsklassen. Unsere Produkte decken Anwendungsgebiete ab, die von 1 Nm bis 2000 Nm und von der Baugröße 20 mm bis über 200 mm reichen. Diese Einsatzvielfalt ermöglicht es uns, mehrere Ansätze in der Produktentwicklung zu verfolgen.

Welche Bedeutung haben kundenspezifische Sonderlösungen und welchen Anteil machen Sie aus?

Neugart: Projekte, bei denen das Getriebe in enger Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung des Kunden definiert und entwickelt wird, haben einen hohen Stellenwert. Wir sind in der Lage, Getriebelösungen anzubieten, die sowohl konstruktiv als auch wirtschaftlich genau abbilden, was sich der Kunde wünscht. Dabei fallen etwa 20 % auf rein kundenspezifische Sondergetriebe und 15 bis 20 % sind modifizierte Standardgetriebe.

Sie haben NGV als Planetengetriebe genannt, das sich speziell für industrielle Flurförderfahrzeuge eignet. Welchen Markt sehen Sie dafür?

Neugart: Insbesondere im Bereich der Intralogistik ist der Einsatz der industriellen Flurförderfahrzeuge in den vergangenen Jahren gestiegen. Es zeichnet sich auch für die nächsten Jahren ein starkes Wachstum ab. Nicht nur das zunehmende Online-Geschäft wird den Einsatz automatisierter Logistik vorantreiben, auch schreitet die Automatisierung der Produktionsprozesse in mittelständischen Betrieben voran. Zusätzlich kommen unsere Planetengetriebe in Servicerobotern zum Einsatz, die insbesondere im Dienstleistungssektor einen bedeutsamen Anteil einnehmen werden.

Mit einem speziellen Planetengetriebe im Hygienic Design wollen Sie den gestiegenen Produktionsanforderungen sensibler Industriezweige entsprechen. Welche Anforderungen erfüllt das Planetengetriebe?

Neugart: Die Anforderungen nach einem Hygienic-Design-Produkt kommen insbesondere aus der Pharmaindustrie sowie der Lebensmittelindustrie. Diese Zweige verfolgen das Prinzip, Maschinen und Anlagen so zu konstruieren, dass eine Verunreinigung des hergestellten Produkts schon im Vorfeld ausgeschlossen oder zumindest minimiert werden kann. Dazu ist es erforderlich, entsprechende Getriebe einzusetzen, die diese Anforderungen erfüllen.

Wie richten Sie sich auf Marktanforderungen zur Digitalisierung aus?

Neugart: Ein wichtiger Baustein ist der digitale Informationsaustausch in der Supply Chain. Er beschleunigt die Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Das ferne Ziel ist es, bei Stückzahl eins die Möglichkeit zu erlangen, einen Fertigungsauftrag vollständig digital und synchron zu verarbeiten, was äußerst anspruchsvoll sein wird. Dazu benötigen wir jetzt die Digitalisierung der Fertigungswelt. Eine weitere Säule ist es, dem Kunden schon in der Entwicklungsphase das auf die Applikation hin optimierte Getriebe auszulegen und die dafür notwendigen Informationen softwareseitig bereitzustellen.

Welche Zukunft sehen Sie für die elektrische Antriebstechnik?

Neugart: Die Notwendigkeit, weiter zu automatisieren, ist ungebrochen. Das wird auch zukünftig zu einem wachsenden Bedarf an elektrischer Antriebstechnik führen und damit zum Bedarf an Präzisionsgetrieben. Unseres Erachtens nach ist die Entwicklung erst am Anfang. Sie wird in den nächsten Jahren noch an Dynamik gewinnen.

Nichtsdestotrotz werden Sie auch künftig frei von Elektrotechnik bleiben?

Neugart: Wir bleiben innerhalb des Antriebsstrangs der Partner für den Getriebekopf. Wir werden frei bleiben vom Motor und auch frei von der Steuerung und Regelung. Das können andere besser. Und wir haben immer auch Zahnräder im Kopf. Das macht uns sicherlich aus.

Herr: Wir denken an der Stelle wirklich rein mechanisch. Und wir wollen unsere Kunden in die Lage versetzen, ihre Maschinen und Anlagen mit einem perfekten Antriebsstrang auszustatten.

Kontakt:

Neugart GmbH

Keltenstraße 16

77971 Kippenheim

Deutschland

Tel.: +497825 847–0

www.neugart.com



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