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Hart und flexibel – typisch Hartmetall

Hartmetall: vervielfachte Standzeiten in unterschiedlichsten Anwendungen
Hart und flexibel – typisch Hartmetall

Werkstofftechnik | Quer durch alle Branchen werden die Betriebsbedingungen extremer, die Ansprüche an Werkzeuge und Bauteile höher. Viele Unternehmen setzen auf Hartmetall und senken so die Instandhaltungs- und Wartungskosten. Hier die Erklärung dafür und einige sehr interessante Fälle.

Silke Brügel Fachjournalistin in Ottobrunn

Hartmetall ist ein Sinterwerkstoff, der vorwiegend aus Wolframkarbid als Hartstoff und Kobalt als Bindemittel besteht. Der wirtschaftliche Einsatz von Wolframkarbid in der Werkzeugtechnologie begann Anfang des 20. Jahrhunderts, maßgeblich durch Entwicklungen der deutschen Firmen Krupp und Osram. In der Regel wird als Hauptbindemittel Kobalt eingesetzt. Bei besonders großen Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit kommen Nickel und Nickel/Chrom als Binder zum Einsatz.
Der Bindemittelanteil und die Korngröße der Karbide beeinflussen die Eigenschaften des Werkstoffs: Mit zunehmendem Bindemittelanteil steigt die Zähigkeit, während die Verschleißfestigkeit abnimmt. Grobes Korn erhöht die Zähigkeit und damit die Schlagfestigkeit. Denn grobes Korn erzeugt größere Räume zwischen den Karbiden, die mit Binder ausgefüllt werden. Diese ausgefüllten Räume fungieren als Stoßdämpfer, beispielsweise bei einer Schlagbeanspruchung (siehe Gefügefoto). Feines Korn hingegen erhöht die Härte und damit die Verschleißfestigkeit.
Feines Korn weist eine geschlossene Oberflächenstruktur auf. Verschleiß findet, wenn überhaupt, hauptsächlich am Binder statt. Aufgrund der geringeren Korngröße bestehen nur kleine Binderzonen. Das macht sehr feines Korn verschleißbeständiger als Grobkorn.
Ein Vergleich zur technischen Keramik ist interessant: Hartmetall verfügt über eine größere Zähigkeit aufgrund der metallischen Eigenschaften und steht gleichzeitig der technischen Keramik bezüglich Härte in nichts nach.
Die Schlagzähigkeit ist somit der entscheidende Vorteil im Praxiseinsatz, wo Hartmetall wesentlich unempfindlicher ist als der Werkstoff Keramik. Gleichzeitig ist das Verbinden durch Löten bei Hartmetall viel einfacher. Bezüglich der chemischen Resistenz sind die Werkstoffe annähernd gleich.
Obwohl Hartmetall ein vergleichsweise teurer Werkstoff ist, sparen die Verantwortlichen in Produktion und Fertigung quer durch alle Branchen mittelfristig bares Geld. Der Grund: extrem hoher Verschleißschutz und damit nachweisbar sinkende Kosten für Wartung und Instandhaltung. Das verdeutlichen nachfolgende Anwendungen.
Die Durit Hartmetall GmbH, vor über 30 Jahren gegründet, hat sich auf diesen Werkstoff spezialisiert. Heute fertigt das Unternehmen mit Hauptsitz in Wuppertal und Produktion in Portugal maßgeschneiderte Komponenten und Werkzeuge aus Hartmetall. Die Kunden kommen aus der ganzen Welt aus unterschiedlichen Branchen von der Chemietechnik bis zum Werkzeugmaschinenbau. Sie decken eine Fülle von Anwendungen ab.
Das erste Beispiel ist aus der Ventiltechnik. Zur Durchflussregelung von Prozessflüssigkeit mit verschleißintensivem Feststoffanteil kommen unterschiedlichste Ventile zum Einsatz. Ein Kunde aus der Chemietechnik verwendete viele Jahre Ventilkegel und -sitze aus Stellit-beschichtetem Edelstahl. Aufgrund der abrasiven Flüssigkeit erreichten die verwendeten Ventilelemente nur Standzeiten von rund 14 Wochen. Die Verantwortlichen entschieden sich neue Wege zu gehen und tauschten alle Verschleißelemente durch Komponenten aus Hartmetall aus. Das Ergebnis sind nun Standzeiten der Komponenten von durchschnittlich 16 Monaten.
Ein Beispiel aus der Prozesstechnik zeigt einen weiteren Vorteil des Werkstoffs Hartmetall auf: Er lässt sich problemlos mit Stahl oder Aluminium kombinieren. Und häufig hat es sich bewährt, nur die besonders belasteten Teile einer Komponente zu 100 % aus Hartmetall zu fertigen.
Um Oxide mittels hohem Druck in einem Mahlprozess einzubringen, setzte ein nordrhein-westfälisches Unternehmen bisher Strahldüsen aus hochfestem Edelstahl mit einer Gesamtlänge von 550 mm ein. Die Standzeiten der Düsen erreichten durchschnittlich sechs Wochen – zu wenig, um die geforderte Kosteneffizienz sicher zu stellen. Im Rahmen eines KVP-Projektes (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) entschied man sich, hartmetallbestückte Düsen zu testen. Die Kombination mit Edelstahl an den weniger beanspruchten Stellen der Düse senkte die Anschaffungskosten für die neuen Komponenten. Das Ergebnis ist ein seit nunmehr über 20 Monaten störungsfreier Betrieb. Die Investition hat sich in wenigen Monaten amortisiert.
Bei einer Anwendung aus der Kunststoffherstellung geht es um das Abscheiden von Feststoffen aus Quenchöl, um Vorprodukte herzustellen. Dabei werden häufig Hydrozyklone eingesetzt. Diese Abscheider eignen sich zum Abtrennen von Feststoffpartikeln aus unterschiedlichen Suspensionen oder zum Trennen von Emulsionen wie Öl-Wasser-Gemische.
Bisher waren der Außenkörper und der Abscheidekegel im Unterlauf am Hydrozyklon aus gehärtetem Edelstahl. Da der Hauptverschleiß im Bereich der höchsten Strömungsgeschwindigkeit auftritt, ergänzten die Verantwortlichen das untere Drittel des Behälters durch einen Vollhartmetalleinsatz und tauschten gleichzeitig den Abscheidekegel im Unterlauf durch eine Hartmetallvariante aus. Auf Grund dieser Maßnahmen läuft die Anlage seit rund zwei Jahren ohne Störungen.
Der besonders beanspruchungsfähige Werkstoff bewährt sich nicht nur bei Spezialanwendungen unter besonders schwierigen Betriebsbedingungen. Viele Unternehmen setzen Hartmetall- statt Stahlklingen bei Zerkleinerungs- und Schneideprozessen ein. Ob beim Schneiden von Kunststofffolien, Verbundstoffen, Transformatorfolien, Papier, Blech oder beim Zerkleinern von hochfestem Draht für die Oberflächentechnik (Strahltechnik) – Hartmetall-bestückte Rundmesser und Schneidleisten sind auf dem Vormarsch, und zwar in unterschiedlichen Geometrien.
Sogar bei einer Anlage zum Wasserstrahlschneiden stießen Materialspezialisten auf den Werkstoff Hartmetall. Bei solchen Anlagen spielt die Betriebskosten-Kalkulation eine große Rolle. Denn wo Wasser fließt, gibt es immer Korrosion. Und bei Drücken um die 4000 bar und Wasser-Beschleunigungen bis zur 3-fachen Schallgeschwindigkeit werden alle Anlagen-Komponenten stark belastet. Die Wartung wird hier also zu einem wichtigen Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Anlage. Bei dem Kunden aus der Automobilindustrie waren die Platten zur Panzerung der Schneidkabine aus Stahl und mussten regelmäßig nach spätestens zwei bis drei Wochen ausgetauscht werden.
Um die Standzeiten zu heben und dennoch einen Durchschuss der Platten zu vermeiden, probierten die Verantwortlichen es erstmals mit roh gesinterten Hartmetallplatten. Die Platten werden seitdem durchschnittlich alle drei bis vier Monate ausgetauscht. Da sich der Verschleiß jetzt zeitlich gut kalkulieren lässt, treten keine Beschädigungen an der Anlagenhülle auf. Und da die Platten geklemmt werden, ist die Montage einfach.
Seit Jahren baut Durit parallel den Geschäftsbereich Beschichtungen aus. Dieser ergänzt das Leistungsspektrum an inzwischen rund 60 verschiedenen Hartmetallsorten, die im Unternehmen entwickelt wurden. Eine PVD-Beschichtung etwa kann die positiven Eigenschaften von Hartmetall wie Oberflächenhärte, Gleitreibung sowie Korrosionsschutz unter Umständen noch weiter verbessern.
Andererseits gilt es bei großen und schweren Bauteilen abzuwägen, ob der Einsatz von Hartmetall- oder Cr2O3-beschichteten Stahlkomponenten langfristig die beste Kundenlösung darstellt. Sogar bereits verschlissene Stahlkomponenten, beispielsweise Ventile, lassen sich durch Flammspritz-Beschichtungen reparieren. Dazu ist jeweils eine genaue Untersuchung der Betriebsbedingungen vor Ort, der eingesetzten Medien und des bisherigen Instandhaltungsaufwands notwendig.
Fazit: Für jede einzelne Anwendung empfiehlt sich eine detaillierte, individuelle Kosten-Nutzen-Analyse, um zu klären, welche Werkstoffkombination am besten funktioniert. •
Industrieanzeiger
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