Startseite » Technik » Entwicklung »

Im Sog der Windkraft

Antriebstechnik: Mechatronik für Windturbinen
Im Sog der Windkraft

Im Sog der Windkraft
Während hier zu Lande die Stromerzeugung durch Windkraftanlagen nahezu stagniert, zeichnet sich in den USA in diesem Jahr ein Riesenwachstum ab Bilder: Voith
Mit einem Start-up-Unternehmen drängt die Voith AG als Neuling in den Markt für Megawatt-Windturbinen. Das mechatronische Antriebssystem Windrive soll Stromqualität nach Kraftwerksstandards erzeugen. Das System mit Synchrongenerator, das jetzt in den USA eingeführt wird, funktioniert dabei ohne Umrichtertechnologie.

„Bei Windkraftanlagen haben wir derzeit einen reinen Verteilermarkt. Und diese Situation wird auch in den kommenden Jahren anhalten“, ist sich Dr. Andreas Basteck sicher, Geschäftsführer der Voith Turbo Wind GmbH & Co. KG. Die Firma wurde im vergangenen Jahr vom Voith-Konzern gegründet, um im boomenden Weltmarkt für Windkraftanlagen mitzumischen. Nach Berechnungen des Bundesverbands Windenergie ist der Umsatz mit hier zu Lande hergestellten Anlagen und deren Bauteilen 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 18% auf 7,6 Mrd. Euro gestiegen. Weltweit wurden im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Leistung von 20 076 MW neu installiert. Dies entspricht in etwa der seit Anfang der 90er-Jahre installierten Leistung in Deutschland.

Von diesem Kuchen will Maschinenbauer Voith in Zukunft ein Stück abbekommen. Im Gegensatz zu Branchenriesen wie der dänischen Vestas oder der spanischen Gamesa beschränkt sich die Voith-Tochter allerdings auf die Entwicklung eines Getriebes, genannt Windrive. Dabei handelt es sich um ein hydrodynamisches Getriebe, das die Variation der Rotordrehzahl bei gleichbleibender Generatordrehzahl erlaubt (siehe Kasten links).
Windrive stellt das Unternehmen in Crailsheim, Baden-Württemberg, her. Die Produktion wird derzeit hochgefahren, bis Ende kommenden Jahres soll nach Aussagen von Dr. Basteck die Kammlinie von 400 pro Jahr erreicht sein. Derzeit besteht lediglich eine Kooperation mit dem kleinen Windturbinen-Spezialisten DeWind, der zum kalifornischen Hersteller von Hochspannungskabeln, Composite Technology Corp., gehört. „Unser Vertrag beschränkt sich allerdings auf die 60-Hz-Variante mit einer Leistung von 2 MW und ist zeitlich begrenzt“, betont der Voith-Manager. Er baut darauf, das Getriebe aufgrund der innovativen Technik auch anderen Anbietern liefern zu können. So peilt er bis 2017 einen weltweiten Marktanteil von mindestens 5 % an.
Nach der Entwicklung eines Prototypen in nur elf Monaten läuft seit Anfang 2007 in Cuxhaven ein Pilotversuch mit einer DeWind-Windkraftanlage D 8.2 mit 80 m Nabenhöhe sowie 80 m Rotordurchmesser inklusive des Windrive. Beide Partner äußern sich sehr zufrieden über die Ergebnisse. 5 Mio. KW-Stunden waren bis Mitte Mai ins Netz eingespeist worden – ohne größere Vorkommnisse. Daher beginnt DeWind jetzt mit der Markteinführung in den USA. Deutschland wird voraussichtlich 2010 folgen, so Dr. Basteck.
Voith verspricht Windkraftanlagenbetreibern eine Reihe von Vorteilen durch den Einsatz des Windrive:
Das Getriebe kommt als einziges auf dem Markt unter denen mit Synchrongenerator ohne Frequenzumrichter aus. Mit einfachen Schnittstellen zum Antriebsstrang und zum Generator sorgt es bei variablen Winden für konstante Drehzahlen und Wechselstrom mit einem „sauberen Sinus“, so Dr. Basteck. Damit könne Windrive eine bessere Qualität für die Einspeisung ins Stromnetz garantieren und damit die Anforderungen der derzeit im Bundestagsausschuss diskutierten Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erfüllen. Das betrifft beispielsweise die Blindleistungsregelung oder die Stabilisierung des Netzes bei Kurzschluss.
Durch den Wegfall von Frequenzumrichter und Step-up-Transformator erhöht sich laut Basteck zudem die Zuverlässigkeit einer Windturbine um mehr als 30 %. Dadurch sinkt auch deren Gewicht deutlich: Während es der langsamlaufende Generator von Konkurrent Enercon mit Frequenzumrichter und Trafo auf rund 180 t und der schnelllaufende Generator mit Frequenzumrichter und Trafo von Repower auf 110 t bringen, wiegt Voiths schnelllaufender Generator mit hydrodynamischem Getriebe nur 75 t. Das bringt Anlagenbetreibern Vorteile bei der Auslegung des Turms und auch bei der Verankerung in der Erde.
Der Einsatz von schleifringlosen Synchrongeneratoren statt Umrichtertechnologie verringert zudem den Wartungsaufwand. Dr. Basteck: „Windrive verfügt über Reaktionszeiten im Millisekundenbereich. Dadurch wird eine signifikante Lastreduktion im Antriebsstrang bei dynamischen Lasten erzielt.“
Sabine Koll
Fachjournalistin in Böblingen
Die Qualität des Stroms wird verbessert

Instandhaltung von Bestandsanlagen

Der Bundesverband Windenergie rechnet in diesem Jahr mit nur einem moderaten Anstieg der installierten Leistung von Windkraftanlagen um 1400 auf 23 600 MW. Für die Anlagenbauer ist dies kein Grund zur Freude –– doch profitieren Dienstleister wie Voith Industrial Services mittlerweile von der in Deutschland vorhanden Basis. Der Anlagenbauer hat dazu vor vier Jahren eine eigene GmbH mit Sitz im Ostseebad Rerik gegründet. Mit 65 Mitarbeitern an 14 Servicestützpunkten erwirtschaftete sie im vergangenen Geschäftsjahr 8,5 Mio. Euro Umsatz. „Rund 22 000 Windkraftanlagen gibt es heute in Deutschland, von denen betreuen wir 500“, erklärt Geschäftsführer Klaus Krüder. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Altanlagen, die nach zwei bis fünf Jahren aus der Garantie der Hersteller fallen. Im Gegensatz zur Konkurrenz, die sich meist auf die Wartung von Anlagen eines Herstellers konzentriert, versteht sich Voith als herstellerunabhängiger Dienstleister für Montage, den Betrieb, Instandhaltung und Modernisierung sowie die De- und Remontage von Anlagen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Prävention mittels Condition-Monitoring-Systemen.

Wie bei Kraftwerken

Die Rotordrehzahl heutiger Windenergieanlagen liegt in einem Bereich von 10 bis 20 min-1, um die Energie des Winds effektiv zu nutzen. Diese variable Drehzahl wird mit dem Windrive auf konstante Drehzahlen von 1500 min-1 (50 Hz) beziehungsweise 1800 min-1 (60 Hz) für die Generatoren stufenlos übersetzt. Durch diese Technologie entfällt eine elektronische Anpassung vom Generator zum Netz. Der Strom wird auf klassische Weise durch direkte Einkopplung von Generatoren wie bei Kraftwerken erzeugt.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de