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Kommunikation ist das A und O

Mechatronik: Vernetztes Zusammenspiel mehrerer Disziplinen
Kommunikation ist das A und O

Kommunikation ist das A und O
Das Schnittregelsystem sorgt dafür, dass mehrere Stränge bedruckter Papierbahnen genau übereinander gelegt und am Ende exakt geschnitten werden Bild: Manroland
In der Mechatronik steckt ein großes Innovationspotenzial. Die technischen Tools sind verfügbar, doch in der organisatorischen Umsetzung hapert es häufig. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kommunikationsstruktur der beteiligten Fachdisziplinen.

Sobald Elektronik und Software in eine mechanische Komponente integriert wird, liegt ein mechatronischer Entwicklungsprozess vor. Dieser Prozess läuft in zahlreichen Unternehmen noch sequentiell ab. Und genau das ist die Schwachstelle. Sie verhindert kürzere Entwicklungszeiten, geringere Kosten und wettbewerbsfähigere Produkte.

Die organisatorische Trennung der mechanischen, elektrischen und Software-Entwicklung führt dazu, dass die Entwicklungsarbeiten der einzelnen Disziplinen nacheinander abgewickelt werden. Noch gravierender ist, dass die Lösungsbeiträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgelegt werden. Den größten Anteil hat typischerweise die Mechanik. „Einerseits führt dies dazu, dass die jeweils nachgelagerte Domäne auf die Erfahrungen und Einschätzungen der Projektverantwortlichen zuvor angewiesen ist. Dadurch können die Möglichkeiten, beispielsweise mechanische Lösungen kostengünstiger und funktionaler durch Elektrik und/oder Software zu lösen, nicht genutzt werden“, bemängelt Dr. Wolfgang Zeller, Leitung Entwicklung Antriebe und Technologie-Software bei der Manroland AG, dem weltweit zweitgrößten Hersteller von Druckmaschinen und Marktführer im Rollenoffset.
„Andererseits ist keine optimale Projektplanung möglich. Insbesondere die in der Softwareentwicklung nötigen Arbeiten lassen sich von den vorgelagerten Disziplinen oft schlecht abschätzen.“ So bestehe die Gefahr, dass der Software-Bereich unterschätzt und Termine zu knapp gesetzt werden. „Auch die Schnittstellenfunktionalität zum Einbinden des Produktes in ein vertikales und/oder horizontales Kommunikationssystem wird von den Mitarbeitern in den vorgelagerten Disziplinen oft nicht beachtet, weil sie dafür keine Fachleute sind.“
Zeller leitet bei Manroland auch das Kernteam Mechatronik-Kompetenz. Es ist mit Mitarbeitern aus den Abteilungen Mechanik, Elektrik und Software besetzt, aber auch aus den Bereichen Fertigung und Montage, Service, Einkauf, Vertrieb und Verkauf.
Die Mechatronik stellt besondere Anforderungen an den Entwicklungsprozess. Erforderlich ist eine disziplinenübergreifende, regelmäßige Kommunikation, eine übersichtliche Darstellung der Projektabläufe sowie eine kontinuierliche Abstimmung. Außerdem müssen sich alle Beteiligten zu Projektbeginn eine gemeinsame Vorstellung des neuen Produktes bilden und ihren jeweiligen Beitrag dazu ebenfalls gemeinsam festlegen im Sinne einer gesamtoptimierten Lösung. „Meist lassen sich die nötigen Veränderungen im Entwicklungsprozess nur durch angepasste Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe umsetzen“, gibt Thomas Strauß zu bedenken, Prokurist bei der Imu Augsburg GmbH & Co. KG, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen. „Die menschliche Komponente ist dabei ganz wichtig. Die Mitarbeiter aus den Fachdisziplinen müssen häufig erst lernen, sich mit ihren Denkweisen, Begriffswelten, Erfahrungen und Entwicklungsmethoden so zu verständigen, dass sie auch die anderen verstehen.“ Die Imu unterstützt die Implementierung mechatronischer Organisationsstrukturen und begleitete dabei auch Manroland.
Ausgangspunkt des Veränderungsprozesses ist die Selbstanalyse der Mechatronik-Kompetenz: Welche Teilstrukturen im Unternehmen entsprechen bereits mechatronischen Aspekten? Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderte Projekt Bestvor * hat dafür ein Verfahren entwickelt. Es ermöglicht es dem Maschinenbauer, die Reife seiner mechatronischen Entwicklungsprozesse zu bewerten.
Manroland orientiert sich an der VDI-Richtlinie 2206 „Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme“. Ein solches System ist beispielsweise ein Regelungssystem für den Schnitt der Papierbahnen in einer Rollendruckmaschine. Dieses Schnittregelsystem gewährleistet die Stabilität des Schnittregisters (richtige Position des Schnitts) sowohl beim Anfahren der Druckmaschine und Waschen des Gummituches als auch beim Rollenwechsel. Das System wirkt qualitätssichernd und führt zu einer deutlichen Makulaturreduzierung.
Zu Beginn des Entwicklungsprozesses wird disziplinenübergreifend ein Systementwurf für das neue Produkt erarbeitet, wobei jedes Fachgebiet gleichgestellt ist. Das Lösungskonzept wird in Teilfunktionen zerlegt, die die einzelnen Abteilungen mit ihren spezifischen Werkzeugen erarbeiten. „Um Spitzenleistungen zu erbringen, sind nach wie vor Spezialisten mit tiefem Fachwissen gefragt“, stellt Thomas Strauß klar. „Geleitet wird das Projekt idealerweise von einem mechatronisch ausgebildeten Mitarbeiter. Er kennt jede Disziplin, kann so optimal koordinieren und Teillösungen beurteilen.“ In der Phase Systemintegration werden die Teillösungen dann schrittweise zusammengeführt. Auch diese Prozesse laufen fachübergreifend ab.
Begleitet werden die Phasen Systementwurf, domänenspezifischer Entwurf und Systemintegration durch permanentes Absichern der Produkteigenschaften. Und zwar durch kontinuierliche Modellbildung und Analyse mittels Software. „In den gemeinsamen Phasen sind Werkzeuge wichtig, die den disziplinenübergreifenden Aspekt abbilden. Sonst findet keine Kommunikation über die Produkteigenschaften und keine Integrationssimulation statt“, erklärt Wolfgang Zeller.
Bei dem Schnittregelsystem entwickelte Manroland zunächst den Regelalgorithmus, der die richtige Schnittposition ermittelt und aufrecht erhält, und das modellbasierte Regelverhalten. „Wir spielten dabei auch das Verhalten der Papierbahn in der Maschine unter bestimmten Störungseinflüssen durch. Solche Einflüsse liegen zum Beispiel vor, wenn eine neue Papierrolle an eine auslaufende angeklebt wird und sich die Papiereigenschaften schlagartig ändern“, berichtet der Entwicklungsleiter. „Diese disziplinenübergreifenden Simulationen ermöglichten es uns, die richtigen und schnellen Regelungsverfahren zu entwickeln. Wir haben dafür die Tools Matlab/Simulink eingesetzt.“ Aus den Simulationen wurde mit einer automatischen Code-Generierung das Produkt fertig gestellt. Das Ergebnis des mechatronischen Entwicklungsprozesses ist nicht nur ein besseres Produkt, sondern auch eine um mehr als 50 % verkürzte Entwicklungszeit.
„Für die prozesstechnische Abbildung der Entwicklung sind gute Tools vorhanden. Bei der organisatorischen gibt es dagegen noch Lücken, wenn es um die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit wie das gemeinsame Planen, Verwalten von Dokumenten, Verfolgen von Termin- und Kapazitätsplänen und die Kosten geht“, so Wolfgang Zeller.
Doris Schulz Fachjournalistin in Stuttgart

MechatroniX findet 2009 nicht statt:
Die Absage fiel Geschäftsführer Hartmut Herdin nicht leicht: „Wir sind mit dem Konzept der MechatroniX auf großes Interesse im Markt gestoßen. Trotz massiver Anstrengungen konnten wir jedoch in der momentanen Wirtschaftslage keine ausreichende Zahl an Ausstellern und Teilnehmern für eine seriöse, am Markt orientierte und Nutzen bringende Veranstaltung gewinnen.“
In der derzeitigen Situation nutzen Unternehmen verständlicherweise alle Maßnahmen zur Kostensenkung. So werden einerseits die Marketingbudgets und damit auch die Teilnahme an Messen, Tagungen und Seminaren auf ein Minimum reduziert. Andererseits stehen für Reisen von Mitarbeitern kaum noch finanzielle Mittel zur Verfügung. Diese Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass die Veranstalterin FairXperts GmbH die für den 16. Juni 2009 in Augsburg angesetzte MechatroniX – Informationsveranstaltung für angewandte Mechatronik – nun absagt. Die Entscheidung wurde in Abstimmung mit dem Ausstellerbeirat getroffen.
Von der Veranstalterin FairXperts war aber auch zu erfahren, dass sie das Konzept der MechatroniX aufgrund der hohen Akzeptanz gemeinsam mit potenziellen Ausstellern und Anwendern weiter verfolgen wird.

Marktchancen
Erfolg hat, wer schneller am Markt ist. Das gilt insbesondere für die Mechatronik, weil sie traditionell unterschiedliche Disziplinen zusammenbringt und damit eine Reihe von Schnittstellen zu bewältigen hat. Die Kunst liegt nun darin, die damit verbundenen Zeitverzögerungen nicht einfach als verständlich zu akzeptieren, sondern sie zu überwinden. Das gelingt, wenn alle Herausforderungen gleichzeitig definiert, angepackt und die dabei entstehenden Lösungskonzepte stetig miteinander abgeglichen werden.
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