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Leiterbahnen aus der Düse

Metallisierung: Sprühstrahl funktionalisiert Oberflächen
Leiterbahnen aus der Düse

Wohin mit der vielen Elektronik in Maschinen und Fahrzeugen? Einen Lösungsansatz zum Platzsparen bietet das Integrieren von Leiterbahnen in bestehende Bauteile, etwa in Kunststoffteilen. Mit dem Flamecon-Verfahren werden sie einfach aufgesprüht.

Beispiel Automobil: Es ist denkbar, dass der Fahrer künftig an einer „E-Station“ tankt, indem er einfach den Akkublock austauscht. Generell geht der Trend hin zu einer immer stärkeren Elektrifizierung. Kostendruck, knapper Bauraum und Umweltschutz erfordern dabei kreative Lösungen. Ein Ansatz ist die Integration neuer elektrischer Funktionen in ohnehin vorhandene mechanische Bauteile durch Funktionalisieren ihrer Oberflächen mit metallischen Strukturen.

Eine fortgeschrittene Methode zur Umsetzung ist das Flamecon-Verfahren. Dabei handelt es sich um eine automatisierte, thermokinetische Auftragsmethode. Entwickelt wurde sie vollständig vom Bereich Technologie & Innovation der Leoni-Gruppe, einem Draht-, Kabel- und Bordnetz-Spezialisten und international agierenden Systempartner der Fahrzeugbranche und anderen Industrien. „Unsere Technologie hat anderen Methoden einiges voraus“, betont Dipl.-Ing. Robert Süß-Wolf, Projektverantwortlicher bei Leoni in Nürnberg. „Sie ist umweltverträglich, zeitsparend, räumlich flexibel, auf diversen Trägermaterialien einsetzbar und lässt höhere Stromstärken zu.“
Flamecon entstand durch Einbeziehen von speziellen Technologien des thermischen Spritzens und weiterer Verfahren wie dem „Drucken“ mit einem Strahl aus flüssigem Metall: Metalle wie Kupfer, Zink oder Aluminium werden in eine hocherhitzte Kammer geführt, geschmolzen und über einen sanften Trägergasstrom computergesteuert und robotergeführt auf die Oberflächen gesprüht. Trägermaterialien können etwa Kunststoff, Holz, Keramik oder Metall sein. Es bildet sich eine leitfähige Schicht, deren Dicke und Breite sich durch Ändern der Betriebsparameter variieren lässt. So werden feinste metallische Strukturen mit Dicken von 20 bis über 100 µm in einem Durchgang aufgetragen, die unterschiedliche elektrische Funktionen übernehmen können. Durch Wiederholen des Ablaufs lassen sich in kurzer Zeit Schichten von mehr als 1000 µm aufbauen. Bahnbreiten von 1 bis 10 mm sind ohne Maske realisierbar.
Inzwischen haben die Nürnberger eine spezielle Maskentechnik entwickelt, mit der Strichstärken von 0,5 mm realisiert werden können – auch auf räumlichen und sehr großen Bauteilen. So lassen sich beispielsweise Kunststoffteile, die bisher rein mechanische oder dekorative Aufgaben erfüllt haben, für elektrische Funktionen nutzen.
Ein Konstruktionsprogramm erzeugt dazu auf Basis von CAD-Zeichnungen Strukturen, die mittels eines Makros in ein Roboterprogramm umgeschrieben und an den Roboter übertragen werden. Ist keine CAD-Zeichnung verfügbar, kann für das schnelle Teachen des Roboters das Bauteil selbst, sein Modell oder Prototyp via Laserscanner eingescannt werden.
Das Aufsprühen der Partikel ist das eine wichtige Kriterium, die Haftung der Partikel das andere. Bei Flamecon wirkt eine mechanische Verklammerung in Kombination mit chemischer Bindung. Entscheidend für die Bildung einer festhaftenden und leitfähigen Struktur sind der Durchmesser und die Materialeigenschaften des Partikels sowie der Wärmeinhalt und die Geschwindigkeit des aufschlagenden Tropfens.
Die metallischen Flamecon-Strukturen sind äußerst widerstandsfähig und temperaturbeständig. Sie haften auf nahezu allen Oberflächen, auch auf Papier, ohne diese zu verletzen, und bieten durch die Möglichkeit des programmgesteuerten Aufbringens hohe Designflexibilität. Auch Umweltaspekte kommen nicht zu kurz, da keine Chemie eingesetzt und Ausschuss minimiert wird. Und das Verfahren ist im Vergleich zu bisherigen Methoden des thermischen Spritzens sehr geräuscharm. Flamecon wurde bereits erfolgreich für den Einsatz in der Automobil- oder Elektronikindustrie getestet.
Damit hergestellte Strukturen könnten künftig zum Beispiel für Heizzwecke, zur Energieverteilung, für die Signalübertragung oder als Antennen verwendet werden. Aber mit Flamecon kann nicht nur in Bahnen gearbeitet werden, sondern auch vollflächig. Hier ist der Anknüpfungspunkt zu Hybrid- und Vollhybrid-Fahrzeugen und vor allem zu dem eingangs genannten E-Mobil. Dieses wird mit höheren Spannungen betrieben als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren: Sie steigen von jetzt 12 V auf 42 V (maximal 600 V), damit sie ausreichend Kraft zum Beschleunigen bieten. Damit wird die Abschirmung der Fahrzeug-Komponenten besonders wichtig, etwa um schädliche Spannungen ableiten zu können oder bei Funkenbildung. Durch das flächige Aufbringen einer Metallschicht können beispielsweise Steckergehäuse abgeschirmt werden.
Um Problemen mit der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) zu begegnen, wird es erforderlich sein, Kabel mit dickeren Isolationsschichten zu entwickeln und sie außerdem in außen metallisierten Kabelkanälen zu verlegen. Es werden mehr Steuergeräte benötigt, die den Anteil der Elektronik im Fahrzeug weiter steigern. Damit steigt tendenziell auch die Störanfälligkeit, zu deren Beseitigung das Nürnberger Metallsprühen seinen Beitrag leisten kann.
Das Verfahren steht dabei durchaus im Wettbewerb zu existierenden Technologien wie dem Sputtern, anderen PVD-Prozessen (Physikalische Gasphasenabscheidung) oder auch dem Galvanisieren. Demgegenüber hat Flamecon den bereits erwähnten Vorteil, dass es keine „Chemie“ und keine Vorbehandlung der Flächen braucht und somit fünf bis sechs Arbeitsschritte einspart. Gegenüber PDV entfallen außerdem das Hochvakuum und die dafür nötigen Schleusen.
Mit der Methode lassen sich beliebige Schichtdicken auch auf räumlichen Bauteilen selektiv aufbringen. Das Substrat muss dazu nicht abgeklebt oder maskiert werden, mit seiner Düsengeometrie lassen sich unterschiedliche Strichstärken und Schichtdicken realisieren.
Derzeit prüfen die Leoni-Fachleute im Nürnberger Stadtteil Langwasser mögliche automobilspezifische Anwendungen unter prozesstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Konkrete Applikationen, beispielsweise eine sensorgestützte Einparkhilfe, bei der Flamecon zur Funktionalisierung einer Kunststoff-Stoßstange genutzt wird, könnten bereits 2010 in den Markt gehen. Darüber hinaus gehen Überlegungen, das neue Verfahren auch in den Bereichen Photovoltaik und Batterietechnik einzusetzen.
„Wir haben uns bisher vorwiegend mit Metallen als Auftragsmedien beschäftigt, wir könnten aber auch verschiedene Kunststoffe in Pulverform flächig aufbringen, um Oberflächen zu versiegeln“, ergänzt Süß-Wolf. So sei es bei manchen Anwendungsszenarien sinnvoll, die Metallbahnen nach dem Auftragen zu umhüllen und dadurch zu schützen. „Eine Möglichkeit ist es, mit einem zweiten Sprühkopf die Leiterbahn noch einmal abzufahren und darüber eine Polymerschicht aufzutragen, die entsprechend verbackt. Dieses Ergänzungsverfahren testen wir derzeit in unseren Labors.“
Darüber hinaus werden die Potenziale der preisgekrönten Technologie (Innovationspreis „Intelligenz für Verkehr und Logistik“ 2008 des Center for Transportation & Logistics, CNA) in einem Netzwerk aus Unternehmen und Instituten weiter erforscht. So arbeitet Leoni im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderten Projekts an der Herstellung feinster Strukturen aus metallischen Nanopartikeln mittels Flamecon-Verfahren innerhalb der Forschungsvereinigung Räumliche Elektronische Baugruppen 3-D MID e.V., deren Mitglied die Leoni AG seit 2003 ist. Ein weiteres, durch die Bayerische Forschungsstiftung gefördertes und zusammen mit Partnerfirmen und Universitäten realisiertes Projekt ist das Erstellen einer CAD/CAM-Kette, bei der die Daten und Symbole von MID-Technologien (Moulded Interconnect Devices) in einer Bibliothek hinterlegt sind und vom MID-Konstrukteur in die Zeichnung und von da direkt in den Auftragsroboter geladen werden können.
Klaus Diebold Fachjournalist in Nürnberg

Neue Technologien
Das Metallsprüh-Verfahren Flamecon macht das automatisierte Auftragen feinster, leitender Metallstrukturen ohne Chemie und Hochvakuum auf unterschiedliche Oberflächen möglich. Es bietet technische und wirtschaftliche Vorteile: So können etwa Automobil-Kunststoffteile, die bisher rein mechanischen oder dekorativen Aufgaben dienten, für elektrische Funktionen genutzt werden wie Energieverteilung, Heizen oder Signalübertragung.
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