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Licht hilft beim Formen anspruchsvoller Materialien

Laserunterstütztes Metalldrücken verbessert Formänderungsverhalten hochfester Werkstoffe
Licht hilft beim Formen anspruchsvoller Materialien

Die simultane Lasererwärmung des Werkstücks während der Umformung erweitert die Formgebungsgrenzen gegenüber dem konventionellen Metalldrücken deutlich. Weitere Vorteile des Verfahrens sind das gezielte Aufheizen auf ein definiertes Temperaturniveau, die sehr gute Reproduzierbarkeit und der lokal eng begrenzte thermische Einfluss.

Das Metalldrücken ist ein Umformverfahren, das eine einfache, schnelle und kostengünstige Fertigung komplexer rotationssymmetrischer Bauteile erlaubt. Im Vergleich zu anderen Umformverfahren, wie etwa dem Tiefziehen, hebt sich das Metalldrücken insbesondere durch geringe Werkzeugkosten hervor, da größtenteils mit standardisierten Umformwerkzeugen gearbeitet wird.

Wie auch in anderen Bereichen der Produktionstechnik werden die meist kleinen und mittleren Unternehmen auf dem Gebiet der Umformtechnik zunehmend mit der Nachfrage nach Bauteilen aus Hochleistungswerkstoffen, etwa Titan- oder Nickellegierungen, sowie hochlegierten Stählen konfrontiert. Insbesondere im Automobilbau und in der Luft- und Raumfahrtindustrie, aber auch in der chemischen und medizintechnischen Industrie werden diese Werkstoffe vermehrt eingesetzt. Triebwerkskomponenten, Tankböden, Komponenten von Abgasanlagen und Behälter für Laborausstattungen sind nur einige Beispiele für Anwendungen.
Um Titan- und Nickellegierungen sowie hochlegierte Stähle mit konventionellen Fertigungsverfahren umzuformen, ist ein erheblicher fertigungstechnischer Aufwand erforderlich. Dies liegt zum einen darin begründet, dass das Formänderungsvermögen dieser Werkstoffe verhältnismäßig gering ist und zum anderen, dass eine zunehmende Verformung eine hohe Verfestigung des Werkstoffs hervorruft. Wie auch andere umformtechnische Verfahren stößt hier das Metalldrücken an seine Grenzen. Daher ist eine zusätzliche Wärmebehandlung erforderlich, um das Formänderungsvermögen des Werkstoffs zu erhalten oder gar zu verbessern. In der industriellen Praxis wird die Bauteilfertigung in mehrere Umformschritte unterteilt. Zwischen diesen werden Rekristallisationsglühungen in separaten Öfen durchgeführt. Da der Umformprozess unterbrochen und das Werkstück aus der Maschine entnommen werden muss, fallen zu den Glühzeiten von typischerweise 20 min bis zu 1 h zusätzliche Rüst-, Transport- und Liegezeiten an. Diese resultieren letztlich in längeren Fertigungszeiten und damit höheren Fertigungskosten.
Eine Alternative ist, das Werkstück direkt während der Umformung zu erwärmen. Dies wird üblicherweise mittels mehrerer meist handgeführter Gasbrenner durchgeführt. Meist wird anhand eines ebenfalls handgeführten Wärmesensors entschieden, ob die Gasbrenner manuell zu- oder abgeschaltet werden. Damit einhergehend ist das Bearbeitungsergebnis stark von den Fähigkeiten des Werkers an der Maschine abhängig und nur eingeschränkt reproduzierbar. Darüber hinaus eignet sich der Gasbrenner nur bedingt für die Erwärmung, da die Wärmeeinbringung unpräzise ist und sich zudem verhältnismäßig schlecht steuern lässt. Aufgrund dieser Aspekte besteht die Gefahr, dass unerwünschte Beeinflussungen des Werkstoffgefüges auftreten. Daher ist zumeist eine aufwändige Nachbehandlung der Bauteile notwendig um die gewünschten Bauteilspezifikationen erfüllen zu können. Zudem verschlechtern Hitze, Lärm und Emissionen der eingesetzten Gasbrenner die Arbeitsbedingungen für den Werker an der Maschine.
Ein innovativer Ansatz zur Beseitigung der zuvor dargestellten Defizite etablierter Verfahrensvarianten des Metalldrückens ist das laserunterstützte Metalldrücken. Dabei wird das Werkstück unmittelbar vor der Kontaktzone der Drückrolle mit einem Laserstrahl gezielt lokal erwärmt. Ziel ist es, in der Umformzone ein für die Umformung des jeweiligen Werkstoffs geeignetes Temperaturfeld zu erzeugen, in dem sowohl die Fließspannung als auch die Verformungsverfestigung herabgesetzt wird. Damit verbessert sich das Formänderungsvermögen, welches für die weitere Umformung notwendig ist. Diagramme, in denen die Festigkeit relevanter Werkstoffe in Abhängigkeit der Temperatur dargestellt ist, zeigen: Die Festigkeit fällt bei höheren Temperaturen deutlich ab und somit ist ein besseres Formänderungsvermögen zu erwarten.
Da die Erwärmung des Werkstücks direkt in der Maschine erfolgt, ergibt sich als wesentliche Herausforderung, das erforderliche Temperaturfeld in einer angemessen kurzen Zeit zu erzeugen. Dieser Forderung nach kurzen Erwärmungsdauern wird durch die hohe Leistungsdichte der eingesetzten Laserstrahlquellen, wie beispielsweise Diodenlasern, Rechnung getragen.
Entscheidender Vorteil der Laserunterstützung ist, dass die Erwärmung verhältnismäßig kurzzeitig stattfindet und lokal begrenzt ist. Damit wird das Werkstück thermisch kaum belastet. Die exzellente Steuer- und Regelbarkeit der Laserstrahlquelle garantiert darüber hinaus die gezielte Erzeugung eines definierten Temperaturfelds in der Umformzone und außerdem eine sehr gute Reproduzierbarkeit der Wärmeeinbringung. Aufgrund dieser Aspekte können eventuelle negative Einflüsse auf das Werkstoffgefüge unterbunden und eine gleichbleibende Bauteilqualität gewährleistet werden.
Damit ermöglichen die prozesstechnologischen Vorteile des laserunterstützten Metalldrückens die Komplettbearbeitung schwerumformbarer Werkstoffe in einer Aufspannung bei einer gleichzeitig hohen Bauteilqualität. Dies führt zu einer deutlichen Verkürzung der Produktionszeit, da mehrere Wärmebehandlungen sowie Nachbehandlungsschritte und die damit verbundenen Rüst-, Transport- und Liegezeiten wegfallen. Darüber hinaus kann aufgrund höherer Umformgeschwindigkeiten die Prozesszeit zusätzlich verkürzt werden.
Vorhergehende Untersuchungen am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen haben das technologische Potenzial des laserunterstützten Metalldrückens nachgewiesen. Es wurde gezeigt, dass durch eine simultane Lasererwärmung des Werkstücks während der Umformung die Formgebungsgrenzen des konventionellen Metalldrückens deutlich erweitert werden können. Mit dem Ziel, die industrielle Eignung des laserunterstützten Metalldrückens für die Verarbeitung spezifischer Titan- und Nickellegierungen im Vergleich zu konventionellen Verfahren nachzuweisen sowie ein prototypisches Bearbeitungssystem zu entwickeln, wurde das EU-geförderte Projekt »EasyForm« initiiert. Zum Projektkonsortium gehören zwei Forschungseinrichtungen – das Fraunhofer IPT und die österreichischen Materials Center Leoben Forschung GmbH –, die drei Endanwender Multiform S.A. aus Frankreich, Olsen Metaltrykkeri A/S aus Dänemark, Radkersburger Metallwarenfabrik GmbH aus Österreich sowie der deutsche Maschinenhersteller Leifeld Metal Spinning AG mit Sitz in Ahlen.
Christoph Brummer Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer IPT, Aachen
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