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„Mein Steckenpferd heißt erneuerbar“

Energiewirtschaftsberater Knut Schrader vom Planungsbüro BET: Vitamin B(HKW) ist gefragt
„Mein Steckenpferd heißt erneuerbar“

Kommunale Energieversorgung stand ganz am Anfang der Arbeit des BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH aus Aachen: 1988 halfen die Energieberater Kommunen bei der Gründung von Stadtwerken. Wie sich daraus eines der größten deutschen, unabhängigen Beratungshäuser für Energiewirtschaft entwickelt hat, berichtet Gesellschafter Knut Schrader.

Herr Schrader, was zeichnet BET aus?

Wir sind kein klassisches Ingenieurbüro, sondern ein energiewirtschaftliches Beratungsunternehmen, das mit rund 80 Mitarbeitern zu den führenden Firmen dieser Branche zählt. Mittlerweile beraten wir alle Player auf den Energiemärkten.
Wem bieten Sie Ihre Dienste an?
Unser Angebot an unabhängiger Beratung richtet sich an Kraftwerksbetreiber sowie kleine und große Energieversorger. Wir beraten die Politik und erstellen ökologische Kon- zepte zur Versorgung mit erneuerbaren Energien.
Worum geht es beispielsweise bei der Politikberatung?
Da geht es beispielsweise um das „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien“ – kurz EEG – und mögliche Veränderungen sowie um Marktmodelle zur Klärung der Effekte der Energiewende.
Und welche Aufgaben übernehmen Sie bei dem Unternehmen?
Ich bin Diplom-Ingenieur und Prokurist im Unternehmen und arbeite schwerpunktmäßig im Team „dezentrale Erzeugungsanlagen“. Zu meinen Kompetenzen zählen erneuerbare Energien, Kraftwärmekopplung, Fernwärme und dezentrale Erzeugungsanlagen.
Hier lautet ein wichtiges Thema Vernetzen: Wie sehen typische Projekte aus, worauf konzentrieren Sie sich?
Aktuell beschäftige ich mich mit der Fernwärme im Ruhrgebiet, Due Diligence von Kraftwerksanlagen zum Eigentumsübergang und einem Konzept zur Energieautarkie einer Stadt. Zum einen beraten wir Netzbetreiber in Sachen Regulierungsmanagement und zum anderen berechnen wir, ob eine geplante Anlage zum Energieerzeugen wirtschaftlich oder unwirtschaftlich arbeiten wird. Sehr typisch sind sogenannte Due-Diligence-Prüfungen, in deren Rahmen wir für Unternehmen bewerten, wie viel deren Energieanlagen und -einrichtungen wert sind und für welchen Preis sie verkauft werden sollten. Das reicht bis hin zur Beratung von großen Energiekonzernen, die etwa ihr Gasnetz verkaufen wollen.
Wie hat sich Ihre Arbeit seit dem Atomausstieg verändert?
Wir berechnen mit unseren Energiemarktmodellen, die den europäischen Kraftwerkspark simulieren, wie sich der Kraftwerkspark verändert und welche Strompreise sich bis 2050 einstellen. Das dient immer auch als Input für die Analyse der Wirtschaftlichkeit. Nach Fukushima bat die Politik uns verstärkt um Szenarien, welche die Auswirkungen eines Ausstiegs aus der Atomkraft bei zunehmender erneuerbarer Energie beschreiben. Die wichtigste Frage nach dem Abschalten der Kernkraftwerke lautete ja: Gibt es eine Lücke in der Energieversorgung?
Hand aufs Herz: Gibt es eine Lücke?
Eine Lücke gibt es aktuell noch nicht, aber bei länger währender Unwirtschaftlichkeit der fossilen Kraftwerke, die wir durch den starken Zubau der Erneuerbaren sehen, wird eine Lücke der Versorgungssicherheit entstehen.
Im Kommen befinden sich in der Industrie Blockheizkraftwerke (BHKW): Was spricht für sie, wie lassen sie sich in das Energienetz einbinden?
Mit Erdgas betriebene BHKW, die in Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz kommen, sind für mich die effizienteste Nutzung fossiler Energie. Diese Anlagen sind ideal geeignet, die Erneuerbaren auszuregeln beziehungsweise sie zu integrieren, wenn sie stromorientiert und entkoppelt ausgelegt und betrieben werden. Hier gibt es einen Trend, diese Anlagen anders als früher auszulegen. In früheren Zeiten hieß es, nur möglichst lange Laufzeiten zu erreichen. Heute ist es wichtig,diese Anlagen auch abzuschalten.
Können Sie das konkretisieren?
Mit Hilfe von Energiespeichern muss der Anlagenhersteller die Wärme- und die Stromerzeugung voneinander trennen, damit sie unabhängig voneinander arbeiten können. Es muss also möglich sein, mit den BHKW zu jeder Zeit frei Strom zu erzeugen. Der Besitzer sollte den Anlagenbetrieb am Strommarkt spiegeln und die BHKW nur bei hohen Strompreisen betreiben. Ein hoher Strompreis ist nämlich eigentlich das beste Signal für Knappheit von Strom – wenn Wind und Sonne also sehr wenig Energie erzeugen.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die seit 2009 bestehende Neufassung des „Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung“ – kurz KWKG?
Aus der Sicht der BHKW-Betreiber hat sich das KWKG etwas verbessert, weil die Förderung um 0,6 Cent pro Kilowattstunden angehoben wurde und die Förderung der Speicher und Netze praktikabler erscheint. Damit wird die Integration der Erneuerbaren erleichtert.
Neuerdings gibt es auf dem Markt sogar Mikro-BHKW für Privathaushalte: Ließen sich diese kleinen Anlagen auch in unser Energienetz integrieren?
Die Mikro-KWK sind nicht ganz neu, sie entwickeln sich: Es gibt sogar Brennstoffzellen mit Wirkungsgraden über 50 Prozent. Sie können sicher als virtuelles Kraftwerk ins Gesamtsystem integriert werden. Wichtig sind die Optimierung der Wirkungsgrade und ein stromorientierter Betrieb. Energiewirtschaftlich ist es natürlich meistens so, dass mit Mikro-KWK erst spät relevante Leistungen zusammenkommen.
Wie beurteilen Sie unter dem Strich die Winz-Kraftwerke?
Bei ansprechenden Wirkungsgraden sind sie eine ökologisch positive Erzeugungsalternative, die allerdings in vielen Fällen keine große Wirtschaftlichkeit erzielt. Das Konzept des Zuhause-Kraftwerks halte ich grundsätzlich für positiv.
Welche Chancen bieten die großen BHKW industriellen Anwendern?
Die industrielle Anwendung sehe ich als ein Hauptfeld der Entwicklung der KWK in Deutschland an. 70 Prozent der vorhandenen KWK-Anlagen in der Industrie sind reine Dampfturbinenanlagen, deren Effizienz durch Gasturbinen deutlich gesteigert werden kann. Die Anlage erzeugt die gleiche Wärme, aber doppelt so viel Strom. Weiterhin ist der Wärmebedarf der Industrie, anders als bei der rückläufigen kommunalen Fernwärme, weitgehend konstant. Es gibt vielfältige gesamtwirtschaftliche KWK-Anwendungen in der Industrie, bei deren Erschließung sicher das Contracting hilfreich sein kann.
Es gibt mittlerweile auch schon BHKW, die sich auch mit Biogas und Gülle betreiben lassen: Wäre das eine gute Ergänzung zu alternativen Energiequellen wie Wind und Sonne?
Ich glaube, dass die landwirtschaftlichen Flächen zum Erzeugen von Biomasse begrenzt sind. Auch in unseren Szenarien erkennen wir kein enormes Ausbaupotenzial für Biomasse, obwohl ich den bestehenden Park als sinnvoll empfinde.
Welche Wünsche haben Sie in Sachen Energieversorgung an die Politik?
Ich habe an die Politik die Forderung, dass sie mit der Förderung der KWK ernst macht. Ich erwarte von der Regierung, dass sie das Gesetzeswerk EEG stärker zur Integration der erneuerbaren Energien nutzt. Wir sollten uns unserer Ansicht nach auch langfristig von der Vergütung nach festen Tarifen verabschieden. Sie war ideal, um die Erneuerbaren anzuschieben. Wenn ihr Anteil aber bei 40 und noch mehr Prozent liegt, dann ist diese Form der festen Vergütung zu viel Planwirtschaft und zu wenig Marktwirtschaft. Aber das EEG war ein gutes Instrument, das zu einer Erfolgsgeschichte und einem Ausbau der Erneuerbaren geführt hat, den ich nicht für möglich gehalten habe. Außerdem wünsche ich mir, dass die Politik den Netzausbau vorantreibt und dass sie Stromspeicher fördert.
Was ist für Sie die ideale Energiespeicher-Technik für Deutschland?
Technologisch sehe ich die Pumpspeicherkraftwerke als die beste praktizierte Lösung an, von denen noch weitere gebaut werden sollten. Weil es aber in Deutschland an Bergen fehlt, ist der Einsatz begrenzt. Es gibt eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten wie Wandeln von Strom zu Methan oder Methanol oder Druckluftspeicher. Die Weiterentwicklung dieser Verfahren fürs Flachland müssen mehr als bisher gefördert werden.
Was sagen Sie den „Naturschützern“, die Pumpspeicherkraftwerke und ähnliches bekämpfen?
Der Preis für die Versorgung mit erneuerbaren Energien sind Stromspeicher. Die Belastung durch Pumpspeicherkraftwerke muss mit den Belastungen durch konventionelle Kraftwerke verglichen werden, wobei Pumpspeicherkraftwerke große Vorteile aufweisen.
Dipl.-Ing. Nikolaus Fecht Fachjournalist in Gelsenkirchen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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