Startseite » Technik » Entwicklung »

Omron-Manager Bruno Adam über die Zukunft der mobilen Robotik

Robotik
Omron-Manager Bruno Adam über die Zukunft der mobilen Robotik

Omron-Manager Bruno Adam über die Zukunft der mobilen Robotik
Für Bruno Adam werden mobile Roboter in der Fabrik der Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
Intelligente und mobile Roboter werden in vielen Unternehmen zunehmend die traditionellen Förderbänder und fahrerlosen Transportsysteme ablösen. Davon ist Bruno Adam, Europa-Direktor für mobile Projekte beim Automatisierungsspezialisten Omron, überzeugt.
 ❧ Uwe Böttger

Herr Adam, was sind derzeit die wichtigsten Industrietrends?

Im Zuge von Industrie 4.0 beobachten wir eine Entwicklung hin zur verstärkten Automatisierung. Mit einer engmaschigen Überwachung von Prozessen und Maschinen wollen die Firmen ihre Produktivität steigern. Ein weiterer Trend ist die individuelle Gestaltung von Produkten. Die Hersteller wissen: Wenn sie dem Kunden mehr Auswahlmöglichkeiten bieten, dann steigen die Verkaufszahlen.

Stichwort Produktvielfalt: Welche Konsequenzen hat das für die Fertigung?

Die derzeitige Fertigungsphilosophie basiert auf einer linearen Produktionslinie. Das funktioniert gut, wenn eine hohe Nachfrage nach identischen Gütern besteht. Wenn jedoch dieselbe Menge an Gütern mit größeren Auswahlmöglichkeiten geliefert werden soll, ist diese Produktionslinie nicht der effizienteste Weg, um das Ziel zu erreichen. Zukunftsorientierte Hersteller wenden sich einem sogenannten zellbasierten Ansatz zu, um die Vielfalt ihres Angebots zu steigern. Für dieses Umfeld sind Förderbänder allerdings weniger geeignet. Bei komplexeren Produktionsflüssen ist die einzige Alternative zu Förderbändern die manuelle Handhabung. Für den zellbasierten Ansatz braucht man deshalb mehr Mitarbeiter, die halbfertige Güter per Handwagen oder Gabelstapler zwischen den Zellen bewegen. Natürlich macht das die Effizienz und die Kostenvorteile der ursprünglichen Idee zunichte.

Und wie kommt man raus aus diesem Dilemma?

Mobile Roboter scheinen die Antwort auf diese Frage zu sein. Die erste Generation von mobilen Robotern reagierte auf physische Objekte. Die einen Modelle folgten Farblinien oder Magneten, andere wurden über Markierungen an den Wänden gesteuert. Diese Technik hatte ähnliche Nachteile wie die Förderbänder, da auch sie nur genutzt werden konnte, um Produkte zwischen zwei festgelegten Punkten zu bewegen. Ändert sich ein Punkt, muss die gesamte Umgebung geändert werden. Das kostet viel Zeit und noch mehr Geld. Damit eine zellbasierte Fabrik effizient arbeiten kann, ist ein intelligenter, mobiler Roboter erforderlich, der die Umgebung kennt, in der er eingesetzt wird und der die beste Route zwischen den einzelnen Punkten berechnen kann.

Was ist die technische Herausforderung bei so einer Lösung?

Ein solches Vehikel war bisher aus zwei Gründen nicht verfügbar. Erstens war die Prozessorleistung, die für die Verarbeitung der komplexen Algorithmen benötigt wird, schlichtweg nicht erhältlich. Zumindest nicht batteriebetrieben und klein genug für die gewünschte Form des Roboters. Zweitens waren die eingesetzten Lidar-Sensoren noch nicht ausgereift genug, um den Roboter sicher zu steuern. In den letzten Jahren konnten diese Hindernisse allerdings überwunden werden. Omron arbeitet seit geraumer Zeit an autonomen, mobilen Robotern und hat vor kurzem die LD-Serie bei den AIVs vorgestellt. Die Abkürzung steht für autonome, intelligente Vehikel.

Wie werden die AIVs gesteuert?

Am Anfang wird der Roboter mit einem Joystick durch die Fabrik geführt, damit er die Umgebung mit seinem Lidar-Hauptsensor scannen kann. Dann führt er alle Daten zusammen und generiert daraus eine vollständige, statische Karte seines Arbeitsplatzes in einer Höhe von 200 mm über dem Boden. Diese Karte beinhaltet Informationen über Regale, Maschinen, Mauern und Türen. Der Roboter verwendet die Karte, um die beste Route zwischen zwei Punkten zu berechnen. Wenn für die Erledigung der Aufgabe mehr als ein Fahrzeug benötigt wird, arbeiten die AIVs nicht vollständig alleine. Die Software für die Fuhrparkverwaltung plant den Einsatz der Fahrzeuge. Im praktischen Betrieb wird berechnet, welcher Roboter am nächsten an der Maschine steht, die zu bedienen ist. Und der wird dann auch los geschickt. Die Software kann außerdem das AIV über besonders frequentierte Bereiche informieren. Für die Berechnung der Route ist das wichtig. Das Programmpaket kommuniziert mit den mobilen Robotern und den Maschinen, während sie jede Position von allen Fahrzeugen aufzeichnet.

Wie sieht der praktische Ablauf aus?

Im Betrieb liefert der Lidar-Sensor dem Fahrzeug einen Blickwinkel von 220 Grad. Damit kann der mobile Roboter Objekte, die sich auf seinem Weg befinden, sicher umsteuern und seine Geschwindigkeit in Echtzeit an die Umgebung anpassen. Ein vertikaler Sensor an einer Seite des AIV unterstützt den Hauptsensor. Beide Sensoren prüfen, ob der Weg frei von Hindernissen ist oder ob sich verschüttete Flüssigkeiten auf dem Boden befinden. Außerdem wird die Umgebung nach überhängenden Gegenständen abgesucht wie zum Beispiel die Gabeln eines Staplers oder offene Schubladen. Auch so etwas kann die Fahrt behindern.

Lässt sich das AIV auf spezielle Anwendungen in der Industrie anpassen?

Ja, das geht. Der Sockel bleibt gleich, aber die Oberseite lässt sich der jeweiligen Anwendung anpassen. Dabei gibt es drei Grundeinstellungen: eine flache Oberseite, ein Förderband oder ein Wagentransporter. Die Modelle mit flacher Oberseite arbeiten halbautomatisch und müssen manuell beladen und entladen werden. Sie lassen sich auch individuell anpassen. In medizinischen Anwendungen wird eine verschlossene Kiste auf dem AIV verwendet, um gefährliche Substanzen innerhalb einer Einrichtung transportieren zu können. Die Förderband- und Wagentransporter-Varianten arbeiten autonom. So kommuniziert zum Beispiel ein Fahrzeug mit Förderband-Oberseite per WLAN oder optischem Datentransponder mit der Maschine. Auf diese Weise wird die Position bestätigt und die Ladung kann korrekt übergeben werden. Integratoren entwickeln darüber hinaus Varianten mit seitlichen Förderbändern, Doppel-Förderbänder, Rollen oder Riemen.

Wie werden sich die mobilen Roboter weiter entwickeln?

Da warten noch einige Herausforderungen auf uns. Um in komplexen und engen Umgebungen arbeiten zu können, müssen die Modelle komplizierte Wege zurücklegen und dabei den gesamten Umriss des Fahrzeugs inklusive der Ladung berücksichtigen. Dadurch werden zum Beispiel Blockierungen in engen Kurven vermieden. Ein weiterer Bereich, in dem wir Verbesserungen erwarten, ist die Tragfähigkeit der Vehikel. Derzeit kann das größte Modell von Omron 130 kg transportieren, was in den meisten Anwendungen ausreicht. Einige Kunden aus der Getränke- und Automobilbranche brauchen allerdings Fahrzeuge mit höherer Tragkraft. Größere Roboter werden allerdings stärker reguliert und müssen hinsichtlich der Sicherheit größere Hürden überwinden. Trotzdem werden die Modelle im Laufe der Zeit kommen.

Welche Entwicklungen sind bei der Software zu erwarten?

Zukünftige Programme für die Fuhrparkverwaltung werden komplexere Produktionsflüsse ermöglichen. Im Moment reagiert die Software auf den Zustand der Produktionslinie. Der Roboter muss darauf warten, dass die Planungssoftware ihm mitteilt, dass eine Ladung abgeholt werden muss. In der nächsten Softwaregeneration wird dieses Verfahren intelligenter ablaufen. Die Planungssoftware berechnet dann die Schritte für das Fahrzeug im Voraus oder positioniert die Roboter so, dass sie bereit sind, eine Arbeit zu erledigen. Das wird die Produktivität steigern und die Betriebszeit der Fahrzeuge verlängern.

Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de