Startseite » Technik » Entwicklung »

Präzise und schnell – die Hydraulik regelts

Mechatronische Anlagen bearbeiten Ventilblock des 9G-Tronic-Getriebes
Präzise und schnell – die Hydraulik regelts

Mechatronik | Es war eine der meist bestaunten Überraschungen auf der IAA, das 9-Gang-Automatik-Getriebe „9G Tronic“ von Mercedes-Benz. Auch seine Bearbeitung hats in sich: Um höchste Genauigkeit sicher zu stellen, sind die Spindelköpfe mit einem hydraulischen Mikro-Positioniersystem ausgestattet.

Dr. Franz-Georg Lachner Fachjournalist in Linz

Für die Bearbeitung des Ventilblocks, der nunmehr neun statt bisher sieben Gänge zu schalten hat, holte sich Daimler technologische Unterstützung aus Österreich. Die von Anger Machining in Traun nach einem neuartigen Engineering-Konzept entwickelte Anlage operiert mit Dreifachbearbeitung. Um dafür höchste Präzision garantieren zu können, rüstete das Linz Center of Mechatronics (LCM) die Spindelköpfe für die Bohr- und Fräsaufsätze mit einem außergewöhnlich präzisen hydraulischen Mikro-Positionierungssystem aus. Zwei Anger-Maschinen für diese Anwendung sind bereits im Einsatz, zwei weitere werden im Herbst folgen.
„Dieser Auftrag ist nicht nur ein wirtschaftlicher Erfolg, er ist vor allem eine Auszeichnung für die Engineering-Kompetenz der Teams von LCM und Anger“, erklärt Roland Haas, der Bereichsleiter Technik bei Anger Machining. Tatsächlich haben sich die Trauner mit ihrem Konzept im Wettbewerb gegen renommierte Maschinenbauer durchgesetzt. Das Zerspanen der Ventilblöcke des Automatikgetriebes erledigen Maschinen, in denen jeweils drei Werkstücke gleichzeitig eingespannt sind und somit parallel bearbeitet werden können. Durch verschiedene Effekte kann es aber zu Lagefehlern kommen, sowohl bei den Spindelpositionen als auch bei den Werkstücken. Bei der Parallelbearbeitung lassen sich die drei Werkstücke durch den Hauptantrieb jedoch nur gemeinsam korrigieren. Das hydraulische Mikro-Positionierungssystem von LCM sorgt nun dafür, dass zwei der drei Werkstücke unabhängig von ihrer Position elektronisch korrigiert und somit auftretende Positionsabweichungen kompensiert werden.
„Präzision und Geschwindigkeit auf engstem Raum in den Gesamtprozess integrieren“, fasst Roland Haas die Vorgaben der Daimler AG zusammen. Nach Traun ging der Prestigeauftrag, weil Anger Machining eine Anlage konstruierte, die sich durch geringeren Platzbedarf und höheren Output als Doppel-Bearbeitungsmaschinen von Mitbewerbern auszeichnet. Um die außerordentlich strengen Toleranzvorgaben erfüllen zu können, wurde LCM von Anger Machining beauftragt, das hydraulische Mikro-Positionierungssystem zur Korrektur der Spindelpositionen zu entwickeln: Es kann Positionskorrekturen der Spindeln in den zwei Achsen normal zur Spindelachse von bis zu 100 µm bis zu sieben Mal pro Sekunde mit einer Präzision von weniger als 5 µm ausgleichen.
„Das System von LCM ist nicht nur robust, schnell und präzise, es ist außerdem sehr platzsparend“, zeigt sich Roland Haas mit der Entwicklungsarbeit des Mechatronik-Spezialisten zufrieden. Die größte Herausforderung war, die Hydraulik mit der Mess- und Regelungstechnik zu einer funktionierenden Einheit zusammenzuführen. Außerdem mussten das Hydrauliksystem, die Verkabelung und die Sensorik auf engstem Raum untergebracht werden.
Elastische Stahlmembranen mit 30 kN Druck
Herzstück dieser neuartigen Mikro-Positionierung der Spindelköpfe sind jeweils vier hydraulisch verstellbare, in Paaren gegeneinander wirkende elastische Stahlmembranen. Als Druckkissen erlauben sie Positionskorrekturen in beiden Spindelnormalachsen. Durch Verändern des Öldrucks in den Membranen/Druckkissen und eine spezielle Rahmenkonstruktion wird es möglich, die Spindelköpfe zweiachsig einzustellen.
„Um die hohen Stellkräfte, die wiederum eine sehr hohe Steifigkeit des Systems erlauben, möglichst exakt und verlustfrei auf den Spindelkopf zu übertragen, haben wir um diesen einen sehr steifen, allerdings beweglichen Rahmen gelegt“, präzisiert LCM-Projektleiter Bernd Winkler. „Während zwei Druckkissenpaare innerhalb des Rahmens direkt auf den Spindelkopf wirken, wird die zweite Achse durch Druckkissen verändert, die von außen auf den direkt am Spindelkopf anliegenden Rahmen wirken.“ Die Konstruktion zeichnet sich sowohl durch eine hohe Steifigkeit als auch große Präzision und Robustheit aus.
Gebaut wird das Hydraulische Mikro-Positionierungssystem vom LCM mit marktüblichen Regelventilen und Wegsensoren. Auch die Steuerung erfolgt über gängige Produkte.
Nachdem die gesamte Planung und Konzeption nach sechs Monaten abgeschlossen war, konnte binnen zwei Monaten ein voll funktionstüchtiger Prototyp gebaut werden. „Auch die Entwicklung des serientauglichen Produktes wurde in nur zwei Wochen realisiert“, zollt Anger-Technikchef Haas dem LCM-Team rund um Bernd Winkler Respekt. „Die größte Überraschung für uns war aber, dass es bis zum heutigen Tag weder in der Entwicklungsphase, noch während der Inbetriebnahme oder im Echtbetrieb bei Daimler zu Überraschungen oder Verzögerungen gekommen ist“, betont Haas. „Das Mikro-Positionierungssystem war erstaunlich schnell voll einsatzfähig.“
Seit Sommer 2013 sind bei Daimler im Neckartal jene zwei Anger-Anlagen im Einsatz, mit denen der Ventilblock des neuen 9G-Tronic-Getriebes in 3-fach-Bearbeitung gebohrt und gefräst wird. Seither arbeitet das von LCM entwickelte und programmierte hydraulische Mikro-Positionierungsystem fehlerfrei. Produktionsunterbrechungen zur Nachjustierung der Spindelköpfe gehören damit der Vergangenheit an. In Traun werden unterdessen bereits die nächsten beiden Anlagen für Daimler gefertigt, die im Herbst ausgeliefert werden.
Bei der Weiterentwicklung des Mikro-Positionierungssystems hin zur nächsten Generation haben sich überraschende Perspektiven ergeben, verrät LCM-Geschäftsführer Gerald Schatz. „Durch einen digitalhydraulischen Ansatz gelingt es uns, die Komplexität des Systems nochmals zu verringern. Dadurch können wir mit einfacheren Komponenten arbeiten und die Kosten des Gesamtsystems sowohl auf der Ventilebene als auch bei den notwendigen Sensoren deutlich reduzieren.“ •

Das mechatronische Positioniersystem von LCM ist nicht nur schnell und präzise, sondern auch sehr platzsparend.“
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de