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Schall- und Crashtests sind bestanden

Aluminiumschaum: Leichtbau-Werkstoff mit vielen vorteilen
Schall- und Crashtests sind bestanden

Vor allem im Leichtbau ist Aluminiumschaum als Werkstoff erste Wahl. Doch sein Einsatz beschränkt sich immer noch auf spezielle Anwendungen. Der Grund sind fehlende Konstruktionsrichtlinien und Fertigungstechniken.

Als formschöner Leisetreter macht Sonys Heimkino-Projektor Qualia 004 seit drei Jahren Furore. Bei diesem designorientierten Highend-Beamer stört kein Surren des Lüfters den Filmgenuss. Denn sein bedampftes Metallgehäuse ist mit Aluminiumschaum verkleidet und minimiert so die Geräuschentwicklung. Umrandet von silbrigen Aluminiumprofilen befindet sich unter dem durchsichtigen Gehäuse eine eingefärbte Aluminiumschaum-Platte.

An diesem Beispiel wird die Funktionsintegration von Aluminiumschaum deutlich: Der Werkstoff wird als Dämmmaterial, als Designwerkstoff, als Wärmeleiter und als Leichtbauelement zur Reduzierung der Deckenlast gleichzeitig eingesetzt. Dies zeigt: Der Einsatz von Aluminiumschaum ist vielseitig und birgt in vieler Hinsicht Vorteile.
Dennoch ist die Bereitschaft, den Werkstoff in der Industrie einzusetzen, immer noch relativ gering. Dies liegt nicht zuletzt an mangelnden Informationen: Für die meisten Werkstoffe gibt es heute umfangreiche Datenbanken oder Nachschlagewerke, mit deren Hilfe sich der Anwender gezielt informieren kann. Dies ist bei Aluminiumschaum nicht der Fall. Ein Taschenbuch (siehe Kasten rechts) soll diese Lücke nun schließen.
Bauteile aus Aluminiumschaum sind im Inneren porig, außen zeigt sich eine geschlossene Oberfläche. Durch das Mischen von Aluminiumpulver mit einem Treibmittel – in der Regel handelt es sich um Hybride, vor allem um Titanhydrid (TiH2) – wird ein Material hergestellt, das bei entsprechenden Temperaturen „aufgebacken“ wird. Bei diesem Prozess kann der Aluminiumschaum in einer Form geschäumt werden, so dass er sich der Werkzeugkontur anpasst.
Nach dem Schäumungsvorgang wird das Bauteil entsprechend endbearbeitet. So lässt sich der Werkstoff problemlos spanend durch Fräsen oder Drehen bearbeiten. Das Sägen stellt dabei die einfachste Methode zum Beschneiden eines ebenen Aluminiumschaum-Sandwiches dar. Ein präzises Bohren ist allerdings nur möglich, wenn der Bohrer eine hohe Eigenbiegesteifigkeit (ab ca 12 mm Durchmesser) besitzt.
Das hergestellte Bauteil aus Aluminiumschaum ist im Vergleich zu einem gegossenen Produkt wesentlich leichter. Die Dichte des Materials und die Verteilung der Poren richten sich nach den Bedingungen während des Schäumungsprozesses. Die mechanischen Eigenschaften eines Aluminiumschaumbauteils sind ebenfalls abhängig von den Prozesszeiten.
Vor allem im Leichtbau macht man sich die Vorteile des Aluminiumschaums zu Nutze, da der Werkstoff aufgrund des hohen Luft-Volumentanteils im Vergleich zu Monomaterialien gleich bleibende Festigkeit verspricht. So hat der Glashersteller Pilkington durch den Einsatz des geschlossenporigen Aluminiumschaums Alporas der Gleich GmbH, Kaltenkirchen, das Gewicht einer Werkzeugaufnahme für Pkw-Frontscheiben von 82 auf 30 kg reduzieren können. Vorher nutzte sie eine komplette Aluminiumkonstruktion für den Transport der Frontscheibensegmente in der Fertigungslinie. Diese 82 kg schwere Werkzeugaufnahme wurde ohne mechanische Hilfsmittel bewegt.
Daneben bringt der Werkstoff Vorteile für das Schwingungsverhalten von Produkten: Schwingende Konstruktionen und Bauteile, die zum Beispiel aus Hohlprofilen bestehen, erreichen nämlich mit Hilfe von gefüllten Strukturen eine höhere Steifigkeiten und größere Dämpfung. Bei solchen geschäumten Hohlprofilen handelt es sich allerdings noch um angedachte Standardmaterialien, die heute nur in verschiedenen Einsatzgebieten Einzelanwendung finden. So hat die Firma Gleich Alporas-Schaum für den Tragbalken einer Spinnereimaschine eingesetzt. Die optimierte Konstruktion wiegt mit 21 kg zwar etwa genau so viel wie das Original. Doch wurde die Vibration bei Frequenzen unter 370 Hz um 60 % reduziert.
Auch als Crash-Elemente eignen sich solche gefüllten Hohlprofile, da sich der Aluminiumschaum gut verformen lässt und somit sehr gut Energie absorbieren kann. Erste Anwendungen im Automobilbau reichen von Seitenschwellern für zwei Ferrari-Modelle bis hin zur Gepäckablagerungselementen im Audi Q7.
Sollen Hohlräume mit Aluminiumschaum gefüllt werden, so ist dies allerdings nicht bei Kostenneutralität erreichbar. In einem solchen Anwendungsfall muss eine Steigerung der Leistung ganz klar einhergehen. Das können verbesserte Crasheigenschaften oder Schalldämpfung sein, aber auch erhöhte Festigkeitswerte oder Biegesteifigkeiten könne die Zusatzkosten aufwiegen. Generell lassen sich Produkte auf Basis von Aluminiumschaum durchaus wirtschaftlich herstellen. Bei ausreichenden Stückzahlen, das heißt mehreren tausend Stück pro Jahr, sind bei Schaumteilen mit einem Volumen zwischen 0,25 bis 1 dm3 Kosten zwischen 17 und 20 Euro pro kg realisierbar. In der Großserie und bei geeigneter Automatisierung des Prozesses sind nach Einschätzung von Experten schon heute 12,50 Euro pro kg vorstellbar.
Zum Vergleich: Großserien in Aluminiumguss kosten 4 bis 9 Euro pro kg. Allerdings ist der Vergleich auf Gewichtsbasis nicht ganz korrekt, das das spezifische Gewicht von Aluminiumschaum zwischen 0,5 und 0,8 kg/dm3 liegt und daher nur 20 bis 35 % von Aluminium oder Sandkernen beträgt. Deshalb müssen die Herstellkosten eigentlich in Relation zum Volumen gesetzt werden.
Dr. René Poss LMpv GmbH, Oranienbaum
Bei hohen Stückzahlen ist die Wirtschaftlichkeit gesichert

Dem Leichtbau auf der Spur
Know-how eines Start-up
Die LMpv GmbH ist das jüngste Tochterunternehmen der MTW GmbH, Metalle und technische Werkstoffe. Das Start-up-Unternehmen, gegründet im Januar dieses Jahres in Oranienbaum, entwickelt den Markt für Leichtbau, selektiert technologische Aufgaben und bündelt internes sowie externes unternehmerisches Handeln mit wissenschaftlicher Kompetenz. Es entwickelt MMC-Legierungen (Metal Matrix Composites) und stellt Metall-Schäume auf Basis von Aluminium und Magnesium her. Das Unternehmen bietet in diesem Umfeld Konstruktion, Beratung und Produktion an.
Fachliteratur
Das „Taschenbuch der Aluminiumschäume“ aus dem Düsseldorfer Aluminium-Verlag ermöglicht es Konstrukteuren und Ingenieuren, sich mit den zellularen metallischen Werkstoffen intensiv auseinander zu setzen. Ein solches Kompendium mit allen Informationen über den innovativen Werkstoff fehlte bislang. Damit haben die Autoren – neben dem LMpv-Vertriebsleiter René Poss zwei Wissenschaftler der TU Clausthal sowie des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) Chemnitz – erstmals das allgemeine Wissen über Aluminiumschäume systematisch zusammengetragen. Das Buch deckt die Herstellung, die Berechnung und auch die Anwendung von Aluminiumschäumen ab. Fragestellungen zu ihren Festigkeiten, mechanischen Kennwerten sowie Vorteilen in der Anwendung werden hier verständlich erklärt. Dazu gehören auch Informationen über Fügetechniken, Bearbeitungsverfahren, Prüfverfahren, Metallografie sowie Korrosion und Verschleiß.
Thomas Hipke, Günther Lange, René Poss: Taschenbuch der Aluminiumschäume, Aluminium-Verlag, 81 Euro. Weitere Informationen: www.alu-verlag.de
Leichtbau-Lehrgang
LMpv bietet gemeinsam mit externen Fachleuten des Aluminium-Verlags und der Weisensee Warmpressteile GmbH ein Seminar für Ingenieure an, die mehr über den Umgang mit Aluminiumschaum und Magnesium lernen wollen. Dieser Leichtbau-Lehrgang soll die Einsatzmöglichkeiten von neuartigen, innovativen und energiesparenden Materialien aufzeigen. Denn der Einsatz neuer Materialien bedarf Schulung von Mitarbeitern. In diesem eintägigen Seminar vermitteln fachkundige Referenten die Grundlagen der Werkstoffkenntnisse und geben Konstruktionshinweise. In einer offenen Fragerunde im Anschluss der Veranstaltung werden Fragen der Teilnehmer beantwortet und diskutiert. Das Seminar wird mehrmals im Jahr in verschiedenen Städten Deutschlands angeboten.
Die Termine 2008:
  • 17. September 2008 in Bremen
  • 26. November 2008 in Düsseldorf
Weitere Informationen und Anmeldung unter info@lmpv.de.
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