Die Pioneering Spirit ist ein Arbeitsschiff des schweizerischen Offshore-Dienstleisters Allseas und kann selbst die schwersten Oberteile von Bohrinseln, die sogenannten integrierten Decks, in einem Stück deinstallieren. In der Nordsee gibt es derzeit rund 600 Bohrinseln, von denen ein Großteil wegen Ablauf der Nutzungsdauer bis zum Jahr 2040 wieder abgebaut werden muss. Für diese außergewöhnliche Anwendung hat Allseas ein System zur Bewegungskompensation mit den zugehörigen Steuerungssystemen entwickelt. Für die Hydraulikauslegung und die Anordnung der speziellen Bauteile der Hubbalken beauftragten die Eidgenossen das Unternehmen Bosch Rexroth. „Wir haben schon oft mit den Ingenieuren von Allseas zusammengearbeitet und Bauteile für Spezialschiffe geliefert, die Pipelines im Meer verlegen“, weiß Ron van den Oetelaar, Chef von Bosch Rexroth Benelux. „Aber die technische Auslegung für dieses neue Hubsystem war eine einmalige Gelegenheit, unser technisches Wissen unter Beweis zu stellen.“
Die Ingenieure von Allseas haben die einzigartige Form des Schiffes und das Prinzip der Hubbalken für das sogenannte Topsides Lift System (TLS) entwickelt. Das Team von Bosch Rexroth kümmerte sich um die Ansteuerung der einzelnen Hubbalken. Dabei wurden Hydraulik, Elektrik und Hybridkombinationen beider Techniken in Erwägung gezogen. Das Ziel war, dass das Schiff Plattformen mit einem Gewicht bis zu 48 000 t schnell und zugleich präzise anheben kann. In einem gemeinsamen Entwicklungsprozess wurden zahllose Tests und Simulationen durchgeführt, um die optimale Lösung zu finden. Nachdem alles nach mehrjähriger Entwicklungszeit auf dem Papier funktionierte, wurde Bosch Rexroth mit der Herstellung der Hydraulikkomponenten und Antriebssysteme für die einzelnen Balken beauftragt.
Der Bau oder die Demontage einer Plattform mit Schiffen, Kränen und Dutzenden von Arbeitern auf dem offenen Meer dauert üblicherweise Wochen oder gar Monate. Die 382 m lange und 124 m breite Pioneering Spirit kann den oberen Teil einer Plattform von der Stelzenkonstruktion innerhalb von 9 s anheben. Das System besteht aus 16 Hubbalken, die von der Brücke des Schiffs aus gesteuert werden. Mit diesen Hubbalken wird die Plattform in einer raschen Bewegung 2,5 m angehoben, sodass die Aufbauten der Plattform von der Unterkonstruktion gelöst werden. Dann entfernt sich das Schiff und die Aufbauten werden Richtung Küste transportiert.
Standardbauteile aus der Produktpalette von Bosch Rexroth können für spezielle Projekte dieser Größe nur selten verwendet werden. Abgesehen von einigen wenigen Katalogbauteilen wie Ventile oder Hubkolbenpumpen wurden die meisten der Komponenten und Teilsysteme speziell für dieses Schiff entwickelt. Dazu zählen Zylinder, Steuerungseinrichtungen, Generatoren und Montageplatten. Die lokalen digitalen Steuerungssysteme für die Hubbalken wurden ebenfalls speziell für diesen Auftrag konstruiert. Während der Planung arbeiteten die Entwickler mit leistungsstarken Simulationsprogrammen. Um das Systemverhalten abzuschätzen, setzten sie die Finite-Elemente-Methode ein. So ließen sich kritische Teile und Komponenten hinsichtlich ihrer Festigkeit berechnen und Risiken im Prozessablauf aufzeigen. Richtig spannend wurde es schließlich beim ersten Praxistest im letzten August. Dabei wurde der 13 500 t schwere Aufbau einer Plattform vor der norwegischen Küste angehoben. Alles funktionierte perfekt. Danach wurden die restlichen vier Hubbalken einschließlich der Komponenten von Bosch Rexroth für noch größere Hebevorgänge auf dem Schiff installiert. (ub)
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