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VDI-Richtlinie 2290: Wann ist ein Flansch künftig dicht?

Fachgruppe Dichtungstechnik zeigt Konsequenzen und Chancen der VDI 2290 auf
VDI-Richtlinie 2290: Wann ist ein Flansch künftig dicht?

Seit Juni 2012 gibt es die VDI-Richtlinie 2290, die ergänzend zur TA Luft die Dichtheit von Flanschen bewertet. Doch noch immer wirft sie Fragen auf, was Pflichten und Chancen betrifft. Um Klarheit zu schaffen, veranstaltete der VTH Verband Technischer Handel e.V. einen hochkarätig besetzten Infotag.

Welche Restriktionen haben Technische Händler durch die neue Richtlinie? Was sind die Konsequenzen der Novellierung, was ihre Chancen? Dies sind typische Fragen, die nach Einführung der VDI-Richtlinie 2290 „Emissionsminderung – Kennwerte für dichte Flanschverbindungen“ im letzten Jahr immer noch im Raum stehen. Um für Antworten zu sorgen, lud die Fachgruppe „Dichtungstechnik“ im VTH Verband Technischer Handel e.V. nun zu einem Informationstag mit hochkarätigen Dozenten ein.

Zunächst zu den Fakten: VDI 2290 regelt als Ergänzung zur TA Luft die Beurteilung der technischen Dichtheit von Flanschverbindungen für flüssige und gasförmige Medien mit dem vorrangigen Ziel, die Umwelt zu schonen. Sie gilt für Rohrleitungen mit metallischen Flanschen insbesondere in der chemischen und petrochemischen Industrie mit einer maximalen Betriebstemperatur von 400° C. Die Leckagerate ist dabei mit l = 0,01 mg/(s∙m) angegeben. Sie gilt nicht für Kunststoffflansche, Emailleflansche, Flanschverbindungen ohne Schrauben und auch nicht für Kompaktflanschverbindungen ohne Dichtung oder mit Flüssigkeitsdichtung.
Soweit die Theorie.
Vorgaben für Hersteller und Betreiber
Doch in der Praxis herrscht noch Unsicherheit. „Herstelleraussagen wie ,Diese Dichtung erfüllt die VDI 2290’ sind blanker Unsinn“, macht Prof. Alexander Riedl von der Fachhochschule Münster klar. „Denn ob die Richtlinie erfüllt wird, hängt nicht allein von der Dichtung ab, sondern wird für die konkrete Situation berechnet. Für eine Einhaltung der Richtlinie sind neben den verwendeten Flanschen die Schrauben, das Medium, die Betriebstemperatur und nicht zuletzt die richtige Montage zu beachten.“
Die Konsequenzen der VDI-Richtlinie für die Dichtungshersteller beschrieb der Wissenschaftler so: Dichtungskennwerte nach EN 13555 müssen für jede Dichtung abhängig von der Dicke ermittelt werden. Eine bestimmte Dichtung kann nur mit bestimmten Flanschen und bestimmten Schrauben im Zusammenhang gesehen werden.
Die Anzahl der einsetzbaren Dichtungen werde sich minimieren, prophezeite der Professor. „Jetzt und in den nächsten Jahren ist es notwendig, ein Produkt beim Kunden zu positionieren. Denn künftig wird es relativ schwer sein, eine Dichtung durch eine andere zu ersetzen, da hierfür neue und umfangreiche Berechnungen des gesamten Dichtungssystems notwendig werden.“
Auch die Betreiber haben für die Einhaltung der neuen Richtlinie einiges zu beachten: Rohrklassen müssen einen Dichtheits- und einen Festigkeitsnachweis nach EN 1591-1 (oder vergleichbar) mit Dichtungskennwerten nach EN 13555 erfüllen. Für die Montage, die nur benanntes und qualifiziertes Personal vornehmen darf, müssen Drehmomenttabellen vorhanden sein, die zu prüfen und zu dokumentieren sind. „Für Rohrleitungsflansche empfehle ich den Leitfaden zur Montage von Flanschverbindungen in verfahrenstechnischen Anlagen, der kostenlos auf der Internetseite des VCI Verband der Chemischen Industrie e.V. herunterzuladen ist“, sagte der Professor. Für den Dichtheits- und Festigkeitsnachweis müssen die Dichtungskennwerte nach EN 13555 mit minimal erforderlichen und maximal zulässigen Flächenpressungen, Elastizitätsmodulen und Kriech-Relaxionswerten vorliegen. „Für etwa 130 Dichtungstypen haben wir die Dichtungskennwerte bereits erfasst und stellen sie kostenlos und unabhängig unter www.gasketdata.org zur Verfügung“, so Alexander Riedl.
Berechnung und kontrollierte Montage
Näher auf das Berechnungsverfahren von verspannten Verbindungen ging Dipl.-Phys. Manfred Schaaf von Amtec, Messtechnischer Service GmbH, ein. Gleich zu Beginn seines Vortrages beruhigte er seine Zuhörer: „Sie müssen lediglich die Flanschverbindung berechnen lassen und darauf achten, dass dies anschließend bei der Montage beachtet wird. Mehr verlangt die VDI 2290 eigentlich nicht.“ Für die Berechnungen ist unterschiedliche Software auf dem Markt erhältlich. Wichtig ist hierbei neben der Normkonformität vor allem ein aktueller Datensatz an Dichtungskennwerten, auf den das Programm zurückgreifen kann.
Berechnungen sind allerdings nur für Krafthauptschlussverbindungen möglich. „Für Kraftnebenschlussverbindungen existieren keine Berechnungsnormen. Dementsprechend gilt die VDI 2290 für diese Dichtungssysteme nicht“, so Schaaf. Der Nachweisumfang bei der Flanschberechnung beinhaltet die Dimensionierung der Bauteile, die Bestimmung der erforderlichen Montagekräfte, einen Festigkeitsnachweis und einen Dichtheitsnachweis.
Technischer Händler als Mittler mit Fachwissen
Dipl.-Ing. Wolfgang Abt, Produktmanager bei der Klinger GmbH, der über die Konsequenzen der VDI 2290 für den Technischen Handel referierte, deckte ein Problem bei eckigen Flanschen auf. Denn für sie ist eine Berechnung nach der EN1591-1 nicht möglich, da diese nur für runde Flansche gilt. Somit kann kein Nachweis über die geforderte Dichtheit bei eckigen Flanschen erbracht werden.
Abt stellte noch einmal heraus: „Eine VDI-2290-zugelassene Dichtung gibt es nicht.“ Die zwei Grundvoraussetzungen für geeignete Dichtungswerkstoffe seien ein TA-Luft-Zertifikat und die Verfügbarkeit von Dichtungskennwerten nach EN 13555. Eine Zulassung oder ein Zertifikat im Sinne der VDI 2290 gibt es nicht. Die Dichtung findet in Form ihrer Dichtungskennwerte Eingang in die Flanschberechnung nach EN 1591-1 und beeinflusst deren Ergebnis. Ein guter Dichtungshersteller verfügt neben dem technischen Know-how über ein eigenes Labor und kann Dichtungswerte dort selbst bestimmen.
Der Technische Handel sei von der VDI 2290 letztlich nur indirekt betroffen. Natürlich sollte er verstärkt auf seine Beratungskompetenz setzen, da er als Mittler zwischen Hersteller und Anwender agiert. Um seine Kunden adäquat beraten zu können, sollte er sein dichtungstechnisches Fach- und Hintergrundwissen ständig auf- und kontinuierlich weiter ausbauen.
Eine Möglichkeit dafür ist zum Beispiel der VTH-Lehrgang zum Fachberater Dichtungstechnik. „Optimal wäre es, wenn ein spezialisierter Mitarbeiter mit ausreichend Zeit und technischer Ausbildung, zum Beispiel als Techniker oder Ingenieur, für Fragen rund um die VDI 2290 eine zentrale Anlaufstelle wäre“, so Abt. os
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