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Vom Smart Grid hängt Gelingen der Energiewende ab

VDE-Kongress Smart Grid in Stuttgart
Vom Smart Grid hängt Gelingen der Energiewende ab

Auf dem Energiegipfel hat die Bundesregierung eine Renovierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen. Die Ingenieure des Verbands VDE empfehlen in einem Positionspapier der Politik zum großen Wurf: Ein Masterplan für die Energiewende muss her.

„Die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bedingt den Aufbau von intelligenten Verteilnetzen“, konstatiert Alexander Probst vom Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik der Uni Stuttgart auf dem VDE-Kongress Smart Grid. „Wir müssen den Paradigmenwechsel von einer verbrauchsabhängigen Erzeugung zu einem erzeugungsunanbhängigen Verbrauch schaffen.“ Die Zahl der Eingreif- und Gefährdungstage im deutschen Energienetz nimmt inzwischen zu – die Wahrscheinlichkeit von Blackouts steigt durch die Volatilität der Einspeisung von Strom aus Windkraft und Fotovoltaik. Zwischen 2007 und 2011 ist die nicht eingespeiste Energiemenge von 0 auf 45 Gigawattstunden angewachsen. Und damit nicht genug: „Wenn im europäischen Netz zwei Kernkraftwerke ausfallen, so ist das noch ausregelbar, aber ab neuen Gigawatt ist der Ofen aus“, formuliert Diplomingenieur Probst pointiert.

Auf dem gegenwärtig laufenden VDE-Kongress Smart Grid in Stuttgart hat der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) den Report „Energiehorizonte 2020“ vorgestellt. Die Studie über die Stromversorgung der Zukunft bündelt den aktuellen Erkenntnisstand und definiert eine zentrale Herausforderung: Umbau und Flexibilisierung des gesamten Systemdesigns mit den Elementen Ausbau der Netzinfrastruktur, der Speicherkapazitäten und des Kraftwerksparks.
„Im Jahr 2011 waren die deutschen Stromkunden durchschnittlich nur 16,2 Minuten von Versorgungsausfällen betroffen – die Anzahl der Tage mit Einsenkung der Leistung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz über die Jahre 2007 bis 2011 ist von 0 auf 45 angestiegen“, skizziert VDE-Präsident Alf Henryk Wulf die Zuspitzung. Die Situation sei, so der Vorstandsvorsitzende von Alstom, nicht so dramatisch, dass man in Hysterie verfallen müsse. „Aber sie ist so ernst, dass wir jetzt schnellstens einen wasserdichten Masterplan für ein neues Systemdesign im Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit entwickeln müssen.“
VDE-Präsidiumsmitglied Professor Jochen Kreusel, Leiter Smart Grid bei ABB, will vor allem eine Sicherstellung einer ausreichenden Reaktionsfähigkeit der Systemteile jenseits der erneuerbaren Energien auf deren Volatilität: „Wir brauchen ein ganzheitliches intelligentes Energieversorgungssystem.“ Vor allem muss der Zunahme der dezentralen Elemente in der elektrischen Energieversorgung Rechnung getragen werden. „Die traditionelle elektrische Energieversorgung besteht in Deutschland aus rund 10.000 Komponenten wie Kraftwerken und Schaltanlagen. Durch die Solaranlagen sind es eine Million mehr – und mit zukünftigen Komponenten wie Smart Meter müssen 100 Millionen Komponenten integriert werden.“
Das Herzstück der Energiewende sind für den VDE die intelligenten Netze, die alle Akteure auf dem Strommarkt integrieren. „Netzintelligenz ist der technische Nukleus des Energieversorgungssystems“, betont Dr. Rainer Fechner, Technikvorstand der Alcatel-Lucent Deutschland AG. Die größte Herausforderung sei, dass die heutigen Verteilnetze keine Kommunikationsinfrastruktur besitzen. Fechner vergleicht die Situation mit dem Internet: „Wir haben heute im Energiebereich ein reines Verteilnetz, das für Downloads geeignet ist. Doch wir haben wie im Internet 2.0 inzwischen nicht nur Konsumenten, sondern Prosumer – und wir wissen nicht, wann, wo wie viel Energie eingespeist wird.“ Es sind also Schnittstellen zwischen Branchen und Fachrichtungen erforderlich. Und die Stromspeicher müssten – ganz wie Datenspeicher – prozessiert werden: „In der Forschung übertragen wir tatsächlich bereits Algorithmen aus dem Cloud Computing auf die Energiespeicher-Cloud.“
Für VDE-Präsident Wulf ist es unumgänglich, dass die Technologie- und Exportnation über den nationalen Tellerrand hinausschaut: „Deutschland hat die Chance, seine internationale Spitzenposition auszubauen und die Energiewende als Sprungbrett für globale Zukunftsmärkte wie Smart Home oder Smart Cities zu nutzen.“ 74 Prozent der VDE-Mitgliedesunternehmen sehen Deutschland im Bereich Smart Grid als Innovationsführer. „Wir müssen die Energiewende aus der Wohlfühlecke herausholen.“ Dazu gehört auch mehr Wettbewerb und eine bessere Marktorientierung. „Kein Mensch braucht beispielsweise einen Smart Meter“, bringt es Professor Jochen Kreusel auf den Punkt. „Wir müssen auf Basis der Smart Meter Dienstleistungen entwickeln, die das Leben angenehm machen, um Nachfrage zu erzeugen.“
Als Grundlage für einen Masterplan liegt die Deutsche Normungsroadmap Smart Grid 2.0 von VDE/DKE vor, die Empfehlungen liefert und als Vorarbeit für gesetzgeberische Initiativen gedacht ist. Inzwischen fragt die Politik die Kompetenz der Ingenieursvereinigung stark nach und die Studien weiß auch Ernst Burgbacher, Parlamentarische Staatssekretär beim Wirtschaftsministerium, zu schätzen: „Wir verfolgen politisch einen klaren Pfad, aber wir wissen nicht, welche Technologien in zehn Jahren aktuell sein werden – die Politik schafft die Rahmenbedingungen mit der Wirtschaft, kann aber keine technische Entscheidungen fällen.“ Definiert sind laut Burgbacher fünf Handlungsfelder: Stromnetze, konventionelle Kraftwerke, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieforschung. „Außerdem haben wir den Etat für Energieforschung bis 2014 auf 3,5 Milliarden Euro aufgestockt.“
Rochus Rademacher, Journalist in Tübingen
Die Studie „Energiehorizonte 2020 – Stromversorgung der Zukunft“ findet sich unter www.vde.com
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