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„Wärmerückgewinnung macht Druckluft effizienter“

Atlas-Copco-Manager Reimund Scherff favorisiert Abwärmenutzung in Prozessen
„Wärmerückgewinnung macht Druckluft effizienter“

Die Energie zum Verdichten von Luft lässt sich fast vollständig zurückgewinnen und sollte im Rahmen des Gebäudemanagements genutzt werden, meint Reimund Scherff, Business Line Manager Oil-free Air bei der Essener Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH.

Herr Scherff, ab welcher Leistung des installierten Kompressors macht es Sinn, über die Wärmerückgewinnung nachzudenken?

Unabhängig von der Unternehmensgröße macht das immer Sinn. Kommt etwa in einem kleinen Betrieb nur ein 11-kW-Kompressor zum Einsatz, lohnt es sich schon, mit diesen elf Kilowatt die Lagerhalle oder Werkräume zu beheizen – denn bei einem kleinen Unternehmen kann man auch von kleineren Räumen ausgehen. Der Aufwand ist gering, da sich die warme Kühlluft direkt in die jeweiligen Bereiche leiten lässt. Anders sieht es aus, wenn ich Wärme aus dem Kühlwasser der Kompressoren rückgewinnen will. Da hier der Aufwand deutlich größer ist, lohnt sich das erst ab einer Antriebsleistung von mehr als 55 Kilowatt.
Lässt sich die Wärmeenergie nur zum Heizen verwenden?
Beim Heizen und dem Erzeugen von Warmwasser für die Duschen lässt sich die Wärmerückgewinnung sehr einfach einsetzen, aber es gibt eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten. Etwa das Erwärmen von Waschwasser für Reinigungsaufgaben oder in der Galvanik zum Vorwärmen der Tauchbecken. Bei Außentemperaturen zwischen -10 und +30 Grad Celsius lässt sich zudem der Kesselwirkungsgrad bei Verbrennungsvorgängen verbessern, wenn die Luft vorgewärmt wird. Wichtig dabei ist: Es ist immer sinnvoller, die Kompressorenabwärme in industriellen Prozessen zu nutzen. Denn im Gegensatz zum Heizen laufen diese Prozesse das ganze Jahr über – geheizt wird nur in der kalten Jahreszeit.
Welche Einschränkungen muss man beim Nutzen der Kompressoren-Abwärme beachten?
Die Wärmerückgewinnung erzeugt die Energie leider nicht immer genau dann, wenn diese benötigt wird – oder nicht in ausreichender Menge. Läuft der Kompressor entlastet oder stoppt er, sinkt die zur Verfügung stehende Wärmemenge sofort. Daher ist es sinnvoll, die Wärmerückgewinnung nur als zusätzliche Energiequelle zu betrachten – nicht als vollständigen Ersatz für die bisher verwendete Quelle. Trotzdem lohnt sich die Wärmerückgewinnung, da etwa der vorhandene Heizkessel weniger Energie benötigt – und das macht sich direkt bei den Betriebskosten bemerkbar. Beachten muss der Anwender zudem, dass eine Notkühlung für die Kompressoren zur Verfügung stehen muss, wenn die Wärme nicht abgenommen wird. Doch auch das lässt sich einfach umsetzen. Nutze ich die warme Kühlluft etwa für Heizzwecke und benötige ich sie dann nicht, muss die Abwärme über das Dach in die Atmosphäre abgegeben werden.
Am einfachsten ist es also, die Abwärme luftgekühlter Kompressoren zu nutzen?
Ja, denn ein luftgekühlter Kompressor benötigt einen relativ großen Kühlluftstrom. Die warme Abluft lässt sich dann direkt zum Beheizen eines Gebäudes oder über einen Wärmetauscher zum Vorheizen nutzen. Dazu muss die warme Luft nur über Kanäle mit einem oder mehreren Ventilatoren verteilt werden. Die Entfernung zwischen dem zu beheizenden Gebäude und dem Kompressor sollte möglichst kurz sein, um den Wärmeverlust zu minimieren. Ideal ist es, das Gebäude zu beheizen, in dem sich der Kompressor befindet – allerdings wie bereits erwähnt, eingeschränkt auf die kalte Jahreszeit. Die Wärmerückgewinnung aus der Kühlluft wird übrigens meistens nur bei kleineren und mittleren Kompressoren angewandt, hat aber den großen Vorteil, dass sie relativ kostengünstig ist.
Wie groß ist der Aufwand bei wassergekühlten Kompressoren?
Hier lässt sich per Wärmerückgewinnung Wasser bis auf 90 Grad Celsius erwärmen – und damit warmes oder heißes Wasser zum Waschen, Reinigen oder Duschen bereitstellen. Der erforderliche technische Aufwand hängt teilweise vom Kompressortyp ab. Ölfrei verdichtende Kompressoren lassen sich beispielsweise in der Standardausführung leicht mit einer Wärmerückgewinnung ausstatten. Dieser Verdichtertyp erreicht auch die für eine effiziente Wärmerückgewinnung erforderlichen hohen Wassertemperaturen. Bei öleingespritzten Kompressoren verhindert das Öl – das für den Verdichtungsvorgang benötigt wird – das Erreichen hoher Wassertemperaturen. Und bei Turbokompressoren liegt das Temperaturniveau allgemein niedriger, so dass auch die Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung schlechter sind. Zudem würde die Leistung des Kompressors durch höhere Kühlwassertemperaturen beeinträchtigt. Verglichen mit luftgekühlten Kompressoren, ist aber generell eine komplexere Installation erforderlich – Pumpen, Wärmetauscher und Regelventile. Doch es gibt einen Vorteil: Aus dem Kühlwasser gewonnene Wärme lässt sich leicht und ohne große Verluste mit relativ kleinen Rohren über große Entfernungen verteilen.
Gibt es einen vergleichbaren Ansatz für luftgekühlte Kompressoren?
Ja, auch bei luftgekühlten, ölgeschmierten Kompressoren lässt sich eine Wärmerückgewinnung mit einem Kühlwasserkreislauf installieren. Dies erfordert lediglich einen zusätzlichen Wärmetauscher im Ölkreislauf. Die maximal erreichbaren Temperaturen sind allerdings niedriger als bei einem ölfreien Kompressor.
Lässt sich eine Anlage zur Wärmerückgewinnung auch nachrüsten?
Grundsätzlich ja, allerdings sollte dies stets in Abstimmung mit dem Kompressorenhersteller geschehen – da beispielsweise der Druckabfall, der Kühlprozess oder die Sicherheit der Maschine zu beachten sind.
Wie schnell rechnet sich die Wärmerückgewinnung?
Normalerweise werden die zusätzlichen Investitionskosten für eine Wärmerückgewinnungsanlage bereits nach ein bis drei Jahren durch die Energieeinsparungen wieder ausgeglichen. Zusätzlich verbessert das konstantere Temperaturniveau einer Wärmerückgewinnung in einem geschlossenen System die Betriebsbedingungen und erhöht auf diese Weise Verfügbarkeit und Lebensdauer der Anlagenteile. Und sie schont die Umwelt – und sollte daher bereits in die Planung einer Druckluftstation integriert werden. Denn die meisten Kompressoren sind bereits ab Werk für den Anschluss an eine Wärmerückgewinnung vorbereitet.
Gibt es speziell für kleine und mittlere Unternehmen Fördermöglichkeiten, wodurch sich der Einsatz der Wärmerückgewinnung noch schneller rechnet?
Investitionen von KMU zur Energieeinsparung werden im Rahmen des ‚Sonderfonds Energieeffizienz in KMU’ mit Krediten zu einem vergünstigten Zinssatz mitfinanziert – im Programmteil B. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der KfW zur Erschließung von Energieeffizienzpotenzialen in kleinen und mittleren Unternehmen. Bestandteil des Sonderfonds sind neben Investitionskrediten übrigens auch Energieeffizienzberatungen. Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft erhalten hier Zuschüsse für qualifizierte und unabhängige Beratungen.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Fördermöglichkeiten
Energieeffizienzmaßnahmen – wie die Nutzung der Wärmerückgewinnung – werden im Rahmen des „Sonderfonds Energieeffizienz in KMU“ gefördert, basierend auf einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der KfW. Dazu zählen beispielsweise Investitionsmaßnahmen kleiner und mittlerer Unternehmen in den Bereichen:
  • Haus- und Energietechnik (inklusive Heizung, Kühlung, Beleuchtung, Lüftung und Warmwasser)
  • Gebäudehülle
  • Maschinenpark (inklusive Querschnittstechnologien wie elektrische Antriebe, Druckluft, Vakuum und Pumpen)
  • Prozesskälte
  • Prozesswärme
  • Wärmerückgewinnung/ Abwärmenutzung
  • Mess-, Regel- und Steuerungstechnik
  • Informations- und Kommunikationstechnik
Ersatzinvestitionen müssen zu einer Energieeinsparung von mindestens 20 % – gemessen am Durchschnittsverbrauch der letzten drei Jahre – führen. Bei Neuinvestitionen ist eine Energieeinsparung von mindestens 15 % gegenüber dem Branchendurchschnitt zu erreichen, basierend auf dem Vergleich mit anderen, in der Branche üblicherweise eingesetzten Anlagen. Die Einsparung durch die Investitionsmaßnahme ist bei Antragstellung durch einen in der KfW-Beraterbörse für „Energieeffizienzberatung“ zugelassenen Berater zu ermitteln; zugelassen sind aber auch Sachverständige, die nicht in der KfW-Beraterbörse eingetragen sind.

Kosteneffizienz
Die Erzeugung von Druckluft ist energieintensiv. Doch fast die gesamte Energie lässt sich in Form von Wärme zurückgewinnen und weiter nutzen. Damit lassen sich zwar herkömmliche Installationen wie etwa Heizanlagen nicht ersetzen, aber deutlich entlasten. Der Verbrauch von fossilen Energieträgern sinkt und damit reduzieren sich auch die Kosten. Zusätzlich verbessern integrierte Konzepte die CO2-Bilanz.
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