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Werker nutzen Wissen systematisch

Kollaborative Fertigungsorganisation
Werker nutzen Wissen systematisch

Planen und Steuern | Das WZL der RWTH Aachen forscht an der kollaborativen Fertigungsorganisation, in der sich die Produktionsmitarbeiter per dezentral eingesetzter IT-Lösungen aktiv am Planungs- und Steuerungsprozess beteiligen können.

Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH AachenQuoc Hao Ngo M.Sc.Geschäftsfeld Industrial IT des WZL

Heutige Ansätze zur Planung und Steuerung der synchronisierten Fertigung sind zentral ausgelegt. Alle Prozessschritte zur Herstellung eines Produktes werden zeitlich sowie lokal aufeinander abgestimmt. Dies wiederum induziert starre Strukturen in der Fertigung, in denen nicht flexibel auf Störungen reagiert werden kann. Um die hohe Komplexität zu bewältigen und die Fertigung flexibler zu gestalten, empfiehlt es sich, die Produktionsmitarbeiter in die Planung und Steuerung zu integrieren. Dadurch lassen sich Störungen im Arbeitsprozess direkt und unmittelbar am Ort des Geschehens durch Einbezug der Mitarbeiter, ihrer Kompetenzen und ihres Wissens beheben.
Möglich wird dies durch Einsatz von Softwarelösungen zur Planung und Steuerung. Daher haben Industriepartner mit dem WZL die Softwarelösung SynchroTecS entwickelt. Bereits mehrere Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie wenden diese Lösung zur Planung und Steuerung ihrer Fertigung an. Aktuelle Arbeiten streben die Entwicklung einer kollaborativen Fertigungsorganisation an, indem die Arbeit des Produktionsmitarbeiters um organisatorische Verantwortungen erweitert wird.
Der Mitarbeiter soll proaktiv die Fertigungsabläufe mitgestalten sowie reaktiv Maßnahmen zur Störungsbehebung vorschlagen und durchführen. Das heißt, die Planung und Steuerung in der Fertigung erfolgt zusätzlich dezentral durch den Produktionsmitarbeiter. Um die kollaborative Fertigungsorganisation zu realisieren, ist daher die Adaption zentraler Planungs- und Steuerungslösungen an die Anforderungen der dezentralen Planung und Steuerung erforderlich.
Softwarebasierter Ansatz ist sinnvoll und notwendig
Softwarelösungen zur Planung und Steuerung der synchronisierten Fertigung bauen auf Produktionsprinzipien auf. Hinter SynchroTecS steckt das Prinzip der getakteten Einzelfertigung, angepasst an die Bedürfnisse der individualisierten Fertigung. Hierbei werden Aufträge mit ähnlichen Bearbeitungsreihenfolgen zu Auftragspaketen gebündelt, die im Bereich der anvisierten Taktzeit liegen. Die Arbeitspakete durchlaufen synchronisiert die Fertigung, indem sie in einem festen Takt – etwa einem Tag – von Station zu Station geleitet werden.
Das folgende Beispiel soll zeigen, warum ein softwarebasierter Ansatz sinnvoll und notwendig ist: Zehn Aufträge sollen zu fünf Auftragspaketen gebündelt werden. Hierfür existieren circa 10 Mio. Möglichkeiten. Die manuelle Ermittlung nach einer optimalen Verteilung und Bündelung der Aufträge wäre daher ineffektiv und ineffizient. Mithilfe von Softwarelösungen, die auf intelligenten Algorithmen beruhen, kann unter der Berücksichtigung von Restriktionen (etwa Rüstzeit, Bearbeitungsreihenfolgen oder Termin) die optimale Verteilung und Bündelung in wenigen Sekunden identifiziert werden.
Die Produktionsmitarbeiter werden mit der kollaborativen Fertigungsorganisation in den Planungs- und Steuerungsprozess integriert, damit eine schnelle und Direkt-vor-Ort Behebung von Störungen erzielt werden kann.
Enge Zusammenarbeit aller Unternehmensebenen
Die kollaborative Fertigungsorganisation zielt auf eine enge Zusammenarbeit aller Unternehmensebenen ab, insbesondere zwischen der Planungs- und der operativen Ebene. Das Management legt einen „strategischen Zielkorridor“ fest, der sich an ändernde Randbedingungen anpassen lässt und den Lösungsraum für die Fertigungsplanung und -steuerung bildet. Durch dezentrale Softwarelösungen (wie etwa Fertigungslinienauslegung und Auftragseinplanung ) und unterstützende Hardwarelösungen (etwa Tablets und Smart Watches) erhalten die Produktionsmitarbeiter die Möglichkeit, ihr prozessnahes Wissen in die Planung und Steuerung einzubringen. Sie werden beispielsweise dazu befähigt Fertigungslinien auszulegen, Aufträge bei Fehlern von der Linie zu nehmen oder im Falle von Störungen die Fertigungslinien zu adaptieren. Durch den dezentralen Planungs- und Steuerungscharakter und die dadurch hervorgerufene Durchführung von Maßnahmen unmittelbar am Ort des Geschehens wird eine effiziente Fertigung mit dynamischer Adaptionsfähigkeit geschaffen.
Die kollaborative Fertigungsorganisation bietet ideale Voraussetzungen für eine lern- und motivationsförderliche Arbeit. Bewährte Ansätze aus der Arbeitspsychologie sind die Gestaltung von vollständigen Arbeitsaufgaben respektive die Implementierung von Teamarbeit. Eine Arbeitsaufgabe wird als „vollständig“ bezeichnet, wenn sie neben den ausführenden Tätigkeiten auch eine organisatorische und kontrollierende Verantwortung enthält. Vollständige Arbeitsaufgaben werden durch die kollaborative Fertigungsorganisation begünstigt, da die Produktionsmitarbeiter zur Planung und Steuerung ihrer Arbeit befähigt werden (organisatorische Befähigung) sowie selbstständig in die Arbeitsprozesse eingreifen können, wenn Störungen auftreten (kontrollierende Befähigung).
Die höhere Kommunikation durch Kollaboration wirkt sich positiv auf die Teamarbeit aus. Aufgrund der Möglichkeit zur eigenständigen Organisation der Arbeit können sich die Produktionsmitarbeiter selbstorganisiert zu Teams zusammenschließen, um bevorstehende Aufgaben im Kollektiv zu lösen. Zudem können hierbei Bedürfnisse einzelner Produktionsmitarbeiter berücksichtigt werden, so kann etwa jemand Arbeitsaufgaben anfordern, die er präferiert ausführen möchte.
Das effiziente Praktizieren der kollaborativen Fertigungsorganisation erfordert dezentral anwendbare, vernetzte IT-Lösungen, die die Produktionsmitarbeiter in den organisatorischen, operativen und kontrollierenden Tätigkeiten unterstützen. Im Zuge der Weiterentwicklung des kollaborativen Ansatzes ist zudem ein BMBF-gefördertes Forschungsprojekt zur „Kollaborativ-Synchronisierten Fertigung“ in Planung.
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