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Wie Alu-Schaum gefügt wird

Fügeoptionen für Metallschaum: Kleben, Schweißen und Einschäumen
Wie Alu-Schaum gefügt wird

Leichtbau | Das Interesse an Aluminiumschaum steigt. Damit stellt sich verstärkt die Frage, wie der Leichtbauwerkstoff denn zu fügen ist. Das Fraunhofer IWU untersucht zurzeit das Einschäumen von Verbindungselementen und konnte dabei Auszugskräfte von bis zu 9,1 kN erzielen.

Dipl.-Ing. Claudia Drebenstedt, Dipl.-Ing. Carsten Lies Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz, Abteilung Funktionsintegrierter Leichtbau

Aluminiumschäume sind dabei, ihr Nischendasein zu verlassen. Meist wird der Werkstoff als Kernmaterial in Sandwich-Bauteilen und -strukturen verwendet. Als positive Eigenschaften kommen dabei seine hohe Schwingungsdämpfung und sein geringes Gewicht bei zugleich hoher Biegesteifigkeit zum Tragen. Vorangegangene Artikel haben die Eignung dafür dargelegt und die Herstellung beschrieben. In Industrieanzeiger 21 ist zum Beispiel nachzulesen, wie Schienenfahrzeuge künftig aus leichten Aluminiumschaum-Sandwiches gebaut werden könnten. Ein weiteres Beispiel sind Maschinenschlitten in Fräsanlagen der Niles-Simmons GmbH. Sie bestehen bereits aus verschweißten Aluminiumschaum-Sandwiches mit Stahldecklagen. Im Vergleich zur konventionellen Bauweise sparen sie etwa 28 % Gewicht ein, zusätzlich ist die Schwingungsdämpfung deutlich verbessert.
Die Herstellung solcher Aluminiumschaum-Sandwiches mit Stahldecklagen ist erprobt: Zwischen zwei dünne Stahlplatten wird ein schäumbares Material platziert, bestehend aus verpresstem Aluminiumpulver mit einem geringen Anteil von gasabspaltendem Treibmittel. In einem Wärmebehandlungsprozess, der etwa die Schmelzpunkttemperatur von Aluminium erreicht (rund 660 °C), spaltet sich das Titanhydrid in Titan und gasförmigen Wasserstoff auf. Das freigesetzte Treibgas bläst das schmelzflüssige Aluminium zu einem zellularen Werkstoff – Schaum – auf.
In diesem Beitrag soll nun näher auf die Verbindungstechnik eingegangen werden. Dafür gibt es schon diverse Lösungen und Untersuchungen. So können Sandwichbauteile mit Aluminiumschaumkern über ihre Deckbleche verschweißt werden. Durch Laserstrahlschweißen lassen sich Schäume auch direkt verbinden – was aufgrund der Porenstruktur jedoch schwierig umzusetzen ist, teilweise kommt es zum Kollaps der zellularen Struktur. Diese und weitere Fügemöglichkeiten, wie das Einschrauben von Holzschrauben in den Schaum, wurden in einer Dissertation untersucht (Fußnote).
Spezielle Fügeelemente, die mit der Flaig + Hommel GmbH entwickelt wurden, sind eine weitere Option, Sandwichbauteile mit anderen Bauteilen zu verbinden. Sie lassen sich einfach verwenden und haben den Vorteil, dass sie eine lösbare Verbindung darstellen (Foto). Diese Verbindungselemente erzielen – je nach Element – Ausreißkräfte von 10 bis 21 kN. Da sie speziell für metallische Sandwiches entwickelt wurden, eignen sie sich für andere Zusammensetzungen allerdings nicht. So auch im folgenden Beispiel.
Das Teilprojekt B1 des Exzellenzclusters Merge der TU Chemnitz verfolgt einen neuen Ansatz, um das Leichtbaupotenzial von Aluminiumschaum-Sandwiches zu erhöhen: Decklagen aus glas- oder kohlenstofffaserverstärktem Thermoplast führen zu einer sehr hohen Biegesteifigkeit der Sandwichverbunde. Vorteilhaft ist auch deren Gestaltungsfreiheit. Damit lassen sich komplex gekrümmte Sandwichstrukturen herstellen. Durch konturveränderte Wandstärken können sie sogar belastungsgerecht angepasst werden (Literatur dazu s. Fußnote).
Die Verbindung zu den umgebenden Bauteilen stellt bei dieser Bauweise eine besondere Herausforderung dar. Eine Möglichkeit ist das nachträgliche Einbringen von Fügeelementen durch Kleben. Für die Serienproduktion wäre es aber wünschenswert, Anbindungselemente bereits während der Schaumherstellung einzubinden, also durch Einschäumen. Das Fraunhofer IWU startete eine Versuchsreihe für diesen Ansatz.
Zunächst wurden verschiedene Insert-Materialien in Kombination mit Oberflächenbehandlungen auf ihre Eignung getestet: Aluminium, Stahl und Messing. Messing wurde gewählt, weil viele Standard-Inserts daraus bestehen. Stahl und Aluminium sind auch als Deckblech-Material für Schaumsandwiches im Einsatz. Und für Aluminium spricht zudem noch das erhöhte Leichtbaupotenzial. Dagegen steht jedoch die Problematik, dass die Schmelztemperaturen von Aluminium-Schaum und -Inserts sehr dicht beieinander liegen und somit die Gefahr besteht, dass das Insert anschmilzt oder sich komplett auflöst.
Kombiniert wurden die Insert-Materialien mit Oberflächenbehandlungen wie Vernickeln oder Brünieren. Durch Brünieren wird Stahloberfläche in gewissem Maße porös, so dass sich die Anbindungsfläche erhöht – viele Inserts im Markt sind brüniert.
Auch die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten müssen mit berücksichtigt werden. So hat Aluminium im Vergleich zu Stahl einen mehr als doppelt so hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Dies hat den Vorteil, dass der Aluminiumschaum beim Abkühlen auf die Inserts aus Stahl und Messing aufschrumpft. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die Inserts beim Abkühlen der Schaumplatte zueinander verschieben, was beim Auslegen der Schäumform unbedingt bedacht werden muss.
Bei den Versuchen gemessen wurde die Auszugskraft. Um geometrische Einflüsse auszuschließen, wurden die Inserts als einfache Zylinder mit 10 mm Durchmesser gestaltet. Sie erhielten je eine Gewindebohrung für die Gewindestangen, die in die Zug-Prüf-Maschine eingespannt wurden.
Bereits nach dem Schäumen zeigte sich, dass vernickeltes Messing in Kombination mit Aluminiumschaum ungeeignet ist, weil sich ein Spalt bildet. Die Ursache könnte darin liegen, dass eine niedrig schmelzende Legierung entsteht. Weiter wurde deutlich, dass Stahl in unbehandelter Form eine viel zu geringe Haftung zum Aluminiumschaum ausbildet: Die Inserts lösten sich bereits beim Vorbereiten der Proben. Für die anderen Proben wurden Ausreißkräfte bis zu maximal 10,2 kN erreicht (Diagramm).
Obwohl bei den herausgezogenen Messingzylindern (unbehandelt) teilweise Aluminiumrückstände zu erkennen sind, was auf eine partielle Anbindung schließen lässt, sind ihre Auszugskräfte mit 2,6 kN am niedrigsten. Die Stahlproben liegen mit 3,4 und 4,7 kN im mittleren Bereich. Die höchsten durchschnittlichen Auszugskräfte wurden mit 9,1 kN bei den vernickelten Aluminiumzylindern gemessen.
Diese Proben lassen erkennen, dass die Zylinder während des Schäumens sehr stark aufgelöst wurden, andere hingegen sind noch vollständig erhalten. Den gemessenen Werten nach scheint dies jedoch keinen großen Einfluss auf die Auszugskraftkraft zu haben.
Die besten Ergebnisse zeigen jene Inserts, bei denen der Randbereich in den schmelzflüssigen Zustand übergegangen ist und sich dadurch eine gute stoffschlüssige Verbindung mit dem Schaum einstellte. Der Kern dieser Inserts blieb dabei massiv. Ziel wird es also sein, das Anschmelzen der Insert prozesssicher zu steuern. Es hängt von zahlreichen Parametern ab. Dazu zählen im Besonderen die Aufheizgeschwindigkeit, die Ofentemperatur, die Legierung, die Bauteilgeometrie und der Aufbau der Schäumform. Über eine Analyse und Festlegung dieser Parameter sollte es möglich werden, den Anschmelzprozess so zu justieren, dass ein stabiler Verbund entsteht. Ziel weiterführender praktischer Versuche wird es also sein, den Prozess für reproduzierbare Fügeergebnisse auszulegen.
Durch eine geschickte Gestaltung der Inserts können die Ergebnisse sogar noch deutlich gesteigert werden. Dazu sollen im nächsten Schritt verschiedene Geometrien untersucht werden – zum Beispiel komplexe Formen, die mit einer vergrößerten Oberfläche den Schaum noch besser anbinden. Durch Hinterschnitte oder Geometrien ähnlich den „Big-Heads“ von KVT-Fastening (Foto) kann die Kraft in einen größeren Bereich des Schaumes eingeleitet und somit insgesamt die Kraftübertragung verbessert werden.
Diese Arbeit entstand im Rahmen des Bundesexzellenzclusters EXC 1075 „Technologiefusion für multifunktionale Leichtbaustrukturen“ und wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Autoren danken für die finanzielle Unterstützung. •

Auszugskräfte – Mittelwerte [kN]

3612693

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