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„Wir gehen den Weg der kleinen, umsetzbaren Schritte“

Dr. Steffen Haack erläutert, wie Bosch Rexroth die Hydraulik fit für Industrie 4.0 macht
„Wir gehen den Weg der kleinen, umsetzbaren Schritte“

Bosch-Rexroth-Vorstand Dr. Steffen Haack über Einstiegsprojekte in die Industrie-4.0-Welt, vernetzungsfähige Hydrauliklösungen und Online-Dienstleistungspakete für die vorausschauende Wartung von Anlagen.§

Autor: Das Interview führte Dietmar Kieser

In Deutschland ist Bosch einer der Antreiber von Industrie 4.0. Derzeit bündelt der Konzern die Kompetenzen von über 100 Experten unter dem Namen „Connected Industry“. Wie profitiert die Tochter Rexroth von dem Vorstoß?

Der Bosch-Konzern ist sowohl Leitanwender als auch Leitanbieter bei der vernetzten Fertigung. Leitanwender heißt für ein Unternehmen wie Bosch mit seinen weltweit über 280 Werken, dass dort in über 100 Pilotprojekten erste Erfahrungen mit Industrie 4.0 gesammelt werden. Dabei werden die technischen Möglichkeiten in kleinen Schritten ausgelotet und umgesetzt, was wirtschaftlich Sinn macht. Zunächst wollen wir in unseren Werken eigene Anwendungserfahrungen sammeln und dann als Leitanbieter mit diesen Lösungen nach außen gehen. Als Automationsspezialist im Bosch-Konzern fällt Rexroth hier eine besondere Rolle zu. Mittlerweile kann man sich Dinge in Stahl und Eisen anschauen.
Orientieren Sie sich am Referenzmodell Industrie 4.0 oder erarbeitet Rexroth Vorschläge in den Standardisierungsgremien?
Wir engagieren uns in den verschiedenen Industrie-4.0-Arbeitsgruppen und unterstützen sowohl die deutsche Plattform Industrie 4.0 als auch das Industrial Internet Consortium in den USA. Das Ziel sind ja offene Schnittstellen, an die sich möglichst viele halten. In der Einführung der Bussysteme vor Jahren in der Automationstechnik ist das etwas anders gelaufen. Dadurch sind viele proprietäre Systeme entstanden. Umso wichtiger ist es, sich auf einen offenen Weltstandard zu einigen, den alle unterstützen. Dadurch würde die Vernetzung viel schneller gehen als in der Vergangenheit in der Automationstechnik bei den Bussystemen.
Hydraulische Aktoren und Aggregate hat Bosch Rexroth früh elektrifiziert und mit eigener Intelligenz ausgerüstet. Was ist entscheidend für den jetzigen Schub?
Schlüsselelemente sind die Vernetzung innerhalb der Produktion und die Verbindung zum Internet. Früher oder später wäre das ohnehin gekommen. Der aktuelle Boost hat aber bewirkt, dass sich jetzt sehr viele damit beschäftigen. Nötig sind jedoch Technologien zur Datenübertragung in den Fabrikhallen. Da dies aber nicht überall flächendeckend vorhanden ist, braucht es kleine Pilotinseln, um auszuprobieren, was bereits gut funktioniert.
Sensoren, Software und IT sind nicht gerade der Kernbereich von Bosch Rexroth. In welcher Position sehen Sie Ihr Unternehmen als Fabrikausrüster von Industrie 4.0?
Ursprünglich kommen wir – und da gebe ich Ihnen Recht – von der Automatisierung. Und damit von der unteren Feldebene und nicht aus der IT-Welt. Gleichwohl haben wir in der Vergangenheit Erfahrungen mit IT gesammelt. Im Ergebnis haben wir vor zwei Jahren zur Hannover Messe mit Open Core Engineering eine Lösung präsentiert, die beide Welten zusammenbringt. Mit dieser Schnittstellentechnologie fügen sich Maschinen in vernetzte Produktionsumgebungen ein. Verstärkt nutzen wir Hochsprachen, arbeiten in Communities und binden über eine Engineering-Plattform inzwischen hunderte unserer Kunden ein. Einige Bereiche unserer Arbeitswelt haben sich dadurch erheblich verändert.
Welche Industrie 4.0-Anwendungsfälle laufen derzeit in Projekten bei Rexroth?
Wir haben international eine ganze Reihe von Projekten aufgelegt. Bei zweien sind wir soweit, dass wir darüber reden können. Das eine ist eine vernetzte Montagelinie für die variantenreiche Fertigung in unserem Homburger Werk. Eine zweite Linie steht in Mellansel. In unserem Werk in Schweden durchlaufen Hydraulikmotoren eine hochautomatisierte Lackieranlage. Ähnlich wie in der Homburger Montagelinie erfolgt die Erkennung über RFID-Tags am Hydraulikmotor. Über einen solchen Chip am Motor erkennen die Bearbeitungsstationen, welche Grundbeschichtung das fertige Produkt bekommt, seine Farbe und vieles mehr. Anhand dieser Projekte lernen wir als Leitanwender, den Nutzen zu erkennen und ihn als Leitanbieter in Nutzen für unsere Kunden umzusetzen.
Was heißt das konkret?
Auf der Multiproduktlinie in Homburg können wir heute hochflexibel dreihundert verschiedene Hydraulikventile bis zur Losgröße eins herstellen. Dabei haben wir einen Produktivitätsfortschritt von zehn Prozent erreicht. Die Bestände wurden trotz erhöhter Variantenzahl um 30 Prozent gesenkt. Das ist schon überzeugend.
Fragen Ihre Kunden diese Pilotprojekte bereits nach?
Viele zögern noch, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Große Unternehmen denken aktuell bereits über ganze Fabriken nach. Umso wichtiger ist deshalb unsere Doppelstrategie des Leitanwenders und Leitanbieters. Eine Industrie-4.0-Fabrik entsteht ja nicht durch einen Big Bang über Nacht. Vielmehr wird man über viele kleine, nachvollziehbare und transparente Schritte den Nutzen der neuen Lösungen nachweisen. Darüber wird man die Skeptiker von heute überzeugen können. Deshalb gehen wir den Weg der kleinen, umsetzbaren Schritte.
Und wie sieht es mit neuen Dienstleistungen auf Basis der Daten aus, die in der Produktion Ihrer Kunden entstehen?
Erste Beispiele gibt es bereits, beispielsweise bietet unsere neue Hydraulikaggregate-Baureihe ABPAC in den Messfühlern integrierte Sensorpakete. Die erfassen kontinuierlich alle Betriebszustände und kommunizieren über offene Schnittstellen mit Steuerungen oder direkt mit Smartphones und Tablet-PC Über diese Zustandsmeldungen kann der Anlagenbetreiber Verschleiß zuverlässig erkennen, bevor die Anlage ungeplant still steht. Wir setzen das Aggregat selbst in unserer Produktion ein, um Erfahrungen zu sammeln. Auf der Hannover Messe haben wir ABPAC in einer Ziehkissensteuerung demonstriert.
Wie wird der Industrie-4.0-gemäße Serviceteil sichtbar?
Indem wir Online-Dienstleistungspakete für die vorausschauende Wartung von Anlagen anbieten. Unter dem Begriff Online Diagnostics Network, kurz ODiN, bieten wir dem Anwender einen Service, der ihn über eine sichere Cloud regelmäßig über den Maschinenzustand informiert und Handlungs-empfehlungen gibt. Und über ein Web Portal lässt sich der aktuelle Zustand hydraulischer Systeme überwachen. Dabei werden große Datenmengen verarbeitet, wodurch sich die Verfügbarkeit unserer Antriebssysteme in Maschinen deutlich steigern lässt.
Nicht mehr das Produkt differenziert also in Zukunft den Hersteller im Markt, sondern seine Smart Services?
Genau, das ist das Geschäftsmodell. Seit einiger Zeit wird ja viel von Big Data gesprochen. Die Frage ist, was damit geschieht. Beispielsweise lassen sich mit Hilfe von Data Mining Veränderungen kritischer Komponenten zum Ursprungszustand identifizieren. So lässt sich Verschleiß zuverlässig erkennen, bevor er einen ungeplanten Anlagenstillstand verursacht. Deshalb glaube ich, dass Service ein Vorreiter sein wird und mit den richtigen Daten erheblichen Kundennutzen stiftet. •
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